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StuB Nr. 12 vom Seite 449

Bilanzierung unter Abkehr von going concern

Grundlagen und Anwendungsfragen

WP/StB Dr. Stephan C. Scholz

Die Bilanzierung und Bewertung unter der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit stellt eines der Fundamentalprinzipien der handelsrechtlichen Rechnungslegung dar. Hiervon muss indes abgewichen werden, wenn der going concern-Annahme rechtliche und/oder tatsächliche Gegebenheiten entgegenstehen. Das HGB schreibt hierfür keine gesonderten Bilanzierungs- oder Bewertungsvorschriften vor. Unter dem Blickwinkel der Einstellung der Geschäftstätigkeit und der womöglich beabsichtigten Abwicklung bzw. Liquidation des Unternehmens tritt die Zwecksetzung der Ermittlung des (noch) vorhandenen Reinvermögens in den Fokus der Rechnungslegung. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Bilanzierung und Bewertung sollen im Folgenden überblicksartig dargestellt werden.

Hänsch, Handelsrechtliche Bewertungsvorschriften (HGB), infoCenter, NWB KAAAE-72291

Kernfragen
  • Welche Besonderheiten sind bei der Bilanzierung unter Abkehr von going concern zu beachten?

  • Welche Bewertungsmaßstäbe sind bei einer Abkehr-Bilanzierung zu beachten?

  • Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Konzernrechnungslegung?

I. Grundlagen

[i]Mujkanovic, Going concern in der Corona-Krise, StuB 12/2020 S. 455, NWB WAAAH-50816 Zwirner/Zimny/Vodermeier, Jahresabschluss 2020 in der Corona-Pandemie, Beilage zu StuB 21/2020 S. 1, NWB UAAAH-62336 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 13. Aufl. 2022, § 252, NWB YAAAH-90991 Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Bewertung im handelsrechtlichen Jahresabschluss grds. von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Abgesehen von den Bestimmungen zur Abwicklungs- bzw. Liquidationseröffnungsbilanz in § 270 Abs. 2 AktG bzw. § 71 Abs. 2 GmbHG ist gesetzlich nicht geregelt, welche Auswirkungen sich auf die handelsrechtliche Rechnungslegung (Jahresabschluss sowie ggf. Lagebericht) ergeben, wenn die going concern-Prämisse nicht aufrechterhalten werden kann. Ausgehend von den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung leiten sich die Grundsätze für eine Bilanzierung unter Abkehr von going concern daher aus der spezifischen Zwecksetzung der Rechnungslegung bei einer bevorstehenden Beendigung der Unternehmenstätigkeit ab. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen aus Sicht des Berufsstands sind in IDW RS HFA 17 „Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss“ zusammengefasst.

Der Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung tritt bei einer Bilanzierung unter Abkehr von going concern in den Hintergrund. Stattdessen besteht das primäre Ziel der Rechnungslegung vor dem Hintergrund der absehbaren Beendigung des Geschäftsbetriebs in der Ermittlung des zum Abschlussstichtag vorhandenen Reinvermögens. Eine Neubewertung des Aktivvermögens zu höheren Veräußerungspreisen ist damit gleichwohl i. d. R. nicht verbunden, da das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip und damit auch das Realisations- und Anschaffungskostenprinzip ihre Gültigkeit behalten. S. 450