Leitsatz
1. Im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren ist die Bewertung der Prüfungsleistung grundsätzlich von allen an der Erstbewertung beteiligten Prüfern bzw. in den Fällen des § 24 Abs. 4 oder 5
DVStB von der Prüfungskommission selbst zu überprüfen. Das gilt auch dann, wenn der Zweitprüfer bei der ursprünglichen Bewertung eine eigenständige Stellungnahme nicht abgegeben hatte.
2. Der aus der Funktion des Revisionsverfahrens und § 118 Abs. 2 FGO abgeleitete Rechtsgrundsatz, dass neues tatsächliches Vorbringen zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann, muss auch auf Vorbringen des Revisionsbeklagten angewandt werden, das diesem ungünstig ist.
3. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsverfahrens, einer nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt zu Recht als unbegründet abgewiesenen Klage aufgrund damals weder von den Beteiligten noch vom FG bemerkter Tatsachen doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Neue Tatsachen können im Revisionsverfahren grundsätzlich auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie unstreitig sind. Das gilt auch dann, wenn es dem Revisionsführer nicht möglich oder zumutbar war, die betreffenden Tatsachen in der Tatsacheninstanz geltend zu machen.
4. Der Prüfling hat im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren einen Anspruch darauf, dass der Zweitprüfer zu seinen Einwendungen im Einzelnen schriftlich Stellung nimmt, jedenfalls dann nicht, wenn dieser bei seiner Bewertung der Prüfungsarbeit keine von den Erwägungen des Erstprüfers abweichende Stellungnahme abgegeben hatte.
5. Zur dem FG obliegenden Feststellung und Würdigung des Sachverhalts gehört bei einer Prüfungsentscheidung insbesondere die Ermittlung dessen, was bei der Lösung der Prüfungsaufgaben falsch oder richtig war, welches Gewicht die Prüfer einzelnen Teilen der Aufgabe aufgrund ihres prüfungsspezifischen Bewertungsvorrechts zumessen durften, wie die schriftlichen Darlegungen des Prüflings unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu verstehen sind, welche Vorzüge oder Mängel die Leistung des Prüflings aufweist und welches Gewicht denselben für die Gesamtbewertung der Prüfungsleistung von den Prüfern beigelegt werden durfte. Das Revisionsgericht kann die diesbezügliche Beurteilung des Tatrichters nur daraufhin überprüfen, ob dieser dabei von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen über die bei der Kontrolle einer Prüfungsentscheidung anzuwendenden Maßstäbe ausgegangen ist und die betreffenden Kontrollmaßstäbe in nachvollziehbarer, mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbarer Weise auf den Einzelfall angewandt hat.
6. Die Prüfer dürfen auch in der Steuerberaterprüfung Klarheit und Systematik der Darstellung sowie Vollständigkeit und Prägnanz der Begründung richtiger Lösungen wesentliches Gewicht beimessen. Ihre diesbezügliche Beurteilung liegt im Wesentlichen nicht auf fachwissenschaftlichem Gebiet und kann vom FG nur dann beanstandet werden, wenn sie offensichtlich nicht vertretbar ist.