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NWB Nr. 46 vom Seite 3427

Das erbschaftsteuerlich begünstigte Wohnungsunternehmen

Sparmodell oder Rohrkrepierer?

Christian Saecker und Matthias Gelhaar

Es scheint, dass eine Ausnahmeregelung im Erbschaftsteuergesetz zum Geheimtipp in der Beratungspraxis avanciert ist. Die Rede ist vom sog. Wohnungsunternehmen. Ein vermögensverwaltend tätiges Gebilde, somit per se eigentlich nicht zu begünstigen, welches aber dennoch unter bestimmten Bedingungen eine erbschaft- oder schenkungsteuerliche Schonung in ggf. atemberaubendem Ausmaß erfährt. Die Praxis zeigt indes auch, dass das Gesetz in der Formulierung widersprüchlich ist, der Richtliniengeber mehr gewähren möchte als die rechtsprechende Gewalt meint gewähren zu können, und darüber hinaus jede Menge Auslegungsfragen zu klären sind. Denn viele Fälle der Praxis begehren die Anwendung dieser Begünstigungsregelung, ohne aber die Voraussetzungen erfüllt zu haben. Das Regelwerk wird im nachfolgenden Praxisleitfaden systematisch durchleuchtet.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Hintergrund

[i]Begriff „Wohnungsunternehmen“Der Begriff „Wohnungsunternehmen“ wird im ErbStG nicht gebraucht. Trotzdem ist er in aller Munde und suggeriert eine Begünstigung, die man auf jeden Fall „mitnehmen“ sollte. Der Teufel steckt aber im Detail und bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass S. 3428eine ganze Reihe an Voraussetzungen erfüllt sein muss. Für diesen Fall erfährt man eine Besserstellung, die mittlerweile selbst dem klassischen Betriebsvermögen in diesem Umfang vorenthalten wird.

II. Vom begünstigungsfähigen zum begünstigten Vermögen

[i]PrüfungsreihenfolgeUm in die erbschaftsteuerliche oder schenkungsteuerliche Betriebsvermögensvergünstigung zu gelangen, sind zwei Hürden zu nehmen: es muss im ersten Prüfschritt begünstigungsfähiges Vermögen gem. § 13b Abs. 1 ErbStG und im dann folgenden zweiten Prüfschritt begünstigtes Vermögen, also Vermögen, das nicht als Verwaltungsvermögen gem. § 13b Abs. 4 ErbStG anzusehen ist, vorliegen.

1. Prüfschritt: Begünstigungsfähiges Vermögen

[i]Höne, Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 ErbStG, selbst- rechnende Checkliste, NWB RAAAE-84761 Wie bei allen anderen betrieblichen Vermögen ist auch das Wohnungsunternehmen zuerst darauf zu untersuchen, ob begünstigungsfähiges Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG vorliegt. Reine Vermögensverwaltung wird an dieser Stelle des Regelwerks bereits ausgeschlossen, sofern sie in Form eines Einzelbetriebs oder in Form einer einfach konstruierten Personengesellschaft betrieben wird.

Beispiel 1:

Ein Wohnungsunternehmen in der Rechtsform einer GbR ist kein begünstigungsfähiges Vermögen, weil keine der in § 13b Abs. 1 ErbStG genannten Konstellationen vorliegt.

[i]Gewerbliche Prägung oder InfizierungVielmehr muss bei einem vermögensverwaltenden Unternehmen eine gewerbliche Prägung über die Rechtsformwahl erfolgen: Eine oder mehrere Kapitalgesellschaften sind persönlich haftende Gesellschafter und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, sind zur Geschäftsführung befugt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).

Begünstigt sind auch gewerblich infizierte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

Ein Wohnungsunternehmen, also ein Gebilde, das im (Betriebs-)Vermögen über zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke verfügt, hat üblicherweise die Rechtsform der gewerblich geprägten Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG) oder der kraft Rechtsform gewerblich tätigen GmbH (§ 8 KStG) gewählt, so dass § 13b Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 ErbStG erfüllt ist.

2. Prüfschritt: Verwaltungsvermögenstest

[i]Althof, NWB 28/2019 S. 2034Erst wenn die Hürde des § 13b Abs. 1 ErbStG genommen ist, ist die nächste Prüfung vorzunehmen: das nicht zu begünstigende Verwaltungsvermögen ist zu identifizieren. Nach der Gesetzesbegründung des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 können praktisch alle Gegenstände, die üblicherweise in Form der privaten Vermögensverwaltung gehalten werden (vermietete und verpachtete Grundstücke und Gebäude, Minderheitsbeteiligungen an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere) zu „gewillkürtem“ Betriebsvermögen erklärt und damit auch in Form eines Gewerbebetriebs gehalten werden. Solches Vermögen, welches der weitgehenden Renditeerzielung dient und in der Regel weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt, sollte von der Begünstigung ausgenommen sein (vgl. BT-Drucks. 16/7918 S. 35). Was genau Verwaltungsvermögen ist, ist in § 13b Abs. 4 ErbStG abschließend aufgezählt. Die Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift stehen dabei unabhängig nebeneinander.

Dabei sind nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich alle Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten Verwaltungsvermögen.S. 3429

Beispiel 2:

Die A-GmbH hat 500 eigene Wohnungen, die alle zur Wohnbenutzung vermietet sind. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb soll hier unstrittig vorliegen. Im Büro des Geschäftsführers befindet sich ein Bild von Picasso mit einem Wert von 1.000.000 €. Zudem verfügt die A-GmbH über Bargeldreserven in Höhe von 2.000.000 €. Schulden liegen nicht vor.

Die A-GmbH ist begünstigungsfähig nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Die Wohnungen sind über die Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG kein Verwaltungsvermögen, obwohl sie Dritten zur Nutzung überlassen sind. Das Bild ist Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG. Bei den Bargeldreserven handelt es sich um Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG), die ebenfalls in voller Höhe Verwaltungsvermögen darstellen. Der Finanzmittel-Sockelbetrag (15 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens) kann bei vermögensverwaltenden Betrieben nicht angesetzt werden (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 und 5 ErbStG).