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BBK Nr. 7 vom Seite 324

Prozessmodellierung im kaufmännischen Umfeld

Werkzeuge zur Aufdeckung von Ineffizienzen und Optimierungspotenzialen

Dr. Klaus Wolf

[i]Visualisierung von UnternehmensprozessenMithilfe der Prozessmodellierung lassen sich einerseits Effizienzvorteile für die nicht wertschöpfenden, kaufmännischen Unternehmensprozesse realisieren. Andererseits unterstützt die Methode dabei, die in den Prozessabläufen verankerten Compliance-Anforderungen stärker bei den betroffenen Mitarbeitern zu sensibilisieren. Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag zunächst auf die Grundlagen der Prozessmodellierung ein. Den Schwerpunkt bilden aber die Ausführungen zum Instrumentenkasten der Modellierung, ergänzt mit anschaulichen Praxisbeispielen und Hinweisen zur Implementierung von Modellierungsergebnissen.

I. Begriff der Prozessmodellierung

1. Definition und Anlass der Prozessmodellierung

[i]Definition „Prozessmodellierung“Unter Prozessmodellierung versteht man die vereinfachte Darstellung von Prozessen in Form einer chronologischen bzw. sachlogischen Aneinanderreihung von Tätigkeiten und deren Aktivitäten. Insbesondere die im Prozess beteiligten Parteien, Informationsströme bzw. IT-Anwendungen wie auch die zugrunde liegenden Logiken werden transparent. Vorteilhaft ist, dass sich der Detaillierungsgrad und der Umfang der Prozessmodelle fallspezifisch bestimmen lassen.

[i]Interne Anlässe einer ProzessmodellierungEine Prozessmodellierung anzugehen, kann verschiedenartige Gründe haben. Dies sind einerseits unternehmensinterne Ursachen. Dazu gehören etwa die Einführung neuer Geschäftsmodelle oder Geschäftspartner, die IT-gestützte Umsetzung bzw. Implementierung von Automatisierungen sowie die Beseitigung erkannter Ineffizienzen oder Fehler in ausgewählten Prozessen. Letztere können aus Beobachtungen der Fachbereiche selbst oder der internen Revision kommen. S. 325

Andererseits [i]Externe Anlässe einer Prozessmodellierungmotivieren externe Erkenntnisse dazu, Prozesse zu überarbeiten. Anlass geben vielfach die Hinweise des Abschlussprüfers, der steuerlichen Betriebsprüfung oder der Zollbehörden. In derartigen Fällen ist allerdings regelmäßig Dringlichkeit und Gründlichkeit in der Remedierung geboten. Daher unterstützen häufig externe Unternehmensberatungen durch zusätzliche Kapazitäten, aber auch um anerkannte Methoden, Prozesse und IT-Systeme einzuführen und die Geschäftsleitung damit zu unterstützen.

2. Ziele der Prozessmodellierung

Die Ziele der Prozessmodellierung sind die Erhöhung von Transparenz in den Arbeitsabläufen, die Analyse von Optimierungspotenzialen sowie die Sicherstellung von Compliance-Anforderungen.

[i]Erzielung von TransparenzProzessmodelle verschaffen Transparenz. Die Visualisierungen verdeutlichen, welche Personen bzw. Funktionen welche Aktivitäten im Prozess wahrnehmen und wie die jeweiligen Schnittstellen ausgestaltet sind. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) werden innerhalb der Prozesskette näher definiert. Die Dokumentation ist zudem die Basis einer Wissensteilung, z. B. für die Vertretung im Falle von Krankheit oder bei Ausfall sowie für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter.

Die [i]Identifikation von OptimierungspotenzialenErstellung von Prozessmodellen führt i. d. R. dazu, den Status quo und das Zielbild eines Prozesses zu bestimmen. Im Rahmen der Erarbeitung lassen sich (In-)Effizienzen und Optimierungsmöglichkeiten erkennen und Best Practices, d. h. allgemein anerkannte Methoden und Prozesse, aufgreifen.

Hinweis:

Die Senkung der Durchlaufzeiten und der Kosten eines Prozesses bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität sind wesentliche Zielsetzungen der Anstrengungen. Die Modellierung ist weiterhin die Grundlage für eine Automatisierung des Prozesses und für die informationstechnische Umsetzung innerhalb der EDV-Anwendungen des Unternehmens.

Viele [i]Sicherstellung von Compliance-Anforderungen Unternehmen greifen für die Prozessmodellierung auf anerkannte Methoden zurück und nutzen die Dokumentation für ihre Zertifizierungen. Als repräsentatives Beispiel ist das Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9001 zu nennen. Die innerhalb der Prozessmodelle abgebildeten Logiken beinhalten u. a. auch gesetzliche, gesetzesähnliche sowie die vom Unternehmen selbst auferlegten Compliance-Anforderungen.

Beispiel

Der Reisekostenabrechnungsprozess umfasst die Festlegung der Anspruchsberechtigten oder der erstattungsfähigen Reisekosten und gibt damit ein klares Regelwerk für die Rückerstattung durch die Buchhaltung vor.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Prozessdokumentation der internen Revision und dem Abschlussprüfer als Prüfungsgrundlage dienen. Für die Geschäftsleitung stellt sie letztlich den Nachweis ihrer Organisationspflicht bzw. ihrer allgemeinen Leitungsaufgabe dar. S. 326

3. Prozessbegriff

[i]Beschreibung der ProzessmerkmaleProzesse sind allgegenwärtig in jedem Unternehmen anzutreffen. Trotzdem existiert keine einheitliche Definition. Aus den verschiedenen Begriffsbestimmungen lassen sich hauptsächlich fünf Wesensmerkmale ableiten:


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Merkmal
Beschreibung
Beispiel
Bezugsobjekt
Prozesse haben zunächst ein konkretes Bezugsobjekt.
Rechnung im Rechnungserfassungsprozess, Anlagenobjekt im Anlagenerfassungsprozess oder die Liquidität im Finanzplanungsprozess.
In- und Output
Eingehende Leistung durch Lieferanten (Input) bzw. auslösendes Ereignis sowie Weitergabe einer ausgehenden Leistung an einen Kunden (Output).
Fakturaprozess: Auf Basis eingehender Informationen zu den ausgelieferten Produkten und Dienstleistungen durch den Vertrieb kann die Debitorenbuchhaltung eine Rechnung an den entsprechenden Kunden erstellen.
Aktivitäten/Tätigkeiten
Zeitliche und logische Aneinanderreihung von Tätigkeiten und Aktivitäten.
Es sollten stets das Bezugsobjekt und die konkrete Aufgabe beschrieben werden, z. B. „Den vollständigen Namen und die Anschrift des Rechnungsausstellers auf der Eingangsrechnung prüfen“.
Regelwerk
Rahmenwerk mit einer vordefinierten Logik und klaren (Ablauf-/Prüf-)Regeln.
Gesetzliche Vorgaben, wie die Pflichtangaben einer Rechnung gem. §§ 14 und 14a UStG, oder interne Compliance-Anforderungen, etwa die Genehmigungswertgrenzen von Eingangsrechnungen/Gutschriften entsprechend der hierarchischen Stellung der Führungskraft.
Ziel
Prozesse stellen letztlich die Erreichung von einzelnen Unternehmenszielen oder hieraus abgeleiteten Organisationszielen sicher.
Fakturaprozess: Sicherstellung einer zeitnahen Abrechnung erbrachter Lieferungen und Leistungen an den Endkunden, u. a. unter Beachtung umsatzsteuerlicher Anforderungen.

Abb. 1 fasst [i]Prozessstrukturvorgenannte Ausführungen schematisch zusammen.

S. 327

4. Prozessarten

[i]Wesentliche ProzessartenDie Literatur schlägt zudem vor, Prozesse in Abhängigkeit zur Nähe zum Kerngeschäft des Unternehmens zu differenzieren. Hiernach existieren drei Prozessarten:

  • Steuerungsprozesse sollen das Zusammenspiel aller im Unternehmen etablierten Prozesse sicherstellen. Typische Beispiele sind der Strategieentwicklungs- und Planungsprozess.

  • Kernprozesse betreffen den Geschäftszweck des Unternehmens. Sie bilden die wettbewerbskritischen Geschäftsprozesse ab und haben i. d. R. den höchsten Wertschöpfungsanteil. Die Produktentwicklung, Produktion und der Vertrieb lassen sich hierfür exemplarisch nennen.

  • Unterstützungsprozesse dienen der Absicherung der betrieblichen Wertschöpfungskette. Gängige Beispiele sind die Prozesse des Personalwesens, der IT oder der Finanzen.

[i]Kaufmännische Prozesse als UnterstützungsprozesseDie kaufmännischen Prozesse wie etwa Buchhaltung, Controlling bzw. Rechnungswesen, Steuern und Zölle oder Treasury zählen hiernach zu den Unterstützungsprozessen. Letztere sind zwar unerlässlich für ein reibungsloses, betriebliches Geschehen, liefern aber oft keinen direkten Beitrag für die Endkunden. Vielmehr steht der Nutzen für das Unternehmen (im Sinne eines internen Kunden) im Mittelpunkt. Damit ist ein hoher Grad an Standardisierung und Automatisierung anzustreben, um außerdem eine möglichst kosten- und zeiteffiziente Ausführung zu gewährleisten.

[i]Probleme der AufbauorganisationIn der Unternehmenspraxis weit verbreitet ist die funktionale Aufbauorganisation. Die innerbetriebliche Gliederung folgt hierbei den einzelnen Aufgabenbereichen, wie z. B. Einkauf, Produktion, Logistik, Finanzen oder Personal. Durch eine solche verrichtungsorientierte Aufstellung sind viele Prozesse bereichs- bzw. funktionsübergreifend. Die Folgen sind Schnittstellen, die mitunter mit Reibungsverlusten einhergehen. Hinzukommen, insbesondere in größeren Unternehmen, noch Bereichsegoismen sowie „Silodenken“, die eine holistische Betrachtung und Optimierung von Prozessketten erschweren.

Abhilfe kann eine prozessorientierte Sichtweise des Managements bringen. Letztere drückt sich beispielsweise durch eine Unternehmenssteuerung mittels Prozesszielen und Kennzahlen sowie ihrer Verankerung in den Anreiz- und Entlohnungssystemen aus.

Beispiel

Die Zusammenarbeit zwischen beschaffenden Funktionen im Unternehmen und dem Rechnungswesen zeigt sich etwa in der Bearbeitungszeit für Eingangsrechnungen. Darunter lässt sich der zeitliche Bedarf verstehen zwischen dem Eingang der Rechnung (z. B. postalisch oder elektronisch) bis zur Verbuchung des Belegs im ERP-System. Je gründlicher bei der Anlage der Bestellung bereits notwendige Unterlagen für die Preisprüfung hinterlegt sind (z. B. eingeholte Preisanfragen oder Angebote), desto schneller kann die Buchhaltung ihre Arbeit verrichten und auf unnötige Nachfragen bei den Fachbereichen und Wiedervorlagen verzichten.

II. Instrumente der Prozessmodellierung

1. Ausgestaltung der Modelle

[i]Modelle als Vereinfachung der WirklichkeitIm Mittelpunkt der Prozessmodellierung stehen Modelle, die die Wirklichkeit der Unternehmensorganisation in vereinfachter Form visualisieren. Aus Effizienzgründen findet oftmals einerseits eine Eingrenzung auf einzelne Teilschritte bzw. auf S. 328repräsentative Prozessvarianten statt; Sonderfälle bzw. -konstellationen bleiben dabei i. d. R. ungeachtet. Erst mit einer informationstechnischen Realisierung erfolgen die aufwändigere, vollumfängliche Detaillierung und Spezifikation. Andererseits bilden die Prozessmodelle unterschiedliche Detaillierungsebenen ab. Häufig wird dabei zwischen Haupt- und Detailprozessen differenziert; die Anzahl der Kategorien lässt sich nach Bedarf bestimmen (z. B. Hauptprozessebene bis Detailebene 2 für eine Differenzierung nach drei Prozessebenen).

[i]Beschreibungssymbole zur DokumentationFaktisch dienen die Instrumente der Prozessmodellierung sowohl als Moderationswerkzeug bzw. Leitfaden für die Ableitung und Analyse der Prozesse als auch als Format für die spätere Dokumentation und Präsentation. Für die Notation haben sich einheitliche Beschreibungssymbole durchgesetzt (gem. DIN 66001). Eine Auswahl an gängigen Beispielen lässt sich Abb. 2 entnehmen. Diese lassen sich auf die nachfolgend dargestellten Instrumente anwenden.