Leitsatz
1. Stellt
sich nach Überlassung von Waren heraus, dass die Voraussetzungen
von § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht erfüllt sind, ist die Ermächtigungsgrundlage
für die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer Art. 101 Abs. 1, Art.
105 Abs. 4 und Abs. 3 UZK in ihren gemäß § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG
entsprechend anwendbaren Fassungen.
2. Die zollrechtlichen Vorschriften
dürfen auf die Einfuhrumsatzsteuer nur insoweit entsprechend angewendet
werden, wie dies nicht gegen die MwStSystRL oder anderes Unionsrecht
verstößt.
3. Kommen mehrere zollrechtliche
Vorschriften in Betracht, die entsprechend auf die Einfuhrumsatzsteuer
angewendet werden könnten, ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung
diejenige auszuwählen, die der Systematik des Mehrwertsteuerrechts
am besten entspricht.
4. Soweit das Unionsrecht für
eine richtlinienkonforme Auslegung keine Anhaltspunkte liefert,
muss diejenige Zollvorschrift entsprechend angewendet werden, die
zur "gleiche[n] technische[n] Erledigung" der Einfuhrumsatzsteuer
führt wie der Zoll.
5. Die MwStSystRL steht der
Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer nicht entgegen.
6. Die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer
folgt denselben Regeln wie die Nacherhebung von Zöllen, weil sich
die Geltendmachung und Einräumung der Steuerbefreiung gemäß § 5
Abs. 1 Nr. 3 UStG durch entsprechend anwendbare Vorschriften des
UZK abbilden lässt.
7. Der Verfahrenscodes 42 hat
einen umsatzsteuerrechtlichen Erklärungsgehalt.
8. Die Verwendung des Verfahrenscodes
42 ist ein Antrag i.S.v. Art. 22 UZK analog auf Befreiung von der
Einfuhrumsatzsteuer gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG.
9. Der Antrag auf Befreiung
von der Einfuhrumsatzsteuer wird durch eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche
Entscheidung gemäß Art. 22 und Art. 5 Nr. 39 UZK analog beschieden.
10. Die Zollbehörden sind für
die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer auch dann zuständig, wenn
die Nacherhebung darauf gestützt wird, dass die Voraussetzungen der
innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß §§ 6a, 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG
nicht erfüllt sind.
11. Eine Einfuhr i.S.v. Art.
30 Abs. 1 MwStSystRL und Art. 29 AEUV liegt jedenfalls dann vor, wenn
eine Ware zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen worden ist
und die Einfuhrabgaben gezahlt worden sind.
12. Die Befreiung von der Einfuhrmehrwertsteuer
gemäß Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 3
UStG ist davon abhängig, dass nach der Einfuhr tatsächlich eine
innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL bzw.
§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG durchgeführt wird.
13. Zu den Voraussetzungen
einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 6a Abs. 1 S. 1 Nr.
2 UStG gehört es, dass die Identität des Abnehmers feststeht.
14. Für die Steuerbefreiung
nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG muss die Lieferung von einem Schuldner
der Einfuhrumsatzsteuer bewirkt werden.
15. Es verstößt nicht gegen
Unionsrecht, dass ein zollrechtlicher Vertreter ohne Vertretungsmacht
gemäß §§ 13a Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 77 Abs. 3 S. 1,
Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 UZK analog Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer
wird.