BFH Urteil v. - X R 27/01 BStBl 2002 II S. 145

Keine Begünstigung nach § 10 e EStG bei Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste, auch wenn der Wohnungseigentümer von seinem zeitlich begrenzten Eigennutzungsrecht Gebrauch macht

Leitsatz

1. Wird eine Wohnung durch einen Gästevermittlungsvertrag zur kurzfristigen Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste bestimmt, so liegt auch dann keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 10 e Abs. 1 Satz 2 EStG vor, wenn der Wohnungseigentümer von seinem vorbehaltenen zeitlich begrenzten Eigennutzungsrecht Gebrauch macht.

2. Die Nutzung zu Wohnzwecken setzt eine dauerhafte und intensive Beziehung des Nutzers zu der Wohnung voraus.

3. Eine Wohnung, die aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen zur kurzfristigen Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste bestimmt ist, stellt eine die Anwendung des § 10 e EStG ausschließende Ferienwohnung dar, selbst wenn sie nicht in einem Sondernutzungsgebiet nach § 10 BauNVO liegt.

Gesetze: EStG § 10 e

Instanzenzug: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 2001, 743) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit Kaufverträgen vom bzw. in einer Ferienwohnanlage zwei 44,25 qm bzw. 20,72 qm große Eigentumswohnungen, die im Frühjahr 1997 fertig gestellt wurden. In den Kaufverträgen verpflichteten sich die Kläger, die zu errichtenden Ferienappartements an einen wechselnden Personenkreis zu vermieten. Über beide Wohnungen schlossen sie mit einer Vermietungs- und Betriebsgesellschaft (VBG) Gästevermittlungsverträge. Danach stellen sie die Wohnungen der VBG als Vermittlerin zur entgeltlichen Vermietung in ihrem Namen und auf ihre Rechnung im Rahmen einer gewerblichen Fremdenverkehrsnutzung ausschließlich zur Verfügung. Den Klägern ist es gestattet, die Wohnungen in vorher bestimmten Zeiträumen fünf Wochen im Jahr selbst zu nutzen, wobei sie verpflichtet sind, der VBG spätestens bis zum 10. Januar eines jeden Jahres die beabsichtigte Dauer der Eigennutzung schriftlich mitzuteilen. In den Verträgen ist vermerkt, dass die Vermieter in ihrem Sondereigentum ein Fremdenverkehrsgewerbe durch entgeltliche Beherbergung von ständig wechselnden Feriengästen betreiben. Dem Vermieter steht im Falle eines Verkaufs oder einer sonstigen Veräußerung der Eigentumswohnungen nicht das Recht zu, den Gästevermittlungsvertrag zu kündigen. Vielmehr ist er verpflichtet, im Falle einer Veräußerung oder wirtschaftlichen Gebrauchsüberlassung seines Sondereigentums dem Käufer oder Nutzungsberechtigten die Verpflichtungen aus diesem Vertrag aufzuerlegen.

Mit der Einkommensteuererklärung begehrten die Kläger ohne Erfolg für eine der beiden Wohnungen die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG für zwei Kinder.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 743 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 10 e Abs. 1 Satz 2 EStG.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung eines Abzugsbetrags nach § 10 e EStG in Höhe von 1 000 DM sowie einer Steuerermäßigung nach § 34 f EStG in Höhe von 2 000 DM zu ändern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz i. V. m. Satz 4 EStG nicht berücksichtigt und den Klägern das Baukindergeld nach § 34 f EStG versagt, weil diese die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben und die Wohnung außerdem eine Ferienwohnung darstellt.

Ein Steuerpflichtiger kann den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz EStG geltend machen, wenn er die Wohnung in dem Jahr des Abzugs zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und sie keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist.

1. Der Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist im EStG nicht ausdrücklich definiert. Es besteht jedoch Übereinstimmung darin, dass ein Gebäude dann Wohnzwecken dient, wenn es dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Unterkunft und Aufenthalt zu ermöglichen (vgl. , BFHE 191, 502, BStBl II 2001, 66, und vom IX R 75/99, BFH/NV 2001, 429). Das entspricht der in § 17 des ab dem geltenden Wohnraumförderungsgesetzes (Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts, BGBl. I 2001, 2376) enthaltenen Definition von Wohnraum als umbauter Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und vom Verfügungsberechtigten dazu bestimmt ist. Eine Wohnung setzt also im Regelfall eine Beziehung zwischen dem Nutzer und dem genutzten Raumbereich von gewisser Dauerhaftigkeit und Intensität voraus. Entgegen der Ansicht der Kläger ist somit das Element der Dauer dem Begriff des Wohnens immanent (so ausdrücklich Stadler/Gutekunst/Forster/Wolf, Kommentar zum Wohngeldgesetz, § 4 a WoGG Anm. 3) und deshalb bei der Auslegung des Merkmals der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu berücksichtigen.

a) An der Dauerhaftigkeit der Beziehung zwischen dem Nutzer und der Wohnung fehlt es, wenn Räume von wechselnden Feriengästen jeweils nur im Urlaub genutzt werden, insbesondere dann, wenn dies der von Anfang an gegebenen Zweckbestimmung der Wohnung entspricht. Solche Räume werden nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern lediglich zum vorübergehenden Aufenthalt am Urlaubsort. Dies gilt im Streitfall sowohl für die Nutzung durch die Feriengäste, die die Wohnung über die VBG zum kurzfristigen Ferienaufenthalt gemietet haben, wie auch für die Nutzung durch die Kläger selbst, wenn sie sich als Eigentümer in ihrer Wohnung innerhalb der ihnen zugestandenen Zeiten aufhalten, weil auch sie die Wohnung nur kurzfristig nutzen. Ein Eigentümer, der die ihm gehörende Wohnung nur im von Anfang an beabsichtigten und angestrebten Wechsel mit jeweils unterschiedlichen Mietern nutzt, stellt zu dieser Wohnung genauso wenig wie die ständig wechselnden, sich nur kurze Zeit zu Urlaubszwecken in der Wohnung aufhaltenden Mieter eine dauerhafte Beziehung her (im Ergebnis ebenso B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10 e EStG Anm. 98 und 99, und Frost in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34 f Rz. 30). Er lebt in dieser Wohnung ebenso wie die Feriengäste ,,aus dem Koffer'', genauso als wäre er in einer Wohnung Feriengast, die einem anderen Eigentümer gehört.

Die Nutzung einer solchen Wohnung stellt sich aus der Sicht des Eigentümers auch nicht als Zweitwohnung im Sinne des Senatsurteils vom X R 160/88 (BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815) dar, bei der nicht verlangt ist, dass sie ständig genutzt wird. Denn charakteristisch für eine Zweitwohnung ist, dass sie für die ausschließliche Nutzung des Eigentümers gedacht ist und nicht der ständigen Vermietung an wechselnde Nutzer dient und daher bestimmungsgemäß und regelmäßig mit anderen geteilt wird.

b) Die Beziehung des Eigentümers zur Wohnung weist dann die geforderte Intensität auf, wenn er die tatsächliche Sachherrschaft an den seinen persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Räumen hat. Dazu muss der Eigentümer über das unbeschränkte Zutrittsrecht zu den Räumen sowie über das Recht verfügen, über den Zutritt anderer Personen selbständig zu bestimmen (Senatsurteil vom X R 143/94, BFH/NV 1998, 160; Frost in Frotscher, a. a. O., § 10 e Rz. 14). Auch daran fehlt es im Streitfall. Denn aufgrund ihrer Verpflichtung, die Ferienwohnung der VBG zur Vermietung an ständig wechselnde Nutzer zu überlassen, steht die Wohnung den Klägern nicht ständig zur Verfügung. Sie haben sich insoweit ihrer in § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelten Befugnis begeben, über die Sache nach eigenem Belieben zu verfügen (Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10 e EStG Rz. 51 a). Solange die Wohnung vermietet ist, haben die Kläger als Vermieter kein unbeschränktes Zutrittsrecht und kein Recht, über den Zutritt anderer Personen selbständig zu bestimmen (B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 10 e EStG Anm. 98; Obermeier, Deutsches Steuerrecht 1991, 1613, 1615). Die Auffassung der Kläger, niemand könne sie daran hindern, die vertragliche Vereinbarung mit der VBG zu missachten, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Die Möglichkeit vertragswidrigen Verhaltens kann ebenso wenig wie z. B. die Möglichkeit baurechtswidrigen Verhaltens als Maßstab für die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen eines Steuergesetzes herangezogen werden.

2. Die Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck des § 10 e EStG. Nach der amtlichen Begründung sollte der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum, insbesondere für Familien, erleichtert werden (vgl. z. B. , BFHE 177, 65, BStBl II 1995, 586; vom I R 66/98, BFHE 190, 390, BStBl II 2000, 288; B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 10 e EStG Anm. 99). Dieser Förderungszweck gebietet nicht die Förderung von Wohnungen, die zur Vermietung an Feriengäste hergestellt oder angeschafft werden (Stuhrmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1992, 264). Deren Förderung kann nicht damit begründet werden, dass Wohneigentum ein wesentlicher Bestandteil der privaten Altersvorsorge sein kann. Andernfalls würde sich die Frage stellen, warum die Förderung des Wohneigentums durch § 10 e EStG an die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken geknüpft und auf eine begrenzte Anzahl von Objekten beschränkt ist. Bestünde der Zweck der Wohneigentumsförderung maßgeblich in der Begünstigung der Altersvorsorge, bedürfte es dieser Einschränkungen nicht, kann doch sowohl das Eigentum an einer nicht selbst genutzten Wohnung wie das Eigentum an mehreren Wohnungen der Altersvorsorge dienen.

3. Diese Auslegung des Merkmals ,,Nutzung zu Wohnzwecken'' stimmt mit der Rechtsprechung des BFH zu § 7 c EStG, zu § 82 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, zu § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (StRG 1990 ÄndG) vom , zu §§ 21, 21 a EStG sowie zu § 4 des Eigenheimzulagengesetzes (vgl. Urteile des BFH in BFHE 191, 502, BStBl II 2001, 66; in BFH/NV 2001, 429; in BFH/NV 1998, 160) überein und beruht entgegen Wacker (Eigenheimzulagengesetz, 3 Aufl., § 4 Anm. 14) nicht auf einem eingeschränkten Verständnis der ,,eigenen Wohnnutzung''. Eine unterschiedliche Auslegung des Merkmals Wohnzwecke ist weder durch die Gesetzessystematik noch durch den Sinn und Zweck der unterschiedlichen Normen geboten (a. A. wohl Becker/Urbahns, Steuerliche Betriebsprüfung, 2000, 177, 183). Vielmehr dient eine übereinstimmende Auslegung des gleichlautenden Tatbestandsmerkmals ,,Wohnzwecke'' der Rechtssicherheit und Entlastung der Rechtsanwender.

4. Der Abzugsbetrag nach § 10 e EStG kann schließlich auch deshalb nicht gewährt werden, weil die Wohnung eine Ferienwohnung darstellt und Ferienwohnungen von der Förderung ausdrücklich ausgeschlossen sind.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats besteht das entscheidende Merkmal einer nach § 10 e EStG nicht förderungsfähigen Ferienwohnung darin, dass sie rechtlich und/oder tatsächlich zum dauernden Bewohnen ungeeignet ist (Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815; Beschluss vom X B 71/00, BFH/NV 2001, 772, m. w. N.). In den bisher entschiedenen Fällen beruhte die fehlende rechtliche Eignung der Wohnung auf bau- bzw. bauplanungsrechtlichen Festlegungen wie der Belegenheit in einem Sondernutzungsgebiet nach § 10 der Baunutzungsverordnung.

b) In gleichem Maße wie solche Festlegungen ein objektives Merkmal bilden, das es ermöglicht, Ferien- und Wochenendwohnungen von anderen Wohnungen zu unterscheiden, stellen auch privatrechtliche Bindungen des Eigentümers der Wohnung ein objektives und einfach handhabbares Merkmal der Unterscheidung dar, wenn die privatrechtlichen Bindungen den Zweck der Wohnung unmissverständlich festlegen. Das ist der Fall, wenn sich aus Vertragsurkunden ergibt, dass die Wohnung zum Zwecke der Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste hergestellt, vom Steuerpflichtigen angeschafft und zu diesem Zweck auch durch Abschluss eines Mietvermittlungsvertrags mit Wirkung gegenüber einem Dritten gewidmet wurde. Auch hier ist für die Beurteilung, dass die Kläger die Förderung für eine Ferienwohnung begehren, nicht maßgebend, ob und in welchem Umfang sie von ihrem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht haben, sondern allein die rechtliche Gebundenheit der Wohnung.

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 145
BB 2002 S. 293 Nr. 6
BFH/NV 2002 S. 432 Nr. 3
BFHE S. 218 Nr. 197
DB 2002 S. 250 Nr. 5
DStRE 2002 S. 204 Nr. 4
FR 2002 S. 283 Nr. 5
INF 2002 S. 155 Nr. 5
KÖSDI 2002 S. 13234 Nr. 4
PAAAA-89139