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WP Praxis Nr. 3 vom Seite 91

Prüfung von Unternehmenserwerben im Rahmen der Abschlussprüfung

Aktuelle Entwicklungen, Risiken und Plausibilitätsprüfungen

Prof. Dr. Stefan Behringer

Goodwills haben in den Bilanzen von deutschen und internationalen Konzernen eine große Bedeutung erlangt. Abwertungen finden nach dem impairment approach der IFRS immer seltener statt. Nichtsdestoweniger sind Geschäfts- oder Firmenwerte in der Abschlussprüfung von großer Bedeutung. Es sind problematische Aktiva, da in ihnen nur Zukunftsaussichten gespiegelt sind. Sie eignen sich folglich auch für Bilanzmanipulationen, wie Skandale der jüngeren Vergangenheit belegen.

Willeke, Geschäfts- oder Firmenwert, Goodwill, infoCenter, NWB CAAAB-80073

Kernaussagen
  • Unternehmensübernahmen eignen sich für Bilanzmanipulationen, was die jüngste Vergangenheit (z. B. Olympus, Wirecard) eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Aber auch bei integren Unternehmen muss eine sorgfältige Prüfung stattfinden, da in dem Goodwill nur die Zukunftsaussichten bei der Unternehmensübernahme zum Ausdruck kommen.

  • Es ist auch bei der Erstbewertung nicht ausreichend, einfach den Kaufpreis zu übernehmen. Auch die für die Kaufpreisfindung verwendeten Bewertungsgutachten sind als alleinige Quelle ungeeignet, da sie einen anderen Zweck verfolgen.

  • Die Methode des Weighted Average Return on Assets (WARA) bietet eine relativ einfache Methode der Plausibilität der Wertansätze nach der Kaufpreisallokation. Aber auch hier gibt es keine festgefügte Regel, welche Werte verwendet werden können. Allerdings zeigen sich unplausible Werte schnell.

I. Einleitung

Unternehmenstransaktionen sind für Unternehmen nicht nur gängige Praxis, sie können – je nach Volumen in Relation zur vorherigen Geschäftstätigkeit – auch ein erwerbendes Unternehmen völlig verändern. Das verkaufte Unternehmen ändert sich i. d. R. auch durch den Eigentümerwechsel. Aus diesem Grund müssen Unternehmenserwerbe im Rahmen einer Abschlussprüfung sorgfältig geprüft werden. Dies zeigen auch aktuelle Ereignisse.

Im Zuge des Skandals und der letztlichen Insolvenz bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard AG zeigte sich auch, dass das Unternehmen erheblich in Akquisitionen investiert hatte, die nach jetzigem Stand überwiegend wenig werthaltig waren. Breit in der Öffentlichkeit wird die dubiose Übernahme eines indischen Unternehmens, der Great Indian Retail Gruppe, diskutiert. Das Unternehmen verkauft Bahntickets über Kioske in Indien. Wirecard zahlte dafür 315 Mio. € an einen auf Mauritius ansässigen Fonds. Nur wenige Wochen vorher hatte dieser Fonds das Unternehmen für 35 Mio. € von den Gründern erworben. Wie sich die dramatische Wertsteigerung in diesen wenigen Wochen ergeben konnte, bleibt bis jetzt unklar. Zwar gibt es unterschiedliche Wertvorstellungen je nach Käufer und seinen Plänen und Möglichkeiten. Allerdings sind Verzehnfachungen eines Wertes innerhalb weniger Tage kaum nachvollziehbar. Diese Transaktion wurde bereits 2018 von einem Journalisten kritisch hinterfragt. Der Abschlussprüfer hatte keine Beanstandungen an den geprüften Abschlüssen.

Ein zweiter Fall, bei dem Unternehmenserwerbe zur Vertuschung eines Bilanzskandals genutzt wurden, war der japanische Elektronikkonzern Olympus. Olympus hatte mit Wertpapieren in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erhebliche Verluste gemacht. Mit Einführung der fair-value-Bilanzierung in Japan hätten diese Verluste offengelegt werden müssen. Stattdessen verkaufte Olympus die Wertpapiere zum Buchwert an Fondsgesellschaften. Um die Fondsgesellschaften und die involvierten Berater für die Verlustübernahme zu entlohnen, wurden Unternehmen zu überhöhten Preisen übernommen. So wurde das britische Unternehmen Gyrus, das wie Olympus Endoskope herstellt, gekauft. Während diese Übernahme noch zum Produktportfolio passte, waren drei andere Unternehmen, die gekauft wurden, ohne Zusammenhang zum Kerngeschäft: Altis (ein S. 92Recyclingunternehmen, das aus Plastikmüll wieder Öl herstellte), Humalabo (ein Kosmetikhersteller für Gesichtspflege aus Shiitake-Pilzen) und News Chef (ein Hersteller für Mikrowellengeschirr insbesondere für lebende Tiere wie Hummer). Jedes dieser Unternehmen wurde für ca. 500 Mio. € erworben, obwohl keines bislang nennenswerte Umsätze erzielt hatte. Aufgedeckt wurde der Skandal durch den ersten europäischen CEO von Olympus Michael Woodford, der durch einen Artikel in dem japanischen Wirtschaftsmagazin Facta auf die Situation aufmerksam gemacht wurde. Allerdings hatte auch der Wirtschaftsprüfer des japanischen Konzerns im Jahr 2009 erste Fragen gestellt, die die Bilanzierung des Erwerbs von Gyrus infrage stellten. Olympus tauschte den Abschlussprüfer daraufhin aus. Der Folgeprüfer testierte die Abschlüsse der Jahre 2010 und 2011 uneingeschränkt.

Diese beiden Fallstudien zeigen eindrücklich, wie wichtig es für den Abschlussprüfer ist, sich mit Unternehmenserwerben auseinanderzusetzen. Im Folgenden werden Methoden gezeigt, wie Wirtschaftsprüfer aus den Abschlussdaten Erkenntnisse über die Ordnungsmäßigkeit des Unternehmenserwerbs gewinnen können.