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BBK Nr. 9 vom Seite 425

Leerkosten bei Unterbeschäftigung in der Krise

Konzepte zur Ermittlung der Kosten ungenutzter Kapazitäten

Prof. Dr. Michael Währisch

[i]Breidenbach, Ermittlung der Herstellungskosten bei Unterbeschäftigung – Gestaltungsspielräume bei der notwendigen Eliminierung von Leerkosten, BBK 9/2021 S. 439 NWB JAAAH-76646, in diesem Heft In der Corona-Pandemie kann es durch vorübergehende Stilllegungen und Nutzungseinschränkungen oder durch die Unterbrechung von Lieferketten zu erheblichen Unterauslastungen der Produktionskapazitäten kommen. Das IDW weist in seinem fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und Prüfung darauf hin, dass die auf diese Zeiträume entfallenden fixen Gemeinkosten – sog. Leerkosten – nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden dürfen, sondern als Aufwand zu buchen sind. Leerkosten sind die Kosten der nicht genutzten Kapazität. Diese Definition findet sich in einer Vielzahl von Lehrbüchern zur Kostenrechnung, ohne dass das Phänomen, die konkrete Ausgestaltung oder die Ermittlung eingehender erörtert werden. Hier setzt der vorliegende Beitrag an.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Das Phänomen der Leerkosten

1. Unterauslastung von Kapazitäten

[i]Eggert, Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Jahresabschluss 2020, Teil 1: BBK 4/2021 S. 189 NWB MAAAH-70738, Teil 2: BBK 5/2021 S. 232 NWB UAAAH-72270 Viele Unternehmen werden in der aktuellen Corona-Pandemie in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgebremst: es wird Kurzarbeit angemeldet, Lieferketten sind zumindest in der ersten Phase im Frühjahr 2020 abgerissen, Kunden halten sich beim Kauf zurück. Von dieser Ausgangslage sind vor allem Dienstleistungsunternehmen betroffen, z. B. Reiseanbieter, Hotels und Restaurants sowie die Unterhaltungsbranche. In vielen Sachgüterproduzierenden Unternehmen, vor allem in der Automobilindustrie und bei ihren Zulieferern, ist das wirtschaftliche Aktivitätsniveau deutlich niedriger als in den vorherigen Jahren. Die Unterbeschäftigungssituation stellt insbesondere Unternehmen mit hohen Fixkosten wie z. B. bei hoher Anlagenintensität vor besondere S. 426Herausforderungen. Die Kapazitäten vieler Unternehmen können in diesem Umfeld nicht ausgelastet werden.

[i]Grabe/Vanini, Kapazität, Kostenrechnungs- und Controllinglexikon NWB SAAAD-57166 Unter der Kapazität eines Investitionsguts soll nachfolgend nur die quantitative Kapazität als die in einer Periode maximal realisierbare Anzahl von (Teil-)Produkten einer festgelegten Art verstanden werden. Die relevante Periode bezieht sich dabei vielfach auf die Stundenleistung einer Anlage oder auch auf die Totalkapazität als quantitative Kapazität innerhalb der gesamten technischen oder wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Die Kapazität eines ganzen Betriebs oder eines betrieblichen Teilbereichs wird ggf. durch Engpässe in vor- und nachgelagerten kapazitätsschwächeren Anlagen limitiert.

Beispiel

Auf einer Maschine können 10.000 Stück eines Produkts gefertigt werden, die nachfolgende Anlage besitzt aber nur eine Kapazität von 8.000 Stück; somit begrenzt die zweite Anlage die Kapazität des gesamten Betriebes auf 8.000 Stück.

Die Kapazität nur auf die Maschinen einzugrenzen, wäre eine zu enge Betrachtung. Grundsätzlich sind alle fixen Kosten, die dazu dienen die betriebliche Leistungsbereitschaft herzustellen, wie beispielsweise Personalkapazitäten, aber auch die betriebliche Haftpflichtversicherung, zu den Kapazitätskosten zu zählen.

[i]Nutzung von PotenzialfaktorenKapazitäten resultieren aus Investitionsentscheidungen in Potenzialfaktoren der Vergangenheit, z. B. Maschinen oder technische Anlagen, aber auch Personaleinstellungen. In den Potenzialfaktoren sind Leistungen gespeichert, die in späteren Perioden z. B. während der Nutzungsdauer abgerufen werden können.

Bestimmte Potenzialfaktoren besitzen ein – über die Nutzungsdauer gesehen – konstantes, jederzeit abrufbares Leistungspotenzial. Dies bedeutet, dass Leistungen, die in einem Jahr nicht abgerufen werden, in späteren Perioden nachgeholt werden können, z. B. Gesamtlaufleistung eines Lkw. Andere Potenzialfaktoren verfügen über ein periodisch begrenzt abrufbares Leistungsvermögen, so dass nicht genutztes Potenzial in einer späteren Periode nicht mehr zusätzlich genutzt werden kann, z. B. Arbeitsleistungen jenseits der Grenzen der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit.

2. Ermittlung der Leerkosten

[i]Unproduktiver Teil der FixkostenDie gesamten Fixkosten können in einen produktiven Teil – die sog. Nutzkosten – und den unproduktiven Teil der Leerkosten aufgespalten werden. Coenenberg et al. sprechen von Leerkosten als „quasi verschwendeten Kapazitäten“. Produziert ein Betrieb an seiner Kapazitätsgrenze, entstehen nur Nutzkosten und keine Leerkosten; bei vollständigem Stillstand fallen nur Leerkosten an. Leerkosten stellen damit eine betriebswirtschaftliche Größe zur wertmäßigen Messung der Unterbeschäftigung dar. Unter den Annahmen, dass die Beschäftigung langfristig auf einem niedrigeren Niveau verharrt, die Fixkosten in diesem Zeitraum abbaubar sind und die Kapazität variierbar [i]Berechnung der Leerkosten ist (keine Unteilbarkeiten), sollten die Leerkosten eliminiert werden.

Mithilfe des Beschäftigungsgrades (BG), der das Verhältnis von Kapazitätsnutzung als produzierter Istmenge x i (gemessen z. B. in Stück einer Produktart oder in Maschinenstunden) zur geplanten Beschäftigung x p beschreibt, können die Leerkosten L unter Zugrundelegung der Fixkosten K f ermittelt werden: S. 427


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Formel (1): L = (1-BG) K f

Zur [i]Periodengerechte Erfolgsermittlung Ermittlung eines periodengerechten Erfolgs sind die Leerkosten im Rahmen der Bestandsbewertung aus den vollen Herstellungskosten der fertigen und unfertigen Erzeugnisse zu eliminieren. Dies gilt für Sachgüter produzierende Unternehmen wie für Dienstleister. Dienstleistungsunternehmen, die beispielsweise Gutachten oder Beratungen erstellen, können mit unausgelasteten Kapazitäten und damit Leerkosten im Rahmen der Bewertung ihrer unfertigen Erzeugnisse konfrontiert sein.

3. Fallbeispiel

[i]Fallbeispiel: Produktionsrückgang in der Corona-KriseIm Folgenden soll die Auswirkung der Leerkosten auf den Periodenerfolg illustriert werden:

Gegeben sei ein Einproduktunternehmen, das über die Geschäftsjahre 2019 bis 2021 betrachtet wird. Im Jahr 2020 und 2021 wird es durch die Corona-Pandemie getroffen. Im Vergleich zu einem normalen Produktionsvolumen von 600.000 Stück werden nur noch 250.000 bzw. 300.000 Stück gefertigt, da die Verkaufszahlen erheblich zurückgegangen sind (siehe Tab. 1). In der Produktion entstehen 8 € variable Kosten je Stück und 6 Mio. € periodische Fixkosten. Im Vertriebs- und Verwaltungsbereich fallen 1,5 Mio. € Fixkosten an; darüber hinaus sind 2 € je Stück Vertriebsprovisionen zu berücksichtigen.