Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
BBK Nr. 17 vom Seite 842

Anpassung der Verjährungsregelung für DRV-Betriebsprüfungen

Jörg Romanowski

Bei [i]Schönfeld/Plenker, Verjährung, Lexikon Lohnbüro NWB AAAAD-14974 Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) stellen sich oft die Fragen: Wie weit darf rückwirkend geprüft werden und wann ist ein Arbeitgeber durch die Verjährung ggf. vor weiteren Beitragsnachforderungen geschützt? Mit dem sog. Gesetz Digitale Rentenübersicht vom ist aus Anlass der Corona-Pandemie eine für die Praxis der DRV-Betriebsprüfung relevante Änderung im neuen § 128 SGB IV erfolgt. Diese gilt es nunmehr als Ausnahme in der Praxis zu kennen. Der Beitrag informiert über die rechtlichen Grundlagen der Verjährung und die sich daraus ableitenden praktischen Folgen.

I. Vierjährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV

Ausgangspunkt [i]Beyer, Sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung, infoCenter NWB FAAAF-71296 für die Fragen zur Verjährung ist § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Die Vorschrift regelt, dass Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden sind. Daraus leitet sich der grundsätzliche Prüfturnus der DRV ab, nach dem stets die letzten vier Kalenderjahre zu prüfen sind.

Beispiel

Eine Betriebsprüfung im Jahr 2020 geht bis zum zurück, eine Betriebsprüfung im Jahr 2021 dementsprechend bis zum usw.

Hinweis:

Die DRV kann demnach grundsätzlich rückwirkend für die letzten vier Kalenderjahre Beitragsforderungen geltend machen – unabhängig davon, ob ggf. für diesen Zeitraum bereits eine Prüfung durchgeführt wurde.S. 843

II. Rechtmäßigkeit von Doppelprüfungen

Im [i]Romanowski, Vertrauensschutz durch eine Betriebsprüfung der DRV?, BBK 5/2020 S. 252 NWB IAAAH-42952 Durchschnitt schließt die DRV 72,6 % aller Betriebsprüfungen ohne ein Mehrergebnis ab. Die Arbeitgeber erhalten dann eine Prüfmitteilung ohne Beanstandungen; diese stellt jedoch keinen Verwaltungsakt i. S. des § 31 SGB X dar. Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen beendet wurden, ohne dass ein entsprechender feststellender Bescheid ergangen ist, begründen keinen Vertrauensschutz.

Zu [i]Betriebsprüfungen dienen nicht der Entlastung von Arbeitgebernden Betriebsprüfungen, die mit einem Mehrergebnis enden (mit einem Beitragsbescheid), hat sich die Rechtsprechung wie folgt geäußert: Weitere Beitragsnachforderungen sind nicht rechtswidrig vor dem Hintergrund des Bestehens früherer bestandskräftiger Bescheide. Ein Vertrauensschutz (aufgrund der Vorprüfung) scheidet allein deshalb aus, wenn durch einen früheren Bescheid Beiträge nicht für identische Mitarbeiter (wie im Folgebescheid) gefordert wurden. Die stichprobenhaft durchgeführte Betriebsprüfung auch in Klein- und Kleinstbetrieben steht außer Zweifel. Es kann nicht hergeleitet werden, dass bei Erlass eines personenbezogenen Verwaltungsakts im Rahmen einer Betriebsprüfung zugleich die Regelung getroffen wird, im Prüfzeitraum sei ansonsten „alles in Ordnung“ gewesen. Das Beitragsrecht kennt keine dem § 173 Abs. 2 Satz 1 AO entsprechende Regelung über eine Änderungssperre.

Betriebsprüfungen und Prüfberichte bezwecken nicht, Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihnen Entlastung zu erteilen, sondern dienen allein der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung.

Die [i]Erneute Betriebsprüfungen zulässigSozialversicherungsträger gehen somit davon aus, dass bei neuen Erkenntnissen stets in bereits geprüfte Zeiträume erneut eingedrungen werden kann. Das ist so auch von der Rechtsprechung gedeckt.

Ergebnis:

[i]Arbeitgeber sind ausschließlich durch den Eintritt der Verjährung vor weiteren Beitragsforderungen geschützt.

III. 30-jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV

§ 25 [i]30-jährige Verjährung bei VorsatzAbs. 1 Satz 2 SGB IV regelt, dass Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren. Sollten Arbeitgeber demnach den Sozialversicherungsträgern Beiträge vorsätzlich vorenthalten, verjähren solche Ansprüche erst nach dreißig Kalenderjahren. In einem solchen Fall könnte die DRV demnach im Rahmen der Betriebsprüfung im Jahre 2021 noch rückwirkend bis zum prüfen und Beiträge nachfordern. Für alle Zeiträume vor dem ist jedoch definitiv Verjährung eingetreten.

Vorsatz umfasst die Formen bedingter Vorsatz, direkter Vorsatz und die Absicht. Bedingt vorsätzlich handelt der Arbeitgeber, der einen Erfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt. Direkt vorsätzlich handelt der Arbeitgeber, der das Wissen hat oder das sichere Voraussehen des Erfolgseintritts erkennt. Absicht ist der zielgerichtete Erfolgswille und gegeben, wenn der Arbeitgeber die Beiträge entgegen besseren Wissens trotz Kenntnis der Verpflichtung zur Leistung nicht zahlt, mit dem Zweck, sie dem Versicherungsträger zu entziehen.

Im [i]Bedingter Vorsatz ausreichendSinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werden alle Vorsatzformen erfasst. Somit genügt für die Annahme der „großen“ Verjährung auch die einfachste Vorsatzform – der S. 844bedingte Vorsatz. Abgrenzend dazu reicht weder die bewusste noch die grobe Fahrlässigkeit für die Anwendung der „großen“ Verjährung. Für die Annahme einer dreißigjährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Beitragspflichtige die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat.