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WP Praxis Nr. 6 vom Seite 191

Nationale Empfehlungen zur Prüfung nichtfinanzieller Informationen

Kleine Unterschiede mit großer Wirkung

Univ.-Prof. Dr. Karina Sopp, Mag. (FH) Josef Baumüller und M.Sc. Oliver Scheid

Die Prüfung nichtfinanzieller Informationen erhält seit jeher sowohl vonseiten der Gesetzgebung als auch im Schrifttum eine hohe Aufmerksamkeit. Aufgrund der schwierigen Erfassbarkeit nichtfinanzieller Informationen kommt ihrer Prüfung eine besondere Rolle zu, insbesondere hinsichtlich Prüfungsumfang, Prüfungsintensität oder infrage kommender Prüfungsstandards. Eine inhaltliche (externe) Prüfung nichtfinanzieller Informationen – die derzeit (noch) nicht gesetzlich vorgeschrieben ist – erfolgt bei großen kapitalmarktorientierten Unternehmen schon seit einigen Jahren auf freiwilliger Basis: Sollte eine solche Prüfung zukünftig tatsächlich auf unionsrechtlicher Basis eingeführt werden, würde dies auch eine steigende Verantwortung für den Abschlussprüfer bedeuten. Immerhin bedeutet die Einführung der inhaltlichen Prüfpflicht für nichtfinanzielle Informationen eine Annäherung an die finanziellen Informationen und kommt somit einer Aufwertung gleich. In diesem aktuell zu beobachtenden Annäherungsprozess zeigen sich Uneinigkeiten im Besonderen bei der erforderlichen Prüfungstiefe – also ob die Prüfung mit begrenzter oder hinreichender Sicherheit zu erfolgen hat. Der vorliegende Beitrag beleuchtet den diesbezüglichen Status quo und zeigt mögliche Entwicklungstendenzen für die Zukunft der Prüfung nichtfinanzieller Informationen auf.

Sopp/Baumüller/Scheid, Die nichtfinanzielle Berichterstattung, 2021, NWB PAAAH-73394

Kernaussagen
  • Der Abschlussprüfer muss die nichtfinanzielle Berichterstattung bislang ausschließlich auf deren Vorhandensein überprüfen; eine darüber hinausgehende inhaltliche Prüfung wird lediglich vom Aufsichtsrat verlangt.

  • Für die Tiefe einer inhaltlichen externen Prüfung der freiwilligen nichtfinanziellen Berichterstattung gilt: In der Praxis sind überwiegend Prüfungen mit begrenzter (auch: beschränkter oder gewisser) Sicherheit (limited assurance) zu beobachten. In zunehmendem Maße wird jedoch eine Angleichung der Prüfungstiefe bei der Prüfung von finanziellen und nichtfinanziellen Informationen gefordert; bei finanziellen Informationen ist eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) seit vielen Jahren verpflichtend.

  • Aufgrund der hohen Komplexität und Kosten, die eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit verursacht, bietet sich bei der Anpassung der regulatorischen Vorgaben eine Übergangsphase an, innerhalb derer die Prüfungstiefe schrittweise angehoben wird.

I. Einleitung

Die Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung stellte in der Vergangenheit einen großen Streitpunkt dar. Dies zeigte sich bereits im Rahmen des Gesetzwerdungsprozesses des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (CSR-RUG). Das CSR-RUG transformierte die CSR-Richtlinie im Frühjahr 2017 in deutsches Recht. Hierbei entschied der deutsche Normengeber – wie ein Großteil der EU-Mitgliedstaaten – nur die Mindestanforderung der CSR-Richtlinie umzusetzen. Seitdem ist gefordert, dass der Abschlussprüfer eines berichtspflichtigen Unternehmens prüfen (und auch entsprechend hierüber berichten) muss, ob eine nichtfinanzielle (Konzern-)Erklärung bzw. ein nichtfinanzieller (Konzern-)Bericht vorgelegt wurde (§ 317 Abs. 2 Satz 4 HGB). Somit hat der deutsche Gesetzgeber – zumindest bisher – von der Normierung einer inhaltlichen Prüfpflicht im Rahmen der Abschlussprüfung Abstand genommen. Begründet wurde die Entscheidung gegen eine vollumfängliche inhaltliche Prüfpflicht durch den Abschlussprüfer insbesondere mit andernfalls drohenden Mehrkosten für die Unternehmen in einem unverhältnismäßigen Ausmaß und mit der Gefahr, dass andernfalls eine Erwartungslücke entstehen könnte. Eine externe inhaltliche Prüfpflicht S. 192existiert somit nicht. Allerdings obliegt es gem. ISA [DE] 720 (Revised) dem Abschlussprüfer, die vorgelegte nichtfinanzielle Berichterstattung zumindest kritisch zu lesen. Zudem hat gem. § 171 Abs. 1 Satz 1 und 4 AktG der Aufsichtsrat darüber hinausgehend eine inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung durchzuführen.