BGH Beschluss v. - VII ZB 34/20

Gerichtliches Mahnverfahren: Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel in einem teilweise automatisierten Verfahren

Leitsatz

Zum Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel.

Gesetze: § 703b Abs 1 ZPO

Instanzenzug: LG Regensburg Az: 64 T 216/20vorgehend AG Regensburg Az: 1 M 6566/19

Gründe

I.

1Der Gläubiger begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin des Titelschuldners. Mit Schreiben vom hat der Gläubiger beim Amtsgericht Regensburg - Vollstreckungsgericht - (im Folgenden: Amtsgericht - Vollstreckungsgericht -) den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg - Zentrales Mahngericht - vom in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom beantragt.

2Diese Rechtsnachfolgeklausel, beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, ist bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden; nachträglich ist auf dieser Rechtsnachfolgeklausel außerdem händisch ein weiteres Siegel angebracht worden.

3Mit vom datierender Verfügung ist der Gläubiger vom Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf verschiedene Hindernisse, die dem Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen, hingewiesen worden. Insbesondere heißt es in dieser Verfügung wie folgt:

"2. Die erteilte Vollstreckungsklausel entspricht nicht der Maßgabe des § 725 ZPO. Nach dem , genügt ein drucktechnisch erzeugter Ausdruck des Gerichtssiegels nicht den strengen Anforderungen des § 725 ZPO. Demnach ist die Vollstreckungsklausel zu unterschreiben und mit einem Prägesiegel oder Farbdruckstempel zu versehen. Im vorliegenden Fall wurde das Siegel lediglich drucktechnisch angebracht.

Nachdem die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Unterschrift und Siegelung) einen einheitlichen Vorgang darstellt, und der Ersteller der Vollstreckungsklausel auch das Siegel anbringen muss, wird die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel notwendig. Eine bloß nachträgliche Anbringung des Siegels reicht nicht aus.

Es wird daher angeregt, vom Prozessgericht eine neue Vollstreckungsklausel erteilen zu lassen, welche den Anforderungen des § 725 ZPO genügt. ..."

4Nach Korrektur verschiedener Punkte hat der Gläubiger am erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt.

5Hierzu ist der Gläubiger vom Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit vom datierender Verfügung insbesondere auf Folgendes hingewiesen worden:

"3. Die vorgelegt[e] Vollstreckungsklausel ist ungenügend: Das händische Dienstsiegel wurde nachträglich angebracht. Diese Nachsiegelung wird vom Vollstreckungsgericht Regensburg nicht akzeptiert. Die Vollstreckungsklausel muss mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Dies stellt einen einheitlichen Vorgang dar. Es kann nicht 3 Jahre später erst ein wirksames Siegel angebracht werden. Das Mahngericht hat eine neue Klausel zu erteilen, welche erneut zugestellt werden muss."

6Der Gläubiger hat sodann das Amtsgericht Coburg um Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel ersucht. Mit Schreiben vom ist der Gläubiger vom Amtsgericht Coburg darauf hingewiesen worden, dass dem Antrag auf Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Die erteilte qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es erscheine bereits fraglich, ob § 703b Abs. 1 ZPO auf die am erteilte Rechtsnachfolgeklausel - gegebenenfalls analog - Anwendung finde, so dass es der Anbringung eines Prägesiegels möglicherweise schon deshalb nicht bedürfe. Spätestens mit der Anbringung des Prägesiegels dürften nun allerdings die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.

7Am hat der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom in Verbindung mit der am erteilten Rechtsnachfolgeklausel beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt.

8Mit Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - vom ist der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in vollem Umfang zurückgewiesen worden.

9Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom zurückgewiesen.

10Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger weiterhin den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

II.

11Die Rechtsmittel des Gläubigers führen zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht.

121. Das Beschwerdegericht hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - ausgeführt, der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei zu Recht durch Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - vom zurückgewiesen worden. Ausgehend von der Rechtsprechung des ) sei das maschinell erstellte Siegel auf die Rechtsnachfolgeklausel des Amtsgerichts Coburg vom nicht anwendbar. Eine direkte Anwendung des § 703b ZPO auf die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel vom scheide im vorliegenden Fall aus. Diese Rechtsnachfolgeklausel sei nicht maschinell erteilt worden. Aufgrund der eindeutigen Formulierung und der Unterschrift handele es sich um eine Klausel gemäß § 725 ZPO, welche gerade nicht maschinell erstellt worden sei. Auch eine analoge Anwendung des § 703b ZPO scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Bei Erteilung der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel habe der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts Coburg explizit nicht die maschinelle Bearbeitung gewählt. Die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei unterschrieben und ursprünglich mit einem maschinell erzeugten Siegel versehen worden.

13Das Beschwerdegericht gehe nicht von einer grundsätzlichen Unheilbarkeit der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel vom aus. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - habe zu Recht den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund der vorliegenden qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel des Amtsgerichts Coburg vom , welche ursprünglich mit einem maschinellen Siegel versehen gewesen sei und worauf ein Prägesiegel links davon angebracht worden sei, abgelehnt.

14Dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - sei beizupflichten, dass in keiner Weise ersichtlich sei, wann das Prägesiegel auf der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel angebracht worden sei und vor allem von wem. Im vorliegenden Fall sei aufgrund des Verfahrensgangs für das Beschwerdegericht aufgrund der Aktenlage und der eingereichten Vollstreckungsunterlagen in Kombination mit der Aktenlage ersichtlich, dass das Prägesiegel offensichtlich im Jahr 2020, das heißt drei Jahre nach Erteilung der ursprünglichen qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel, angebracht worden sei. Jedoch sei nicht ersichtlich, von wem und wann es genau angebracht worden sei. Eine derartige qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel könne nicht als Grundlage zur Zwangsvollstreckung dienen.

152. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

16Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Erlass des vom Gläubiger beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht abgelehnt werden.

17a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht geprüft, ob eine Rechtsnachfolgeklausel vorliegt. Es unterliegt der Nachprüfung seitens des Vollstreckungsorgans, ob eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde (vgl. Rn. 15, NJW-RR 2017, 510).

18b) Der rechtlichen Nachprüfung hält die Begründung des Beschwerdegerichts indes nicht stand, mit der es die Rechtsnachfolgeklausel für nicht wirksam erteilt erachtet hat.

19Nach § 703b Abs. 1 ZPO werden im Mahnverfahren bei maschineller Bearbeitung Beschlüsse, Verfügungen, Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen; einer Unterschrift bedarf es nicht. Diese Vorschrift enthält Sonderregelungen für die maschinelle Bearbeitung. Maschinelle Bearbeitung bedeutet grundsätzlich die Bearbeitung durch automatische Datenverarbeitungsanlagen (vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 96, 104). Ausreichend kann sein, wenn eine teilweise maschinelle Bearbeitung stattfindet (vgl. Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 703b Rn. 1; vgl. ferner Prütting/Gehrlein/Sommer, ZPO, 13. Aufl., § 703b Rn. 2). Durch Gesetz vom (BGBl. I 2012 S. 2418), das insoweit am in Kraft getreten ist (Art. 21 Satz 2 des Gesetzes vom ), sind in § 703b Abs. 1 ZPO die Vollstreckungsklauseln aufgenommen worden, um derartige Klauseln, soweit Vollstreckungsbescheide ihrer bedürfen (vgl. § 796 Abs. 1 ZPO), im maschinellen Verfahren zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 17/10490, S. 31 in Verbindung mit BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4; Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 703b Rn. 2). Danach wird im Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei Rechtsnachfolgeklauseln auf eine Unterschrift verzichtet (vgl. Musielak/Voit/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 703b Rn. 2).

20Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügt die Rechtsnachfolgeklausel vom den Anforderungen des § 703b Abs. 1 ZPO. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil die Klausel nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 703b Abs. 1 ZPO genügenden Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt. Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst nicht maschinell erfolgt (vgl. BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4), steht der Anwendung von § 703b Abs. 1 ZPO nicht entgegen (vgl. BT-Drucks. 17/10490, S. 31 in Verbindung mit BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4). Entsprechendes gilt für die Unterschrift, mit der der Rechtspfleger im Streitfall die Rechtsnachfolgeklausel versehen hat; es handelt sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 ZPO unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gilt Entsprechendes.

213. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da diese nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist.

22Der Senat macht entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, zugleich auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, das über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden haben wird.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210721BVIIZB34.20.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 10 Nr. 42
NJW-RR 2021 S. 1504 Nr. 22
WM 2022 S. 546 Nr. 11
HAAAH-90709