OFD München - S 3806- 38 St 353

§ 10 ErbStG Verpflichtung zur Pflege im Bedarfsfall

aus FMS vom , Az.: 34 - S 3806 - 45/4 - 54702

In notariellen Übergabeverträgen und Schenkungsverträgen werden - vor allem bei Grundstücksübertragungen - vielfach Pflegeverpflichtungen im Bedarfsfall vereinbart. Hierbei sind die folgende oder ähnliche Formulierungen gebräuchlich:

”Der Erwerber verpflichtet sich hiermit, den Berechtigten bis an sein Lebensende unentgeltlich im Bedürfnisfall zu pflegen und ihm hierbei alle Leistungen zu erbringen, die einer geordneten und standesgemäßen Pflege entsprechen. Diese Leistungen sollen jedoch nur erbracht werden, soweit sie in dem übertragenen Hausanwesen erfüllt werden können. Sofern die Pflege außer Haus erforderlich sein sollte, ruht die Leistungspflicht des Erwerbers. Es ist insoweit keine Ersatzleistung geschuldet. Kosten hat der Erwerber nur insoweit zu tragen, als solche entstehen, wenn er sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung dritter Personen bedient.

Zur Sicherung der vorstehenden Verpflichtung bestellt der Erwerber dem Berechtigten an dem Vertragsanwesen eine Reallast.”

Die Pflegeleistung stellt schenkungsteuerlich eine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar.

Da der Grundstückserwerber erst im Bedarfsfall zur Pflege des Berechtigten verpflichtet ist, liegt insoweit eine aufschiebend bedingte Last vor, die nach § 6 Abs. 1 BewG vor Eintritt der Bedingung nicht zu berücksichtigen ist. Die Pflegeverpflichtung bleibt deshalb zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung außer Ansatz (zur schenkungsteuerlichen Behandlung aufschiebend bedingter Leistungen BStBl 1989 II S. 814).

Die Pflegeleistung kann erst dann berücksichtigt werden, wenn der Pflegefall tatsächlich eingetreten ist und der Erwerber die Leistungen erbringt. Bei der Schenkungsteuer liegt ab diesem Zeitpunkt eine gemischte Schenkung vor. Die Pflegeverpflichtung wird hierbei mit ihrem Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für die Zuwendung (§ 11 ErbStG) angesetzt. Der Schenkungsteuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO entsprechend zu ändern ( a.a.O.). Vom Eintritt des Pflegefalles kann grundsätzlich erst dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte pflegebedürftig i.S.v. § 15 SGB XI ist. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I müssen erfüllt sein. Liegen diese nicht vor, hat der Erwerber im Einzelfall in geeigneter Weise zu belegen, dass bereits Pflegeleistungen erforderlich sind und er seiner Verpflichtung nachkommt.

Die Pflegeleistungen sind mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalles zu bewerten. Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) unter Anwendung der Tabelle 1 zu § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen.

Liegt Pflegebedürftigkeit i.S.v. § 15 SGB XI vor, kann der Jahreswert der Leistung (§ 15 BewG), soweit sich aus der vertraglichen Vereinbarung nichts anderes ergibt, mit dem Zwölffachen der in der gesetzlichen Pflegeversicherung vorgesehenen monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) angesetzt werden.

Diese betragen bei


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-
Pflegestufe I:
   384 € (bis     750 DM)
-
Pflegestufe II:
   921 € (bis 1.800 DM)
-
Pflegestufe III:
1.432 € (bis 2.800 DM).

In besonders gelagerten Einzelfällen i.S.v. § 36 Abs. 4 SGB XI ist in Pflegestufe III ein Betrag von 1.918 € (bis zum 3.750 DM) anzusetzen.

Diese Beträge sind zu kürzen, soweit

  • Sachleistungen durch professionelle Pflegekräfte in Anspruch genommen werden und der Pflegende die Kosten hierfür nicht zu tragen hat oder

  • die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt. Die Weitergabe selbst ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG von der Schenkungsteuer befreit.

Wird die Pflegestufe nicht erreicht, ist der Wert der monatlichen Pflegeleistungen zu schätzen, wobei jedoch der Wert der Pflegesachleistungen nicht überschritten werden darf.

Beispiel:

Der am geborene A überträgt am ein Grundstück an B, der sich verpflichtet, A im Bedarfsfalle zu pflegen. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksübertragung bleibt die Pflegeverpflichtung außer Ansatz. Der Pflegefall tritt am ein. A erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe I.

Der Kapitalwert der Pflegeverpflichtung ist zum Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalles zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt nach § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9 zum BewG.


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Jahreswert:
384 €*
12 Monate =
4.608 €
Kapitalwert:
4.608 €*
Vervielfältiger (78 Jahre) 5,198
23.952 €

Der errechnete Kapitalwert von 23.952 € (46.846 DM) ist auf den Zeitpunkt der Schenkung () abzuzinsen.


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Kapitalwert*
Vervielfältiger It. Tabelle 1 zu § 12 Abs. 3 BewG
(Laufzeit 5 Jahre und 265 Tage, 0,736)
46.846 DM*
0,736 = 34.479 DM

Im Rahmen der Wertermittlung für die gemischte Schenkung wird die Gegenleistung des Erwerbers mit 34.479 DM berücksichtigt.

Die Grundsätze für die Ermittlung des Kapitalwertes der Pflegeleistung gelten entsprechend für den Ansatz und die Bewertung von Nachlassverbindlichkeiten aus Pflegeleistungen nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und die Inanspruchnahme des Freibetrages nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG.

Die Schenkungsteuer wird im Rahmen der Erstbearbeitung endgültig festgesetzt. Der Steuerpflichtige ist im Steuerbescheid auf den Antrag zur Änderung der Festsetzung bei Eintritt des Pflegefalles hinzuweisen.

Die im Rahmen einer Grundstücksübertragung als Gegenleistung zu erbringende Pflegeleistung unterliegt der Grunderwerbsteuer. Stellt der Steuerpflichtige einen Antrag auf Änderung des Schenkungsteuerbescheides, hat die Schenkungsteuerstelle den Eintritt des Pflegefalles und den von ihr angesetzten Jahreswert der Leistung der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle mitzuteilen. Von einer Anzeige kann aufgrund der Steuerbefreiung bei der Grunderwerbsteuer abgesehen werden, wenn

  • der Kapitalwert der Pflegeleistung 2.500 € nicht übersteigt (§ 3 Nr. 1 GrEStG)

  • eine Grundstücksübertragung zwischen Ehegatten vorliegt (§ 3 Nr. 4 GrEStG) oder

  • es sich bei dem Erwerber um eine mit dem Schenker in gerader Linie verwandte Person, ein Stiefkind des Schenkers oder den Ehegatten eines Verwandten in gerader Linie oder des Stiefkindes des Schenkers handelt (§ 3 Nr. 6 GrEStG).

Inhaltlich gleichlautend
OFD München v. - S 3806- 38 St 353
OFD Nürnberg v. - S 3806 - 286/St 33 A

Fundstelle(n):
HAAAA-82280