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NWB Nr. 36 vom Seite 2668

Vorsteuerversagung bei Kenntnis oder Kennen-Müssen einer Steuerhinterziehung in einer Lieferkette?

„HR“

Dirk Beyer

[i]Streitiger Begriff der LieferketteDer EuGH hatte im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens erneut Gelegenheit, seine sog. Missbrauchsrechtsprechung zu konkretisieren ( „HR“, NWB EAAAH-79685). Das FG Berlin-Brandenburg hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, wie der Begriff der „Lieferkette“ gemeinschaftsrechtskonform zu verstehen ist (, NWB KAAAH-53746).

I.

1. Sachverhalt

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat in den Streitjahren 2009 und 2010 einen Getränkegroßhandel betrieben. Hierzu bezog sie Getränkelieferungen von der P-GmbH und machte die entsprechenden Vorsteuern aus diesen Eingangsrechnungen geltend. Die Lieferungen erfolgten tatsächlich und hierzu lagen ordnungsgemäße Eingangsrechnungen vor. Fest stand zur Überzeugung des Finanzgerichts, dass weder die Klägerin noch die P-GmbH im Rahmen ihrer Umsatzbeziehung eine Steuerhinterziehung begangen haben. Jedoch hatte die P-GmbH selbst unter Beteiligung des Ehemanns der Klägerin die Getränke unter Begehung mehrerer Umsatzsteuerhinterziehungen bezogen. Der P-GmbH war der entsprechende Vorsteuerabzug versagt worden. Das beklagte Finanzamt hat zudem auch der Klägerin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der P-GmbH gestrichen. Das Finanzamt verwies hierzu auf die sog. Missbrauchsrechtsprechung des , C-163/13 und C-164/13 „Italmoda“, NWB VAAAE-83351). Sind die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist nach dieser EuGH-Rechtsprechung dennoch eine Versagung des Vorsteuerabzugs unionsrechtlich geboten, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der „Lieferkette“ bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde. [i]Zum Begriff des „Wissen-Müssens“: Beyer, NWB 14/2020 S. 970Im konkreten Fall ist hier die Klägerin nach Ansicht des Finanzamts mit ihrem Unternehmen Teil einer Lieferkette gewesen, in der Umsatzsteuerhinterziehungen begangen worden sind. Damit stützte das Finanzamt die Vorsteuerversagung lediglich auf das Kennen-Müssen einer Steuerhinterziehung auf der vorhergehenden Umsatzstufe, aber nicht darauf, ob die Steuerhinterziehung durch die Klägerin begünstigt oder gefördert worden sei. Dieses Verständnis von einer S. 2669Beteiligung an einer Lieferkette sah die Klägerin als zu weitgehend an und klagte gegen die Vorsteuerversagung.

2. Vorlagefrage beim EuGH

[i]Vanheiden, Vorsteuerabzug, infoCenter, NWB MAAAA-41725 Das FG Berlin-Brandenburg hat Zweifel daran, ob und inwieweit der Vorsteuerabzug versagt werden darf, wenn der Unternehmer weiß oder wissen musste, dass auf einer vorgelagerten Umsatzstufe eine Steuerhinterziehung begangen worden ist, er sich aber in keiner Weise an dieser Hinterziehung beteiligt hat. Daher hat das Finanzgericht dem EuGH die folgende Frage vorgelegt: