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Steuerliche Hinweise und Dispositionen zum Jahresende 2020 – Teil 5: Praxisrelevante Entscheidungen des BFH und EuGH
Orientierungen, Planungen und Gestaltungen (Teil 2)
Nachdem in Teil 1 der steuerlichen Hinweise und Dispositionen zum Jahresende 2020 in NWB 49/2020 S. 3622 ein Überblick über die bereits umgesetzten wie auch noch laufenden Steuergesetzgebungsverfahren gegeben und darüber hinaus wichtige steuerliche Änderungen und Rechtsentwicklungen zum Jahresende dargestellt wurden, die auch auf Vorgaben der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung zurückgehen, sowie Checklisten für Rechtsbehelfe, für verjährungshemmende Änderungsanträge vor dem Jahresende und eine Checkliste für zeitkritischen Handlungsbedarf zum Jahresende an die Hand gegeben wurden, erfolgt in Teil 2 eine Darstellung hervorzuhebender Verwaltungsanweisungen des Jahres 2020 sowie wesentlicher Judikate, die im laufenden Jahr ergangen sind. Den Abschluss macht das ABC zu gestaltungsrelevanten Sachverhalten.S. 3691
Die übrigen Teile dieses Aufsatzes finden Sie unter:
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V. Praxisrelevante Entscheidungen des BFH und EuGH
1. Grenzen der „Fußstapfentheorie“
Nach gefestigter Rechtsprechung sind der steuerliche Rest(buch)wert und die Abbruchkosten eines noch nutzbaren Gebäudes nicht sofort als Betriebsausgabe oder Werbungskosten absetzbar, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude innerhalb der letzten drei Jahre mit Abbruchabsicht erworben hat. Mit dem Urteil v. - III R 17/19 ( NWB RAAAH-59198) hat der BFH (für Viele überraschend) entschieden, dass dies auch gilt, wenn ein Betrieb unentgeltlich nach § 6 Abs. 3 EStG zum Buchwert übertragen wird, zum Betriebsvermögen seit langer Zeit ein Gebäude gehört und der Betriebsübernehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Absicht hat, das Gebäude abzubrechen (s. zum Urteil auch Strahl, NWB 40/2020 S. 2944). Der BFH lässt wissen, dass im Fall der vorweggenommenen Erbfolge das Buchwertfortführungsgebot nach § 6 Abs. 3 EStG keine umfassende Anwendung der sog. Fußstapfentheorie auslöst. Im Streitfall hatte der Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinem Sohn den Mitunternehmeranteil an einer Personengesellschaft und das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende bebaute Grundstück geschenkt. Das wirtschaftlich noch nicht verbrauchte Gebäude sollte vom Sohn durch einen Neubau ersetzt werden, was auch geschah. Der Restbuchwert und die Abbruchkosten sind als Herstellungskosten für den Neubau behandelt worden.
Das Urteil wirft einige Zweifelsfragen auf. Es dürfte auch anwendbar sein, wenn ein Einzelunternehmen mit zum Abbruch bestimmtem Gebäude unentgeltlich übertragen wird. Bei konsequenter Anwendung ist zu befürchten, dass die Grundsätze ebenso gelten, wenn ein zum Abbruch bestimmtes Gebäude zum Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft gehört, deren Anteile unentgeltlich übertragen worden sind, so dass der spätere Abbruch zu unterschiedlichen Konsequenzen bei den Alt- und Neugesellschaftern führt. Zu prüfen sein werden ferner Folgen des Verständnisses für andere Sachverhalte, für die die Fußstapfentheorie bedeutsam ist. Auf Erbschaften (also Fälle der Gesamtrechtsnachfolge) dürfte die Rechtsprechung indes nicht anwendbar sein. In betroffenen Fällen wird man bei anstehenden vorweggenommenen Erbfolgen prüfen, ob die Abbruchmaßnahmen noch vor der vorweggenommenen Erbfolge durchgeführt werden können und sollen.
2. Kein Vorabgewinn einer Komplementär-GmbH durch unentgeltliche Leistungen von Kommanditisten
Zu einer überraschenden Entscheidung ist der (BStBl 2020 II S. 641; s. zum Urteil auch Korn, NWB 37/2020 S. 2720) im Fall einer atypischen vertraglichen Gewinnverteilungsregelung bei einer typischen GmbH & Co. KG gelangt. Die nicht am Gewinn und Vermögen beteiligte Komplementär-GmbH erhielt für ihre Geschäftsführungsleistungen einschließlich einer Haftungsvergütung von 1.250 € vertraglich einen Vorabgewinn von jährlich 200.000 €. Die Geschäftsführungsleistungen wurden von den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern der Komplementär-GmbH erbracht, die gleichzeitig Kommanditisten waren. Für die Geschäftsführung erhielten die Kommanditisten keine Geschäftsführervergütung, weder von der GmbH noch von der KG (fortlaufende Zahlungen an die Kommanditisten der KG wurden als Entnahmen gebucht). Der BFH hat den vertraglich vereinbarten Vorabgewinn steuerlich nicht der Komplementär-GmbH zugerechnet, sondern den die Geschäftsführung ausübenden Kommanditisten, obwohl ihnen keine Vergütung zustand und sie über eine solche zu keinem Zeitpunkt verfügen konnten. Es wird die Entstehung eines Vorabgewinnanspruchs der Kommanditisten für ihre Tätigkeit im Dienst der KG fingiert, auf den sie verzichtet und damit eine verdeckte Einlage getätigt haben. S. 3692
Durch die ungewöhnliche vertragliche Gewinnverteilungsregelung sollte offenkundig eine Gewinnverlagerung auf die Komplementär-GmbH erreicht werden (Vorteil: Steuerbelastung mit nur 15 % Körperschaftsteuer statt der tariflichen Einkommensteuerbelastung bei den Kommanditisten von 42 %). Diesen Effekt wusste der BFH durch extensive Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu verhindern. Der BFH hält die das Erfordernis der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit berührende Beurteilung für vertretbar, obwohl – was der Senat einräumt – die angemessene Tätigkeitsvergütung der Komplementär-GmbH als Vorabgewinn anzuerkennen wäre, wenn die entgeltlos tätigen Geschäftsführer der KG nicht zugleich Mitunternehmer der KG wären. Weil eine verdeckte Einlage angenommen wird, ist eine zweifache Besteuerung bei den Kommanditisten nicht zu befürchten, denn die Einlage geht in das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG) ein und ermöglicht eine spätere steuerneutrale Gewinnausschüttung. An den Grundsatz, dass unentgeltliche Tätigkeiten von Gesellschaftern für „ihre“ Kapitalgesellschaft nicht zu fiktiven Einkünften führen (s. VII, Stichwort „Kapitalgesellschaften: Verzicht auf Leistungs- und Nutzungsentgelte“), rührt das Urteil des BFH nicht. – Die Sache wurde im Übrigen zurückverwiesen, weil im zweiten Rechtsgang geprüft werden muss, ob die Haftungsvergütung von 1.250 € angemessen ist.
3. Weitere Tätigkeit nach Praxisveräußerung
Ein Steuerberater veräußerte seine Praxis am je zur Hälfte an zwei Kollegen, die ihre erworbenen Miteigentumsanteile einer zu diesem Zweck gegründeten Partnerschaftsgesellschaft zur Nutzung überließen. An dieser Partnerschaftsgesellschaft wurde der Veräußerer zu Überleitungszwecken mit 1 % beteiligt. Er wurde aufgrund besonderer Vereinbarung vom außerdem entgeltlich als freier Mitarbeiter der Partnerschaftsgesellschaft (in deren Namen und für deren Rechnung) tätig. Ab nahm der Steuerpflichtige von einem häuslichen Arbeitszimmer aus eine geringfügige Beratungstätigkeit im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf. Die dabei erzielten Umsätze aus Leistungen für ehemalige Mandanten lagen deutlich unter 10 % des Gesamtumsatzes in den letzten drei Jahren vor der Praxisveräußerung. Das Finanzamt versagte die Tarifermäßigung nach § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 3 EStG, weil diese nach der Rechtsprechung eine Einstellung der bisherigen beruflichen Tätigkeit voraussetzt. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt, weil der Berater innerhalb von drei Jahren die berufliche Tätigkeit im bisherigen Bereich teilweise wieder aufgenommen habe. Es gelte zwar eine Bagatellgrenze von 10 %, die indes nicht greife, wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht nur Leistungen für frühere Mandanten erbracht, sondern neue Mandatsbeziehungen begründet werden. Im Streit über den vorläufigen Rechtsschutz gewährte der ( NWB BAAAH-43734), von folgender Rechtslage ausgehend, Aussetzung der Vollziehung: Die Tätigkeit als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers ist unschädlich. Die Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit in geringem Umfang (10 %-Grenze) ist ebenfalls unschädlich (auch wenn neue Mandate übernommen werden, die jedoch in die Geringfügigkeitsgrenze einzubeziehen sind). Im Übrigen ist die Wiederaufnahme einer eigenen Tätigkeit unschädlich, wenn eine gewisse Wartezeit eingehalten wird, die nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu bestimmen ist. Es besteht keine generelle obligatorische Wartezeit von mindestens drei Jahren.
Oft bleiben aus verschiedenen Gründen Freiberufler nach Praxisverkäufen noch beruflich tätig. Für diese Fälle schafft die Entscheidung des BFH – obwohl es nur um vorläufigen Rechtsschutz ging – Rechtssicherheit dazu, unter welchen Bedingungen die steuerlichen Veräußerungsgewinnprivilegien noch beansprucht werden können. Zur 10 %-Grenze weicht der BFH insoweit (mit der h. A. im Fachschrifttum) von der bisherigen Verwaltungsauffassung ab, indem er in diese Grenze auch Umsätze aus neu begründeten Geschäftsbeziehungen einbezieht. Inzwischen akzeptiert dies auch die Finanzverwaltung unter Hinweis auf den Beschluss des BFH (vgl. NWB OAAAH-52294; FinMin Schleswig-Holstein, Kurzinformation v. , DStR 2020 S. 1739). Ein Unsicherheitsfaktor bleibt die Frist, nach welcher ein Freiberufler seine Tätigkeit im bisherigen sachlichen und räumlichen Bereich wieder ohne Schaden für die Tarifermäßigung aufnehmen kann. Es wird dabei darauf ankommen, wie deutlich die Zäsur nach der Praxisveräußerung zunächst war und welche Entwicklungen zur Wiederaufnahme der Tätigkeit geführt haben. Letztlich geht es darum, ob im Veräußerungszeitpunkt alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (das sind vorrangig die Beziehungen zu den Mandanten, Patienten und Auftraggebern) übergegangen sind. Im Einzelfall S. 3693kann bei kurzfristiger Wiederaufnahme umfangreicher Tätigkeiten die Wahl der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft in Betracht kommen, die eine Abschirmwirkung entfaltet.