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BBK Nr. 13 vom Seite 651

Ausweitung der kurzfristigen Beschäftigung in der Corona-Krise

Jörg Romanowski

Eine [i]Vanheiden, Geringfügige Beschäftigung, infoCenter NWB CAAAB-05368 Form der geringfügigen Beschäftigung ist die Zeitgeringfügigkeit. In der Praxis wird gern von einer kurzfristigen Beschäftigung gesprochen. Diese ist sozialversicherungsfrei, und es werden – im Gegensatz zum Minijob – auch keine Pauschalbeiträge fällig. Es klingt so einfach: eine Beschäftigung wird ausreichend befristet, eine sog. Berufsmäßigkeit darf nicht gegeben sein und schon liegt eine beitragsfreie kurzfristige Beschäftigung vor. Was so einfach klingt, ist in der Praxis jedoch zum Teil sehr schwer umzusetzen. Der Teufel steckt wie immer im Detail. Der Beitrag beleuchtet kurz die rechtlichen Grundlagen der kurzfristigen Beschäftigung und zeigt die aktuellsten Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung.

I. Rechtliche Grundlagen der kurzfristigen Beschäftigung

[i]Schönfeld/Plenker, Kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer, Lexikon Lohnbüro NWB HAAAD-14681 Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV dann vor, wenn sie im Laufe eines Kalenderjahres auf nicht mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder vertraglich begrenzt ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Die Höhe des Verdienstes ist dabei sozialversicherungsrechtlich unerheblich. Nur für die Lohnsteuerpauschalierung nach § 40a Abs. 1 EStG ist die Höhe der Entlohnung ausschlaggebend.

[i]Geringfügigkeits-Richtlinien NWB EAAAH-04172 Der Gesetzgeber hat dabei nicht definiert, wann bei der Befristung auf die drei Monate und wann auf die 70 Arbeitstage abzustellen ist. Die Sozialversicherungsträger haben diese Rechtsfrage in ihren Geringfügigkeits-Richtlinien wie folgt beantwortet: S. 652

„Von dem Dreimonatszeitraum ist nur dann auszugehen, wenn die Beschäftigung an mindestens fünf Tagen in der Woche ausgeübt wird… Bei Beschäftigungen von regelmäßig weniger als fünf Tagen in der Woche ist bei der Beurteilung auf den Zeitraum von 70 Arbeitstagen abzustellen.“

II. Aktuelle Rechtsprechung des BSG

[i]BSG, Urteil v. 24.11.2020 - B 12 KR 34/19 R NWB JAAAH-74543 Das BSG musste sich genau mit dieser Frage unlängst beschäftigen. Streitig war, ob eine Beschäftigung, die als Rahmenvertrag vom 1.7. bis auf maximal 50 Arbeitstage befristet und in einer Fünf-Tage-Woche ausgeübt wurde, ausreichend befristet war im Sinne einer kurzfristigen Beschäftigung. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte das im Rahmen einer Betriebsprüfung verneint, da bei einer Beschäftigung mit einer Fünf-Tage-Woche stets aus ihrer Sicht bei der Befristung auf den Zwei-Monatszeitraum abzustellen sei. Erst bei einer befristeten Beschäftigung mit weniger als einer Fünf-Tage-Woche dürfe aus Sicht der DRV die 50-Tage-Regelung zur Anwendung kommen.

Hinweis:

Bis [i]Corona-Erleichterungen zum galten als maximale Befristungsmöglichkeiten die Zwei-Monats- bzw. 50-Arbeitstage-Regelung. Seit dem wurde die Dauer aufgestockt auf drei Monate bzw. 70 Arbeitstage. Für die Zeit vom 1.3. bis wurde der Zeitraum temporär befristet über § 115 SGB IV sogar auf fünf Monate bzw. 115 Arbeitstage aufgestockt.

Das [i]BSG-Urteil contra DRV im Kern folgende Aussage getroffen: „Dass für die nach Arbeitstagen berechnete Zeitgrenze bei einer 5-Tage-Woche kein Raum sei, ist weder dem Wortlaut noch den gesetzgeberischen Motiven zu entnehmen“ und sich damit deutlich gegen die Rechtsauffassung der DRV positioniert.

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV stehen die beiden Alternativen der nach Monaten oder nach Arbeitstagen berechneten zeitlichen Begrenzung ohne weitere Einschränkung gleichwertig nebeneinander. Aufgrund der Verknüpfung durch das Wort „oder“ liegt Zeitgeringfügigkeit immer dann vor, wenn eine der beiden Optionen erfüllt ist.

Eine Abgrenzung durch zusätzliche Anknüpfung an die Verteilung der Arbeitstage im Kalenderjahr oder die Anzahl der Wochenarbeitstage sieht der (Gesetzes-)Wortlaut nicht vor. Auch ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass bei einer betriebsüblichen Fünf-Tage-Woche allein die monatliche Begrenzung herangezogen werden dürfte.

[i]Eilts, Neue Gesetzgebung – aktualisierte Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, NWB 24/2019 S. 1744 NWB SAAAH-16174 Dieses aktuelle Urteil des BSG ist in der Anwendung der Befristungsregelung deutlich großzügiger und insofern für die Praxis sehr zu begrüßen. Im Ergebnis sollte es aufgrund der Befristung einer kurzfristigen Beschäftigung auf 70 Arbeitstage oder drei Monate nicht mehr zu Beanstandungen durch die DRV kommen. Im Einzelfall müssen betroffene Arbeitgeber selbst sehr genau aufpassen.

Hinweis:

Die Geringfügigkeits-Richtlinien werden u. a. diesbezüglich überarbeitet werden müssen. Behalten die Sozialversicherungsträger ihren üblichen Turnus hierzu bei, müsste noch gegen Ende 2021 eine neue Version der Geringfügigkeits-Richtlinien veröffentlicht werden.

Beispiel

Befristete Beschäftigung vom bis bei einer Fünf-Tage-Woche und maximaler Begrenzung auf 70 Arbeitstage.S. 653

Lösung laut veralteter Rechtsauffassung der DRV

Bei einer Fünf-Tage-Woche muss auf den Monatszeitraum abgestellt werden. Da hier die Beschäftigung auf mehr als drei Monate angelegt ist, kommt eine kurzfristige Beschäftigung nicht in Betracht.

Lösung nach aktueller BSG-Rechtsprechung

Solange eine der beiden Befristungsvorschriften (hier: 70 Arbeitstage) eingehalten wird, liegt eine ausreichende Befristung im Sinne der kurzfristigen Beschäftigung vor.

Am Rande notiert: In [i]Geringfügigkeits-Richtlinien ohne Gesetzescharakter dem genannten BSG-Urteil steckt ein weiteres für Arbeitgeber sehr interessantes Bonmot: „Der zwischen den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger vereinbarten Geringfügigkeits-Richtlinie 2010 kommt keine die Gerichte bindende Wirkung zu.“

Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil das mitunter in Betriebsprüfungen der DRV aus Verwaltungssicht anders dargestellt wird.

III. Aktuelle gesetzgeberische Maßnahmen

[i]Corona-bedingte Ausweitung der ZeitgeringfügigkeitHinsichtlich der ausreichenden Befristung ist derzeit laut § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV auf drei Monate oder 70 Arbeitstage abzustellen. In der Zeit vom 1.3. bis hatte der Gesetzgeber über § 115 SGB IV aufgestockt, und es war ausreichend im Sinne der Kurzfristigkeit befristet, wenn die Beschäftigung auf bis zu fünf Monate oder 115 Arbeitstage angelegt wurde.