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BBK Nr. 24 vom Seite 1190

Rückwirkung der Rechnungsberichtigung bei der Umsatzsteuer

BMF folgt (endlich) der Rechtsprechung von BFH und EuGH

Marion Fetzer und Patrick Hummer

[i]BMF, Schreiben v. 18.9.2020 - III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001 NWB UAAAH-58776 Mit lang ersehntem Schreiben vom hat das BMF seine aktuelle Auffassung zum Vorsteuerabzug ohne Rechnung sowie zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung bekannt gegeben, Die Aktualisierung berücksichtigt die zahlreiche neuere Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Prinzipiell bleibt es beim Grundsatz: Kein Vorsteuerabzug ohne Rechnung! Eine rückwirkende Berichtigung bestimmter Formfehler in Rechnungen wird aber nunmehr für den Vorsteuerabzug regelmäßig von der Finanzverwaltung akzeptiert.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Kriterien für den Vorsteuerabzug

1. Vorliegen einer Rechnung

Die [i]Vanheiden, Vorsteuerabzug, infoCenter NWB MAAAA-41725 Vorschrift des § 15 UStG ist die zentrale Rechtsnorm im Rahmen einer Netto-Allphasen-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Diese Vorsteuer ist dabei in dem Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum abzuziehen (§§ 16 Abs. 2, 18 UStG), in dem

  • die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt wurde und

  • dem Unternehmer die nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung mit gesondertem Steuerausweis vorliegt.

Ausgenommen von dieser Grundregel sind Anzahlungsrechnungen, die bereits dann zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.

[i]Eckert, Rechnung, Anforderungen, Kontierungslexikon NWB WAAAG-63601 Entscheidendes Kriterium für den Vorsteuerabzug ist somit der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung i. S. des § 14 UStG. Rechnung ist gem. § 14 Abs. 1 UStG jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, S. 1191gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Eine Rechnung muss dabei entsprechend § 14 Abs. 4 UStG die nachfolgenden Angaben enthalten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Name und Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers
2.
Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
3.
Ausstellungsdatum
4.
Fortlaufende Nummer (Rechnungsnummer)
5.
Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Umfang und Art der sonstigen Leistung
6.
Angabe des Zeitpunkts der Leistung
7.
Nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsseltes Entgelt
8.
Angabe der im Voraus vereinbarten Minderungen des Entgelts
9.
Steuersatz und Steuerbetrag oder Hinweis auf die Steuerbefreiung
10.
(In bestimmten Fällen) Hinweis auf die Aufbewahrungspflichten des Leistungsempfängers
11.
Angabe „Gutschrift“ (wenn die Rechnungsstellung im sog. Gutschriftsverfahren erfolgt)

Fehlt es an einer dieser Angaben oder sind Angaben unrichtig, so steht dem Unternehmer insoweit gerade kein Vorsteuerabzug zu, da er nicht im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist.

2. Rechnungsberichtigung

[i]Korrektur fehlender oder fehlerhafter AngabenHat nun ein Unternehmer aufgrund einer ihm vorliegenden Rechnung einen Vorsteuerabzug geltend gemacht und stellt sich im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung, einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung oder einer Umsatzsteuer-Nachschau heraus, dass die vorliegende Rechnung gerade nicht ordnungsgemäß i. S. des § 14 Abs. 4 UStG war, so kann eine fehlende oder eine fehlerhafte Angabe zunächst einmal berichtigt werden. Dies kann etwa dergestalt erfolgen, dass der leistende Unternehmer mit einem formlosen Schreiben, in dem auf die ursprünglich ausgestellte Rechnung verwiesen wird, die fehlende Angabe ergänzt bzw. eine fehlerhafte Angabe korrigiert. Somit bilden dann die ursprünglich ausgestellte Rechnung und das spätere Schreiben mit den ergänzenden Angaben eine Rechnung i. S. des UStG, denn entsprechend § 31 Abs. 1 Satz 1 UStDV kann eine Rechnung aus mehreren Dokumenten bestehen. Bei Vorliegen einer korrekten Rechnung steht dem Unternehmer sodann der entsprechende Vorsteuerabzug zu.

[i]Cremer, Erstattungszinsen, Kontierungslexikon NWB OAAAH-59805 In der Vergangenheit entbrannte aber häufig ein Streit darüber, ob die Vorlage einer berichtigten Rechnung nun Wirkung für die Vergangenheit entfaltet oder nicht. Rein wirtschaftlich ging es um die Frage der Verzinsung nach § 233a AO. Denn der leistende Unternehmer hat die Umsatzsteuer bei Lieferung bzw. sonstiger Leistung an das Finanzamt abzuführen. Wird nun eine zunächst fehlerhafte Rechnung erst einige Jahre später beispielsweise aufgrund einer Feststellung in einer Betriebsprüfung korrigiert, steht – wenn keine Rückwirkung greift – dem Leistungsempfänger eben auch erst bei Vorlage der korrigierten Rechnung der Vorsteuerabzug zu. Hat nun der Leistungsempfänger – trotz fehlerhafter Rechnung – zunächst die entsprechende Vorsteuer geltend gemacht, ist diese nach § 233a AO zu verzinsen; beim Leistungsempfänger fallen insofern Nachzahlungszinsen an.

Nun erläutert das BMF im lang ersehnten Schreiben vom ausführlich die Frage der Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen und zum entsprechenden Vorsteuerabzug.S. 1192

II.

[i]BMF, Schreiben v. 18.9.2020 - III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001 NWB UAAAH-58776 Nachdem der EuGH in verschiedenen Urteilen die Möglichkeit rückwirkender Rechnungsberichtigungen andeutete, hatte sich auch der BFH in mehreren Urteilen zu dieser Thematik geäußert. Nun hat das die ständige Rechtsprechung des EuGH und des BFH zusammengefasst und sich zur Frage der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung geäußert.

Zunächst stellt das BMF klar, dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung nicht möglich ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung bestehen zwei Möglichkeiten, den Vorsteuerabzug bei Vorliegen einer nicht ordnungsgemäßen Rechnung dennoch geltend machen zu können:

  1. der objektive Nachweis einzelner materieller Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug und

  2. die Rechnungskorrektur.

1. Objektiver Nachweis einzelner materieller Voraussetzungen

[i]Fietz/Körner, Rückwirkende Rechnungsberichtigung und Vorsteuerabzug ohne ordnungsgemäße Rechnung, NWB 46/2020 S. 3388 NWB GAAAH-63009 Der Unternehmer kann ausnahmsweise den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung geltend machen, die nicht alle formellen Voraussetzungen (i. S. des § 14 Abs. 4 UStG – siehe hierzu die Erläuterungen unter Abschnitt I) erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde (vgl. hierzu die näheren Ausführungen unter Abschnitt II.2). So kann der Unternehmer durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer tatsächlich Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht haben, die der Umsatzsteuer unterliegen und für die die Umsatzsteuer auch tatsächlich abgeführt wurde.