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Online-Beitrag vom

Ausweitung der TSE-Pflicht auf Waren- und Dienstleistungsautomaten?

Rechtsunsicherheiten bei der Aufrüstungspflicht für elektronische Aufzeichnungssysteme

Gerd Achilles und Daniela Jope

Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (sog. Kassengesetz) und die Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) sind nun schon mehrere Jahre in Kraft. In der täglichen Praxis ergeben sich aber immer noch zahlreiche Fragen: Unklar ist weiterhin, wie sich Kassen, Kassenautomaten und die bisher nicht näher definierten Waren- und Dienstleistungsautomaten voneinander abgrenzen lassen. Der Beitrag zeigt anhand von Kriterien aus anderen Rechtsgebieten, dass es für bestimmte Waren- und Dienstleistungsautomaten bereits Einordnungen gibt, die auch in das Steuerrecht übernommen werden könnten.

I. Aufrüstungsverpflichtung nach § 146a AO i. V. mit § 1 KassenSichV

Nach § 146a Abs. 1 Satz 1 AO sind aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge, die mithilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfasst werden, einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen. § 146a Abs. 1 Satz 2 AO bestimmt, dass das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen nach Satz 1 durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen sind. Elektronische Aufzeichnungssysteme in diesem Sinne sind elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen (§ 1 Satz 1 KassenSichV).

Insoweit besteht nach § 146a Abs. 3 AO auch die Verpflichtung, dem am Geschäftsvorfall Beteiligten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsvorfall unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften einen Beleg über den Geschäftsvorfall auszustellen und dem an diesem Geschäftsvorfall Beteiligten zur Verfügung zu stellen (Belegausgabepflicht).

Diese mit dem Kassengesetz eingeführten Regelungen dienen der Sicherstellung der Integrität, der Authentizität und der Vollständigkeit digitaler Grundaufzeichnungen.

Davon nicht betroffen sind nach der Negativliste des § 1 Satz 2 KassenSichV:

  • Fahrscheinautomaten und Fahrscheindrucker,

  • Kassen- und Parkscheinautomaten der Parkraumbewirtschaftung,

  • Ladepunkte für Elektro- und Hybridfahrzeuge,

  • Waren- und Dienstleistungsautomaten,

  • Geldautomaten,

  • Geld- und Warenspielgeräte.

Sachverständigen Dritten dürfte sich an dieser Stelle die Frage aufdrängen, warum z. B. Fahrscheinautomaten oder Kassen- und Parkscheinautomaten der Parkraumbewirtschaftung explizit benannt werden. Sie sind doch zumindest nach der allgemeinen Verkehrsanschauung vom Begriff „Waren- und Dienstleistungsautomaten“ umfasst.

Die damit entstehenden Rechtsunsicherheiten lassen unweigerlich die Frage aufkommen, welche elektronischen Aufzeichnungssysteme die Finanzverwaltung als Waren- oder Dienstleistungsautomaten ansieht und welche nicht.

Ungeachtet des Negativkatalogs in § 1 Satz 2 KassenSichV lassen sich bestimmte Geräte bereits vorab ausschließen:

  • mechanische Geräte und

  • elektronische Geräte ohne Barzahlungen.

Hinweis:

Aus Sicht aller Beteiligten ist die hinreichende Bestimmbarkeit der Aufrüstungsverpflichtung eines elektronischen Aufzeichnungssystems mit einer TSE im Hinblick auf Schätzungsbefugnisse nach § 162 AO und drohende Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 379 AO von erheblicher Relevanz.

Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen einer strafbaren Handlung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite von Straftatbeständen erkennbar sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Das gilt für Bußgeldtatbestände gleichermaßen.

Steuerbürger sollen sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können. Fehlende oder widersprüchliche Definitionen zu Kassen-, Waren- und Dienstleistungsautomaten lassen aktuell noch nicht zweifelsfrei erkennen, ob bestimmte Geräte ohne TSE genutzt oder in Verkehr gebracht werden dürfen.

Die betroffenen Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft hatten auch deshalb in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf der Verordnung zur Änderung der KassenSichV dafür geworben, eine klarstellende Abgrenzung zwischen Kassen, Kassenautomaten sowie Waren- und Dienstleistungsautomaten vorzunehmen. Dem dahin gerichteten Petitum ist der Verordnungsgeber bisher jedoch nicht gefolgt.

II. Definition der Waren- und Dienstleistungsautomaten

1. Definition aus steuerlicher Sicht

Grundsätzlich sind Automaten technische Geräte, bei denen durch die Entrichtung eines Entgelts – oder wie z. B. bei Kfz-Waschanlagen durch Eingabe einer Codierung – ein mechanisches oder elektronisches Steuerungssystem in Gang gesetzt wird, das bestimmte Verrichtungen selbsttätig (ohne Beteiligung eines Dritten) vornimmt. Während Warenautomaten Kaufvorgänge ermöglichen, werden über Dienstleistungsautomaten i. d. R. Leih- und Mietvorgänge abgewickelt oder sie berechtigen dazu, eine bestimmte Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

Hinweis:

Eine exakte Abgrenzung zwischen Waren- und Dienstleistungsautomaten ist an dieser Stelle nicht erforderlich, da der Verordnungsgeber beide Typen in einem Atemzug benennt und von der Verpflichtung zur Verwendung einer TSE freistellt.

Damit werden nicht zuletzt erhebliche Abgrenzungsprobleme in Fällen vermieden, in denen ein Automat sowohl die Funktion eines Waren- als auch die eines Dienstleistungsautomaten erfüllt, z. B. wenn er Waren abgibt, diesen jedoch lediglich eine dienende Funktion für die eigentliche Dienstleistung als Hauptleistung zukommt.