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BBK Nr. 13 vom Seite 639

Kalkulation und Wirtschaftlichkeit von Pay-Per-Use-Konzepten

Ein alternatives Geschäftsmodell zu Verkauf oder Leasing?

Prof. Dr. Michael Währisch

[i]Neues Geschäftsmodell der Sharing-EconomyPay-Per-Use-Angebote gewinnen in vielen Branchen unter dem Schlagwort der Sharing-Economy hohe Aufmerksamkeit. Es ist in vielfacher Hinsicht für bestimmte Kunden attraktiv, für Güter nur bei deren spezifischer Nutzung zu zahlen. Da einige Geschäftsmodelle erfolgreich ausgebaut und andere eingestellt werden, stellt sich aus der Perspektive des Anbieters die Frage nach den grundlegenden Aspekten der Wirtschaftlichkeit von Pay-Per-Use. Für die Kalkulation und Wirtschaftlichkeit ist beispielsweise die Behandlung der Fixkosten entscheidend für den Erfolg des Geschäftsmodells.

I. Das Konzept des Pay-Per-Use

1. Definition und Anwendungen von Pay-Per-Use

[i]Bedürfnisbefriedigung statt EigentumserwerbEs hat sich zum Trend entwickelt, dass Menschen oder Unternehmen, die bestimmte Vermögensgegenstände nutzen wollen, diese nicht zwangsläufig erwerben müssen, da sie sich nur der Nutzung oder der Nutzungsmöglichkeit in einem bestimmten Zeitraum zu einem konkreten Zweck versichern wollen. Daher haben Unternehmen in verschiedenen Branchen Pay-Per-Use (PPU)-Angebote entwickelt. Das Bedürfnis der Menschen zielt bei verschiedenen Gütern nicht mehr auf das Eigentum oder den Besitz des Gutes ab, sondern auf die Bedürfnisbefriedigung, die mit der Nutzung dieses Gutes verbunden ist.

Hinweis:

In der sog. Sharing-Economy haben gerade jüngere Menschen nicht mehr das Bedürfnis, ein Gut in ihrem Eigentum zu haben, von dessen Nutzung sie andere ausschließen können, sondern sie wollen bewusst – aus unterschiedlichen Motiven – Güter gemeinsam nutzen.

Unter PPU [i]Anbieter bleibt Eigentümersoll nachfolgend eine Konzeption bzw. Vertragsart verstanden werden, bei der der Anbieter während der Nutzung des Gutes durch den Kunden weiterhin Eigentümer bleibt und dem Nachfrager nur eine begrenzte, individuell abrechenbare S. 640Nutzungsmöglichkeit des Gutes einräumt. Beispiele für PPU-Verträge sind in verschiedenen [i]PPU-PraxisbeispieleBranchen etabliert:

  • Automobile: Im Rahmen von Car-Sharing werden in vielen Städten Pkw angeboten, die an dezentralen Stellen geparkt sind und die – nach entsprechender vorheriger Registrierung – vom Nutzer für die Zurücklegung einer bestimmten Strecke eingesetzt werden können. Nach Nutzung wird der Pkw wieder geparkt und für die nächste Nutzung freigegeben. Die Abrechnung der Fahrt erfolgt nach der zurückgelegten Strecke. Die Preise je Kilometer können ggf. von der Tageszeit und vom Wochentag abhängig sein.

  • Kaffeevollautomaten: In vielen Unternehmen stehen zwecks Bewirtung oder für Mitarbeiter Kaffeeautomaten zur Verfügung. Diese werden von spezialisierten Unternehmen den Kunden zur Verfügung gestellt und mit den notwendigen Verbrauchsmaterialien bestückt. Die Abrechnung dieser Leistung erfolgt gemäß der Anzahl produzierter Tassen Kaffee.

  • Aufzüge: In verschiedenen Märkten außerhalb Deutschlands werden Aufzugsneuanlagen nicht an den Gebäudeeigentümer verkauft, sondern es wird die Transport-Dienstleistung von Personen (ggf. Lasten) von einer auf die andere Etage offeriert. Abgerechnet wird anhand der durchgeführten Transportdienstleistungen in einer Periode. Vergleichbare Konzepte sind auch bei anderen Dienstleistungen am Gebäude, z. B. bei der Klimatisierung oder der Heizung, möglich.

  • IT: Bestimmte IT-Dienstleistungen (z. B. Server-Speicherkapazität in der Cloud) werden anhand der genutzten Auslastung den Kunden in Rechnung gestellt.

  • Landtechnik: Viele spezielle Maschinen und Anbaugeräte für landwirtschaftliche Anwendungen werden für einzelne Einsätze verliehen; das Entgelt richtet sich nach der bearbeiteten Fläche oder nach Einsatzstunden.

2. Unternehmerische Ziele des Pay-Per-Use-Anbieters

[i]Erlössteigerung und -verstetigung Ziele der Unternehmen mit diesen Geschäftsmodellen liegen primär in der Absatz- bzw. Erlössteigerung und in der Verstetigung der Erlösgenerierung. Absatzerhöhungen werden durch das geringere Entgelt für eine Nutzeneinheit im Vergleich zum Kauf erwartet. Kunden können das Gut einmalig testen und den Nutzen für sich bewerten, ohne zugleich eine höhere Anschaffungsauszahlung zu bewirken. Das Risiko eines Fehlkaufs und der Auslastung des Gutes (Deckung von Fixkosten) werden für den Kunden erheblich reduziert. Bei Innovationen, die auf die Vergrößerung der Leistungsfähigkeit des Produkts ausgerichtet sind, allerdings von Kunden nicht in einer proportionalen Preiserhöhung akzeptiert werden, können Ansätze des PPU genutzt werden, um das erhöhte Leistungspotenzial preislich besser abschöpfen zu können.

Beispiel

Besitzt ein neuer Kaffeevollautomat eine 20 % längere Nutzungsdauer und ist es vertrieblich problematisch, vom Kunden einen proportional höheren Kaufpreis zu erhalten, kann PPU ein Instrument sein, um langfristig diesen Produktvorteil vom Kunden vergütet zu bekommen.

Beim [i]Intensivierung der KundenbeziehungVerkauf des Gutes fließt dem Unternehmen einmalig der Kaufpreis zu. Bei PPU kommt es demgegenüber zu einer Verstetigung der Erlöse während der gesamten Nutzungsperiode. Gleichzeitig verlängert und intensiviert sich hierdurch die S. 641Kundenbeziehung, und es entsteht die Chance auf Zusatzverkäufe von komplementären Gütern (z. B. Kaffee beim Kaffeevollautomaten). Anbieter vollziehen damit den Übergang vom Produkthersteller zum Dienstleister.

3. Vergleich des Pay-Per-Use mit anderen Konzepten

[i]Abgrenzung zu Kauf und LeasingBei der Abgrenzung von PPU zu anderen rechtlichen Geschäftsmodellen werden die Besonderheiten dieses Vertragstypus deutlich.

  • Von einem Kauf unterscheidet sich PPU dahingehend, dass juristisch kein Eigentum an dem Vermögensgegenstand erworben wird. Der Nutzer erhält im Rahmen von PPU bei materiellen Gütern nur den Besitz für eine begrenzte Zeit, während beim Kauf der Besitzübergang dauerhaft ist.

  • Leasingverträge umfassen ein breites Spektrum, das von der normalen Miete bis zu Ratenkaufverträgen gespannt werden kann. Charakteristisch ist, dass zwecks Finanzierung zwischen den Produzenten und den Kunden zumeist eine Finanzierungsgesellschaft (als Leasinggeber) tritt. In verschiedenen Leasingverträgen kommen einzelne Aspekte des PPU zum Tragen; so wird beim Pkw-Leasing vielfach eine maximale Kilometer-Leistung fixiert, die bei Überschreitung zu variablen Zusatzzahlungen je Kilometer führt.

4. Aktuelle Entwicklungen und Problemstellung

[i]Langfristige Wirtschaftlichkeit umstrittenEinige Geschäftsmodelle, die auf der Idee des PPU basieren, z. B. der Verleih von E-Scootern, wachsen erheblich; in diesem Markt kommt es zu ersten Konsolidierungen, aber auch neuen Markteintritten. Demgegenüber stellt sich beispielsweise angesichts des Rückzugs von Schwergewichten der Automobilindustrie aus dem Car-Sharing-Markt in Nordamerika und einigen Großstädten Europas aufgrund „extrem schwierige(r) Realitäten“ die Frage nach der langfristigen Wirtschaftlichkeit von PPU für die Anbieter. Dieser Frage soll nachfolgend anhand grundlegender betriebswirtschaftlicher Überlegungen nachgegangen werden.

[i]Analyse von WirtschaftlichkeitsaspektenZiel dieses Beitrags ist daher die Untersuchung der grundlegenden Wirtschaftlichkeitsaspekte von PPU insbesondere im Hinblick auf das dem Pricing vorgelagerte Kalkulationsproblem. Nachfolgend werden – nachdem grundlegende Aspekte von PPU diskutiert wurden – wesentliche Kalkulationsprobleme von PPU-Leistungen und ihre Implikationen für die Wirtschaftlichkeit erörtert. Hierzu werden verschiedene Fälle der Kostenverursachung unterschieden.

Dabei liegt der Schwerpunkt der Erörterung nicht auf den methodischen Aspekten (z. B. den Problemen der Gemeinkostenverrechnung), sondern auf den grundlegenden kostentheoretischen Problemen eines PPU-Angebots bei Potenzialfaktoren. Die hierzu zitierte Literatur orientiert sich bewusst an den kostentheoretischen Grundlagen der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre, um zu verdeutlichen, dass die betriebswirtschaftlichen Problemstellungen nicht neuer Art sind, sondern auf ein neues Objekt angewendet werden müssen. S. 642