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NWB Nr. 52 vom Seite 3878

Umsatzsteuerlicher Erstattungsanspruch bei Insolvenzanfechtung im Organschaftsverhältnis

Zur Wirkungsweise organschaftlicher Haftungsschuld auf VAT-Erstattungsansprüche im Organkreis

Udo Müller und Thomas Rennar

[i]Rondorf, Umsatzsteuer in der Unternehmerinsolvenz, Grundlagen, NWB ZAAAE-26482 Die Schnittstelle zwischen Insolvenz- und Umsatzsteuerrecht ist als fachliche Spezialität noch weitestgehend unerforscht und wirft daher regelmäßig praktische Fragestellungen auf. Gerade für Insolvenzverwalter stellt sich hierbei in der Praxis die Ausgangsfrage, ob dem Organträger oder der Organgesellschaft etwaige steuerliche Erstattungsansprüche in Organschaftsverhältnissen im Insolvenzfall zuzurechnen sind. Weitere Rechtsfragen ergeben sich, wenn ein zuständiges Zivilgericht bereits mangels steuerlicher Rechtskenntnis auf rechtswidriger Grundlage entsprechende Insolvenzanfechtungsansprüche zulasten einer verwaltenden Insolvenzmasse in der Organschaft festgestellt hat. Ob sich hieraus eine Art materiell-rechtlicher „Ping-Pong-Effekt“ zur weiteren Insolvenzanfechtung oder zumindest zur Begründung einer Insolvenz- bzw. Masseforderung im vollumfänglichen Insolvenzfall des Organkreises ableiten lässt, ist nachfolgend zu untersuchen.

I. Rechtliche Ausgangslage

1. Hintergrund

[i]Pagel/Tetzlaff, Organschaft, Grundlagen NWB EAAAE-28096 Praktisch betroffen sind von dieser Rechtsthematik gerade umsatzsteuerliche Organschaften, in denen sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch über das Vermögen etwaiger Organgesellschaften ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und eine Insolvenzanfechtung zur Verfügung über umsatzsteuerliche Erstattungsansprüche durch den Organträger zulasten etwaiger Organgesellschaften im Organkreis gerichtlich durchgesetzt wurde.

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen grundlegenden Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder S. 3879zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner (§ 37 Abs. 2 AO). Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Organgesellschaft haftet hierbei für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Haftet eine Organgesellschaft, die selbst Organträger ist, haften ihre Organgesellschaften neben ihr ebenfalls. Den Steuern stehen die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gleich (§ 73 AO). Die Organschaft ist insoweit ein eigenständiges steuerliches Rechtsinstitut. Sie ist eine wirtschaftliche Einheit zivilrechtlich selbständiger Unternehmen. Wirkungen und Voraussetzungen der Organschaft sind in den Einzelsteuergesetzen geregelt (Tipke/Kruse, AO, § 73 Rz. 1, m. w. N.).