An Arbeitnehmer für entgangene oder entgehende Einnahmen geleisteter Ersatz nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
Leitsatz
Die Beurteilung des einem Arbeitnehmer geleisteten Ersatzes für entgangene oder entgehende Einnahmen als Entschädigung i. S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzt voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird.
Gesetze: EStG § 24 Nr. 1 Buchst. aEStG § 34 Abs. 1 und 2BGB § 613 a
Instanzenzug: FG Rheinland-Pfalz (Verfahrensverlauf), ,
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum bei der Fa. D-GmbH als Industriekaufmann im Rechnungswesen beschäftigt. Seit dem ist er bei der P-GmbH angestellt, auf die das Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übergeleitet worden ist.
Die arbeitsrechtlichen Veränderungen waren durch gesellschaftsrechtliche Vorgänge veranlasst worden. Die Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer wurden in dem ,,Interessenausgleich'' zwischen der Geschäftsführung der D-GmbH und dem Gesamtbetriebsrat vom geregelt. Darin ist bestimmt, dass das Werk S auf die neu gegründete P-GmbH übertragen wird und die Arbeitsverhältnisse gemäß § 613 a BGB auf diese Gesellschaft übergehen. Den Mitarbeitern, die einem Übergang gemäß § 613 a Abs. 4 BGB widersprechen würden, sollte aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden. Für Mitarbeiter, die dem Übergang nicht widersprächen, stellte die D-GmbH der P-GmbH pro Mitarbeiter einen Betrag von 10 000 DM zur Verfügung. Die Arbeitszeit wurde auf 37,5 Stunden pro Woche ohne Lohn- und Gehaltsausgleich erhöht. Die Löhne sollten ab Übergang der Arbeitsverhältnisse per bis zum nicht erhöht werden und danach bis zum Ende der sog. ,,Beauftragungszusage'' nur im Falle ausreichender Gewinne der P-GmbH. Zusätzlich war eine Produktionssteigerung von 3 % durch die neue Geschäftsführung sicherzustellen. Die Mitarbeiter wurden zukünftig von allen Sozialeinrichtungen der D-GmbH ausgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen errechnete die D-GmbH eine durchschnittliche Einkommensminderung der Mitarbeiter von 1997 10 190 DM, 1998 10 490 DM und 1999 10 810 DM.
Auf die Anfrage vom stimmte der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom zu. In seiner Einkommensteuererklärung für 1997 deklarierte er einen Jahresbruttolohn von 85 924 DM sowie eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung von 10 000 DM, die er im Januar 1997 bezogen hatte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete den Betrag von 10 000 DM zu den laufenden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Den Einspruch wies das FA zurück.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ist der Auffassung, dass der Betrag von 10 000 DM als Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu qualifizieren sei. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (8FH) verlange § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet werde. Das FG stützt sich auf das Urteil des (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1999, 171).
Mit der Revision macht das FA geltend, dass das Urteil des FG im Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung stehe. Wenn die vertragliche Grundlage nicht entfalle, empfange der Steuerpflichtige von der Gegenseite keinen Ersatz für die ihm vertraglich zustehende Leistung, sondern die Leistung selbst.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die wirtschaftliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht Voraussetzung für eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Gründe
II.
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Auffassung des FG kommt eine tarifbegünstigte Besteuerung der Ausgleichszahlung nicht in Betracht.
1. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen; dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Die Abfindung darf sich nicht als die bloße - ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte - Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen (Urteil vom XI R 8/93, BFHE 172, 338, BStBl II 1994, 167).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom XI R 62/92, BFH/NV 1993, 721; vom XI R 7/93, BFHE 172, 427, BStBl II 1994, 185; vom XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195) ist eine die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 34 Abs. 1 und 2 EStG rechtfertigende Entschädigung nicht gegeben, wenn unter Fortsetzung der Einkünfteerzielung im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses ein bestehender Anspruch durch den Arbeitgeber abgegolten wird, wobei die Ablösung ebenso auf einer Vertragsänderung wie auf einem vertragsrechtlichen Schadensersatzanspruch beruhen kann. Eine Entschädigung i. S. der § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzt voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird.
Dieses Erfordernis hat der Senat in dem Urteil in BFH/NV 2000, 1195, durch das er das vom FG angeführte Urteil des Thüringer FG in EFG 1999, 17 aufgehoben hat, aus der Gleichwertigkeit der einzelnen Tatbestände des § 24 Nr. 1 EStG sowie aus einem Vergleich zu den in § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG aufgeführten Tatbeständen abgeleitet. Bereits in dem Urteil vom IV R 43/74 (BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9) hat der BFH ausgeführt, dass eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht vorliegt, wenn der zur Ersatzleistung führende Sachverhalt sich als ein normaler und üblicher Geschäftsvorfall im Rahmen der jeweiligen unternehmerischen Einkunftsart darstellt. Im Urteil vom X R 10/91 (BFH/NV 1992, 455) verlangt der BFH, dass es sich bei den einen Einnahmeausfall verursachenden Ereignissen um außergewöhnliche Vorgänge handeln muss, die über den Rahmen einzelner Geschäfte hinausgehen, wie sie für die jeweilige Einkunftsart typisch sind. Ein solcher außergewöhnlicher Vorgang liege dann vor, wenn die Ertragsgrundlage entfiele und der Geschäftsbetrieb als solcher in Frage gestellt sei. Und im Urteil vom IV R 19/96 (BFH/NV 1999, 308) ist der BFH der Auffassung, dass die Aufhebung eines Sukzessivlieferungsvertrags für einen Gewerbetreibenden auch dann im Bereich des Üblichen liege, wenn der Unternehmer seinen alleinigen und ausschließlichen Vertragspartner verloren habe.
Die genannten Entscheidungen lassen erkennen, dass Ereignisse, die den Einkunftserzielungstatbestand nicht in seinem Bestand berühren, nicht zu einer Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führen. Das bedeutet für die Fälle, in denen einem Arbeitnehmer ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgangene oder entgehende Einnahmen ersetzt werden, dass nur eine Modifikation des bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliegt, die die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht rechtfertigen kann.
2. Im Streitfall ist das FG in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beteiligten zu Recht davon ausgegangen, dass der neue Arbeitgeber in das bestehende Arbeitsverhältnis eingetreten und dieses damit nicht beendet worden ist. Der Betriebsübergang von der D-GmbH auf die P-GmbH hat nicht zur endgültigen Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses geführt; dieses wurde vielmehr gemäß § 613 a BGB mit einem neuen Arbeitgeber und mit teilweise geänderten Konditionen fortgesetzt. § 613 a BGB schützt den Bestand des bisherigen Arbeitsverhältnisses und führt zu dessen Fortsetzung (BFH in BFH/NV 2000, 1195, m. w. N.; Beseler in Beseler/Düwell/Göttling, Arbeitsrechtliche Probleme bei Betriebsübergang, Betriebsänderung, Unternehmensumwandlung, 2000, S. 49 ff.). Die Zahlung der 10 000 DM bedeutet daher keinen Ersatz für eine dem Kläger vertraglich zustehende Leistung, sondern die Leistung selbst.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, hat es keine Feststellungen dahin gehend getroffen und nicht geprüft, ob eine Verteilung der Abfindungsleistung nach § 34 Abs. 3 EStG in Frage kommt (vgl. , BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27). Dies ist nachzuholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 181
BB 2002 S. 399 Nr. 8
BB 2002 S. 978 Nr. 19
BFH/NV 2002 S. 411 Nr. 3
BFHE S. 54 Nr. 197
BStBl II 2002 S. 181 Nr. 5
DStR 2002 S. 258 Nr. 7
DStRE 2002 S. 271 Nr. 5
FR 2002 S. 344 Nr. 6
INF 2002 S. 248 Nr. 8
KÖSDI 2002 S. 13200 Nr. 3
DAAAA-89156