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NWB Nr. 19 vom Seite 1374

Abkehr von organschaftlichen Ausgleichsposten

Neue Entwicklungen im Rahmen des KöMoG hin zu einer Einlagelösung

Sergej Müller

Durch eine Neuregelung [i]Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, BT-Drucks. 19/28656 des § 14 Abs. 4 KStG-E im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) wird de lege ferenda eine Abkehr von der organschaftlichen Ausgleichspostenmethode hin zu der lange diskutierten Einlagelösung avisiert. Durch eine terminologische Nähe der Neuregelung zu vororganschaftlichen Mehr- und Minderabführungen, kann für die bilanzielle und außerbilanzielle Abbildung solcher Effekte eine Orientierung an § 14 Abs. 3 KStG erfolgen. Dennoch bleiben Detailfragen etwa im Hinblick auf Saldierungsmöglichkeiten ungeklärt, die jedoch durch § 14 Abs. 4 KStG-E materielle Bedeutung entfalten können. Bisher gebildete Ausgleichsposten sind gewinnwirksam aufzulösen; zur Vermeidung unbilliger Härten kann eine Rücklage gebildet werden, die über zehn Jahre aufzulösen ist. Die Einlagelösung soll in erster Linie einen Vereinfachungscharakter haben. Allerdings zeigt sich, dass die Neuregelung geeignet ist, Steuerpflichtigen Gestaltungsmöglichkeiten zu nehmen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Hintergrund

1. Erforderlichkeit von Ausgleichsposten

[i]Verhinderung einer Doppel- oder Nichtbesteuerung bei Veräußerung der OrganbeteiligungDie Bildung von steuerlichen Ausgleichsposten ist erforderlich, um eine Doppel- oder Nichtbesteuerung im Falle der späteren Veräußerung der Organbeteiligung zu vermeiden. Dieser Effekt kann aus Unterschieden in der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung resultieren, die – je nach Abweichung – eine sog. organschaftliche Mehr- oder Minderabführung zur Folge haben (§ 14 Abs. 4 Satz 6 KStG).

Wird beispielsweise auf Ebene der Organgesellschaft eine Rücklage gebildet, kann es vorkommen, dass dem Organträger steuerlich mehr Gewinn zugerechnet wird und von diesem zu versteuern ist. Dadurch erhöht sich de facto der Wert der Organgesellschaft, ohne dass dies im Beteiligungsbuchwert eine Berücksichtigung findet. Sollte im Falle der Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft die Rücklage weiterhin bestehen, S. 1375würde dies zu einer (weiteren) Realisierung der durch die Rücklagenbildung eingetretenen Wertsteigerung führen (Müller in Mössner/Seeger/Oellerich, KStG, 4. Aufl. 2019, § 14  Rz. 696).

[i]Berücksichtigung als Korrekturwert bei VeräußerungsgewinnermittlungVor diesem Hintergrund ist es notwendig, organschaftliche Ausgleichsposten zu bilanzieren. Diese werden bei einer späteren Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft im Zuge der Veräußerungsgewinnermittlung als Korrekturwert berücksichtigt und sorgen somit dafür, dass die eingangs erläuterte drohende Doppel- oder Nichtbesteuerung nicht eintritt (s. dazu § 14 Abs. 4 Satz 2 KStG; so auch schon BStBl 2003 I S. 437,  Rz. 44).

2. Historische Entwicklung der Ausgleichspostenmethode

Die [i]Lang, NWB 3/2009 S. 118in § 14 Abs. 4 KStG geregelte Ausgleichspostenmethode ist historisch auf die Meinung der Finanzverwaltung zurückzuführen (erstmals offiziell: BStBl 1961 II S. 79). Die Ausgleichspostenmethode wurde schließlich in den Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 (Abschnitt 59 KStR 1995) seitens der Finanzverwaltung verankert. Auch der BFH bestärkte in seiner Entscheidung aus 1996 die von der Exekutive entwickelte Ausgleichspostenlogik (, BStBl 1996 II S. 614). In der weiteren Rechtsprechungslinie kam der BFH in einem Urteil aus dem Jahr 2007 zu der Auffassung, dass infolge der Veräußerung der Organbeteiligung ein vorhandener passiver Ausgleichsposten erfolgsneutral – und eben nicht gewinnerhöhend – aufzulösen sei (, BStBl 2007 II S. 796). Nachdem das vorgenannte Urteil seitens der Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass () torpediert wurde, veranlasste dies schließlich den Gesetzgeber dazu, im JStG 2008 eine entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen, welche im Wesentlichen die bisherige Richtlinie widerspiegelte (Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, Stand: 10/2018, § 14 Rz. 917). So sollte die systemwidrige Ungleichbehandlung zwischen aktiven und passiven Ausgleichsposten behoben werden (BT-Drucks. 16/7036 S. 20). Seither ist die Ausgleichspostenmethode im Falle organschaftlicher Mehr- und Minderabführungen gängige Praxis und hat im Bereich der passiven Ausgleichsposten durch die Abkehr vom Maßgeblichkeitsgrundsatz im Rahmen des BilMoG eine Renaissance erlebt (Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, Stand: 10/2018, § 14 Rz. 919 f.).

3. Historische Entwicklung der Einlagelösung

[i]Ziel: Vereinfachung der Mehr- und MinderabführungenNeben der vorstehend skizzierten Ausgleichspostenlogik war auch immer die sog. Einlagelösung Gegenstand der Diskussionen in Gesetzgebungsverfahren (s. hierzu z. B. BT-Drucks. 16/7036 S. 10). Im ursprünglichen Körperschaftsteuersystem konnte die oben unter I, 1 dargestellte Doppelbesteuerung nicht durch die Einlagelösung beseitigt werden, schließlich wäre eine spätere Einlagenrückgewähr – entgegen dem heute gültigen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG – nicht nicht steuerbar gewesen (Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, Stand: 10/2018, § 14 Rz. 912). Vor diesem Hintergrund fruchtete die Einlagelösung (zunächst) nicht, um etwaige Besteuerungsinkongruenzen zu beseitigen. Das Bestreben, mit einer Körperschaftsteuerreform eine Einlagelösung zu realisieren, wurde durch die Bestätigung der Ausgleichspostenmethode durch den BFH abermals ad acta gelegt (, BStBl 1996 II S. 614). Im Zuge des JStG 2008 wurde die Einlagelösung erneut diskutiert, eine korrespondierende Prüfbitte zur Vereinfachung der Mehr- und Minderabführungen blieb in diesem Kontext jedoch unbeantwortet (BT-Drucks. 16/7036 S. 10). Nunmehr wagt die Bundesregierung durch das KöMoG eine neue Initiative zur Realisierung der Einlagelösung. Danach soll ein Wechsel von der „komplizierten bisherigen Behandlung von Mehr- und Minderabführungen durch Bildung steuerlicher Ausgleichsposten [...] zu S. 1376einer einfacheren ‚Einlagelösung' vollzogen“ werden (Regierungsentwurf, BT-Drucks. 19/28656 S. 24).