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Verträge besonderer Art in der Umsatzsteuer
Beleuchtung aktueller Problemfelder
[i]Lippross/Janzen, Kommentar UStAE, Abschn. 4.12.6, NWB JAAAH-71494 Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG wird die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. In der Regel wird die Grundstücksüberlassung in einem Miet- oder Pachtvertrag vereinbart. In der Praxis sind darüber hinaus aber auch gemischte Verträge oder Verträge besonderer Art möglich. Bei einem Vertrag besonderer Art kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG weder für die gesamte Leistung noch für einen Teil der Leistung in Betracht. Die damit einhergehenden Folgewirkungen für eine Option i. S. des § 9 UStG und den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG sind zu beachten. Der vorliegende Leitfaden beleuchtet aktuelle Problemfelder im Zusammenhang mit diesem Vertragstypus.
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S. 2990
I. Vertragstypen im Zusammenhang mit Grundstücksüberlassungen
1. Allgemeines
[i]Grundfall MietvertragNach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG wird die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. Die Frage, ob eine solche Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks vorliegt, richtet sich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach Unionsrecht. Danach setzt die Vermietung eines Grundstücks voraus, dass dem Mieter vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, das Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen ( „CO.GE.P.“, NWB WAAAC-92138, Rz. 31, m. w. N.). Die Steuerbefreiung gilt auch für die Vermietung von Grundstücksteilen oder einzelnen Räumen von Gebäudeteilen.
Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung als „Vermietung“ in diesem Sinne zu behandeln ist, sind alle Umstände des Einzelfalls, vor allem der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zu berücksichtigen. Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben (Abschnitt 4.12.1 Abs. 1 Satz 1 bis 5 UStAE).
Eine Vermietung eines Grundstücks bzw. von Grundstücksteilen ist in der Regel dann gegeben, wenn die Grundstücksüberlassung in einem Mietvertrag (§ 535 BGB) vereinbart wird.
2. Überblick Vertragstypen
[i]Auch andere Vertragstypen sind möglichNeben reinen Grundstücksmietverträgen sind in der Praxis auch gemischte Verträge oder Verträge besonderer Art möglich. Sie enthalten neben der reinen Grundstücksüberlassung auch noch weitere Leistungselemente. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwieweit auch für diese Leistungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG greifen kann.
a) Reine Miet- und Pachtverträge
[i]In der Regel umsatzsteuerbefreitDie Grundstücksüberlassung ist in der Regel von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG befreit. Dies gilt auch für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücksteilen (Abschnitt 4.12.1 Abs. 3 UStAE). Die üblichen Nebenleistungen wie z. B. Versorgung mit Strom, Wasser und Wärme oder Bereitstellung von Mobiliar teilen dieses „Schicksal“ (Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 und Abschnitt 3.10 Abs. 5 UStAE).
Nicht unter die Befreiungsvorschrift fallen:
[i]Büro-/Wohncontainer, Baubude, Kiosk, TribüneDie Vermietung von Baulichkeiten, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden und daher keine Bestandteile des Grundstücks i. S. des § 94 BGB sind, wie bspw. Büro- und Wohncontainer, Baubuden, Kioske, Tribünen (Abschnitt 4.12.1 Abs. 4 UStAE).
[i]Kurzfristige Beherbergung von FremdenDie Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Alternative 1 UStG i. V. mit Abschnitt 4.12.9 UStAE).
[i]FahrzeugabstellplätzeDie Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Alternative 2 UStG i. V. mit Abschnitt 4.12.2 UStAE).
[i]CampingplätzeDie kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Alternative 3 UStG i. V. mit Abschnitt 4.12.3 UStAE).
[i]BetriebsvorrichtungenDie Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Alternative 4 UStG i. V. mit Abschnitt 4.12.10 UStAE). S. 2991
b) Gemischte Verträge (Abschnitt 4.12.5 UStAE)
Ein gemischter Vertrag liegt vor, wenn die Leistungsvereinbarung sowohl Elemente einer Grundstücksüberlassung als auch anderer Leistungen umfasst.
Die erbrachten Leistungen können
[i]Entweder insgesamt steuerfrei, ...insgesamt nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei sein, wenn
bei mehreren selbständig zu beurteilenden Leistungen die anderen Leistungen nur Nebenleistungen zur Vermietung sind oder
wenn bei einer einheitlich zu beurteilenden Leistung das Vermietungselement von prägender Bedeutung ist.
Dies kann z. B. die Vermietung von Standflächen bei Kirmesveranstaltungen oder auf Wochenmärkten betreffen, wenn die Überlassung der Standplätze als wesentliches Leistungselement prägend ist und darüber hinaus erbrachte Leistungen als Nebenleistungen anzusehen sind. Eine Aufteilung des Entgelts in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Teil kommt in diesen Fällen nicht in Betracht.
[i]... oder insgesamt steuerpflichtiginsgesamt steuerpflichtig sein, wenn bei einer einheitlich zu beurteilenden Leistung das Vermietungselement gegenüber den anderen Leistungselementen von untergeordneter Bedeutung ist. Dann spricht man von „Verträgen besonderer Art“.
c) Verträge besonderer Art (Abschnitt 4.12.6 UStAE)
[i]Gebrauchsüberlassung des Grundstücks tritt in den HintergrundEin Vertrag besonderer Art liegt vor, wenn die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktritt und das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstellt. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG kommt weder für die gesamte Leistung, noch für einen Teil der Leistung in Betracht.
Die Rechtsprechung hat bspw. in den folgenden Fällen einen Vertrag besonderer Art angenommen:
[i]ReklameflächenEin Hausbesitzer überlässt die Außenwandflächen oder Dachflächen des Gebäudes zu Reklamezwecken (, BStBl 1957 III S. 457).
Begründung: Auch wenn man unterstellt, dass in derartigen Fällen Vermietungen oder Verpachtungen im Sinne des BGB vorliegen, „entfällt die Anwendbarkeit des § 4 Ziff. 10 UStG (nunmehr § 4 Nr. 12 UStG), weil diese Gesetzesvorschrift nicht auf Entgelte für die Überlassung von Wand- oder Dachflächen zu Reklamezwecken gemünzt ist, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Außenwand- oder Dachflächen an Mieter von Räumen des Gebäudes oder an sonstige Personen gegen Entgelt überlassen werden“.
[i]Alten-/PflegeheimDie Betreiber eines Alten- oder Pflegeheims erbringen gegenüber pflegebedürftigen Heiminsassen eine umfassende medizinische und pflegerische Betreuung und Versorgung. Für die Leistungen der Alten- oder Pflegeheimbetreiber kann jedoch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. c, d oder l UStG in Betracht kommen (, BStBl 1994 II S. 266).
Begründung: Die Raumgewährung tritt bei Altenpflegeheimen hinter die vom Heimbetreiber zu erbringenden Pflege- und Betreuungsleistungen zurück und ist demzufolge von nur untergeordneter Bedeutung. Sie ist lediglich Teil und Voraussetzung der Pflege und von dieser nicht zu trennen.
[i]Fitness-StudioZahlt der Kunde eines Fitness-Studios für Sport- und Fitnesstraining sowie Saunanutzung unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme, unterliegt dieser steuerpflichtige Umsatz – eine Leistung im Rahmen eines Vertrags besonderer Art – dem Regelsteuersatz, da die Gesamtleistung nach dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung nicht aufgeteilt werden kann (vgl. z. B. , NWB SAAAA-67083). S. 2992
Begründung: Der Betreiber eines Fitness-Centers erbringt eine einheitliche Leistung eigener Art, indem er seinen Kunden vordergründig das Recht verschafft, die Einrichtungen und die damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten insgesamt in Anspruch zu nehmen (z. B. auch Saunanutzung).
[i]Sportplatz/SchwimmbadEin Unternehmer gestattet die Benutzung eines Sportplatzes oder eines Schwimmbads (Sportanlage) gegen Eintrittsgeld (, BStBl 2001 II S. 658; vgl. dazu auch Abschnitt 4.12.11 UStAE).
Begründung: Dem Benutzer einer Sportanlage (als ,,Durchschnittsverbraucher“) kommt es in erster Linie darauf an, die beabsichtigte sportliche Betätigung mit Hilfe der dafür erforderlichen Vorrichtungen ausüben zu können. Der von ihm in Anspruch genommene Leistungsgegenstand ist ein anderer, als er vom Zweck der Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst wird, auch wenn regelmäßig das Grundstück/Gebäude wesentliche Voraussetzung für die darauf errichtete Sportanlage ist.
[i]ZigarettenautomatDie Gestattung der Aufstellung eines Zigarettenautomaten in einer Gaststätte ( „Sinclair Collins“, NWB PAAAB-79416).
Begründung: Es handelt sich um einen Vertrag besonderer Art, der zum Hauptinhalt die Erlaubnis hat, gewerblich tätig zu werden. Es liegt keine Vermietung eines Grundstücks vor, wenn der Eigentümer von Räumlichkeiten (der Lokalinhaber) dem Eigentümer eines Zigarettenautomaten das Recht einräumt, den Automaten für einen Zeitraum von zwei Jahren an einer von dem Lokalinhaber bezeichneten Stelle in den Räumlichkeiten gegen einen prozentualen Anteil an den Bruttoerträgen aus dem Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakwaren aufzustellen, zu betreiben und zu warten, er jedoch keine anderen Besitz- und Kontrollrechte als in der schriftlichen Vereinbarung zwischen den Parteien angegeben, innehat.
[i]BordellzimmerEin Hausbesitzer überlässt Prostituierten Zimmer und erbringt zusätzliche Leistungselemente, die die Ausübung des Gewerbes der Bewohnerinnen fördern und die der Gesamtleistung das Gepräge geben (, BStBl 2015 II S. 427). Die Zimmer wurden einzeln ausschließlich an jeweils eine Prostituierte vermietet; sie wurden nicht durch mehrere Prostituierte genutzt. Die Prostituierten hatten dort ihre persönlichen Sachen und zum Teil eigene kleinere Möbel untergebracht. Die Zimmer waren mit einem Alarmknopf und einer Gegensprechanlage ausgestattet. Zur Straßenseite verfügten die Häuser über mit einem Schaufenster versehene sog. Kober, die von allen Prostituierten genutzt wurden, um mit potenziellen Freiern Kontakt aufzunehmen sowie Leistungen und Preise auszuhandeln.
Begründung: Steuerfreie Vermietungsleistungen liegen nicht vor, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks oder Grundstücksteils zum Gebrauch von anderen wesentlicheren Leistungen überdeckt wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Unterkünfte an Prostituierte vermietet werden und nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, die Prostitution auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht (ebenso , NWB IAAAH-88653).