NWB Sanieren vom Seite 5

SanInsFoG, StaRUG und COVInsAG (Auszug aus dem neuen Themenpaket "NWB Sanieren und Restrukturieren")

Neue Gesetze und neue Tätigkeitsfelder für Steuerberater

Prof. Dr. Volker Römermann *

Insolvenz und Sanierung stehen seit 1999 im Fokus des Gesetzgebers. Noch nie aber gab es seither so starke Einschnitte und Veränderungen wie in der Zeit der Corona-Gesetzgebung. Nach der ersten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht am folgten weitere und die hektische Aktivität des Gesetzgebers hielt bis in die letzten Tage des Jahres 2020 hinein an. Der folgende Beitrag zieht eine vorläufige Bilanz, definiert, wo wir stehen, und zeigt Chancen auf, die für Berater daraus folgen.

Kernaussagen

  • Sanierung und Restrukturierung waren traditionell eine uneinnehmbare Festung der Juristen.

  • Das hat sich durch die jüngsten Gesetze geändert. Sie sind eine Einladung an Steuerberater, sich dieser Themen anzunehmen.

  • Das wird angesichts der Marktentwicklungen auch zwingend notwendig sein.

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I. Corona-Gesetzgebung

1. Der Beginn

Atemlos eilten, zuweilen taumelten Berater durch das Jahr 2020. Am stand die Bundeskanzlerin zum ersten Mal mit sorgenvoller Miene vor den Kameras, um zu verkünden, dass es nun mit COVID-19 ernst würde und dass Maßnahmen zu dessen Bekämpfung unmittelbar bevorstünden. Am Tage zuvor war das Phänomen zur Pandemie erklärt worden. Pandemie, das bedeutete: unbeherrschbar, nicht mehr lokal begrenzt. Am , einem Freitag, begannen die Arbeiten u. a. im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz an Corona-Gesetzen. „Abmilderungsgesetze“ [1] wurde die Serie von Normen betitelt, die am mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht begann. An diesem Tage wurde auch zum ersten Mal die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen ausgesetzt. Für alle Unternehmen? Nein, nur für die von den Folgen der Pandemie Betroffenen. Damit war eine Differenzierung gesetzt, welche die Praxis bis heute intensiv beschäftigt.

Aber nicht nur das stand nun auf der Agenda. Fördermittelanträge waren auszufüllen, und diese in großer Zahl. Ohne Unterlass prasselten neue Richtlinien und Änderungen von bestehenden Richtlinien auf Unternehmen und deren Berater ein. Daneben galt es, den eigenen Bürobetrieb aufrechtzuerhalten. Auch das keine einfache Aufgabe in Zeiten von Homeoffice und Abstandsregeln, Masken und Quarantäne.

2. Die letzte Kalenderwoche 2020

Was im März 2020 begann, blieb für das Jahr prägend bis zum letzten Tag. Noch am trat ein Gesetz in Kraft, das wichtige neue Regeln enthält, das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ v. (BGBl 2020 I S. 3328). Einen Tag zuvor waren das „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) v. (BGBl 2020 I S. 3256) und das „Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) v. (BGBl 2020 I S. 3229) verkündet worden. Beide Gesetze sind in wesentlichen Teilen bereits am in Kraft getreten.

II. Langsam hinaus aus dem Konkurs des Konkurses

1. Corona-Gesetze: COVInsAG, SanInsFoG, StaRUG

Gerade diese Gesetze aus den letzten Tagen des alten Jahres stellen für die Beraterpraxis in diesem Jahr entscheidende Weichen. Der Gesetzgeber arbeitet mit „Artikelgesetzen“ und wie bei der russischen Matrjoschka kommen neue Gesetze zutage, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Das Gesetz v. brachte in seinem ersten Artikel das „Gesetz zurS. 5 vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemiebedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG). Hinter dem SanInsFoG v. verbirgt sich in Art. 1 das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG).

SanInsFoG und als dessen Teil das StaRUG werden die Beraterpraxis in den Bereichen Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz ganz grundlegend verändern. Hier geht es nicht um bloße „Technik“, um das Klein-Klein der Rechtsanwendung. Hier haben wir es mit einem grundlegenden Paradigmenwechsel zu tun. Daraus ergeben sich Marktverschiebungen ungeahnten Ausmaßes, Risiken, aber auch greifbare Chancen für Berater.

Das StaRUG schafft neue Berufe und neue Funktionen. Es verfolgt einen anderen Ansatz, Unternehmen zu retten. Und das war dringend nötig. Die Konkursordnung war noch im Wesentlichen auf den Marktaustritt angelegt: Vermögen sichern, zerschlagen, liquidieren, an Gläubiger verteilen, Betrieb schließen. Als 1999 die Insolvenzordnung in Kraft trat, wurde neu gedacht. Der Sanierungsgedanke trat auf den Plan. Nicht mehr Zerschlagung, auch Erhaltung, Veränderung, Neuausrichtung wurden nun gefördert. Zunächst in kleinen Schritten. Der Insolvenzplan und das Schutzschirmverfahren, die Eigenverwaltung, orientiert an Vorbildern aus den USA („Chapter 11“) und Frankreich, kamen als neuartige Instrumente hinzu. Die Akzeptanz war zunächst mäßig, Akteure aus alten Zeiten hielten an Verfahren aus alten Zeiten fest. Bedenken allerorten. Eigenverwaltung? Den Bock zum Gärtner machen? Viel zu gefährlich. Lieber alles nach der Methode „bekannt und bewährt“.

Nach wie vor war das Insolvenzwesen in einem desaströsen Zustand, blickt man auf die Zahlen. Deutsche Gläubiger müssen traditionell mit erschreckend schlechten Ergebnissen leben. Bei Quoten von etwa 5 % – und das bedeutet: von 10.000 € Forderung erhält der Gläubiger am Ende eines jahrelangen Insolvenzverfahrens gerade einmal 500 €! – war der Zustand kaum anders als „Konkurs des Konkurses“ zu beschreiben. Es musste mehr geschehen als das Feigenblatt neuer Instrumente, die weitgehend wirkungslos verpufften.

2. Schritte in die richtige Richtung

Das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) v. sollte hier Abhilfe schaffen. Und tatsächlich, es ging in die richtige Richtung. Eine der wesentlichen Neuerungen: Schuldner sollten mehr Einfluss bekommen. Dem Gesetzgeber war klar geworden, warum die Verfahren oft im Desaster endeten. Die Geschäftsführer kamen zu spät. Aus Angst. Zu Recht natürlich, denn wenn ein Verfahren zur Zerschlagung führt, eine Rettung misslingt oder gar nicht mehr probiert wird, dann stellt sich die Frage der persönlichen Haftung von Geschäftsleitern in aller Schärfe. Und weil das so gefährlich ist, schieben viele Geschäftsführer den Antrag hinaus. Oft, bis die Kunden, die guten Mitarbeiter und sämtliche Vorräte weg sind. Und das Verfahren in der Zerschlagung endet, weil der Antrag zu spät gestellt wurde. Ein perpetuum mobile, das es zu durchbrechen galt.

Der Ansatz des ESUG-Gesetzgebers: Schuldner dürfen Vorgespräche mit potenziellen Verwaltern führen. Sie dürfen bei Gericht anregen, wer Insolvenzverwalter werden darf. Der Erfolg solcher Anregungen hängt dabei in der Praxis von den Persönlichkeiten der entscheidenden Richter ab. Die Entscheidung über die Person des Insolvenzverwalters ist die Schicksalsfrage des Verfahrens, so die berühmte, historische Qualifikation durch Ernst Jaeger. Wer soll nun die Macht über diese Schicksalsentscheidung bekommen? Der Richter – wie bisher – oder die Beteiligten? Bei vielen Gerichten sieht man das heute entspannt. Bei anderen gilt weiterhin die Regel: Wer vorgeschlagen wird, den nimmt man nicht. Gesetzesänderungen können gegen Gewohnheiten und Statusfragen oft wenig ausrichten. Dabei ist die Idee dahinter unbedingt richtig und leuchtet spontan ein: Wer denjenigen, der nachher die Geschicke des Unternehmens lenken und unmittelbaren Einfluss auf die Lebensverhältnisse des Betroffenen ausüben wird, kennen gelernt, Vertrauen zu ihm gewonnen, im besten Falle: Zuversicht geschöpft hat, der wird angstfreier ein Verfahren ansteuern, der wird früher in ein Verfahren gehen als derjenige, der seine Zukunft aus dem Munde eines ihm unbekannten, anonymen Richters erfährt. Noch dazu in einem bis heute völlig intransparenten Auswahlverfahren.

Neben dem Einfluss auf die Verwalterperson traten Erleichterungen der Eigenverwaltung und des Insolvenzplanverfahrens. All das wies in die richtige Richtung, der Effekt blieb aber begrenzt.

III. Der große Wurf

Nun kommt der große Wurf. Das SanInsFoG bringt tektonische Verschiebungen auf dem Insolvenz-Globus mit sich. Bei Weitem nicht nur nationale Ansätze waren hierfür ausschlaggebend. Die europäische Restrukturierungs-Richtlinie [2] spielte eine entscheidende Rolle, sie war bis Mitte 2021 in deutsches Recht umzusetzen. Daneben traten die ESUG-Evaluation [3] und natürlich die Sondersituation der COVID-19-Pandemie mit wichtigen, aber als vorübergehend geplanten Anpassungen.

[...]

IV. Neue Akteure

1. Der Status quo

2. Eingriffe durch das SanInsFoG

3. Steuerberater

4. Restrukturierungsbeauftragte und Sanierungsmoderatoren

5. Einfluss des Unternehmers

V. Bedarf: Die Insolvenzwelle

1. Prognosen und das COVInsAG

2. Voraussetzungen der Aussetzung

3. Weitere Aussetzung 2021

4. Fatale Signale und richtiges Handeln

VI. Fazit

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Fundstelle(n):
NWB Sanieren /2021 Seite 5
RAAAH-72300

1Dazu umfassend: Römermann, COVID-19-Abmilderungsgesetze, 1. Aufl. 2020.

2Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, ABl EU 2019 Nr. L 172 S. 18).

3Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. (ESUG – BT-Drucks. 19/4880).