Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses
Leitsatz
NV: Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre (Parallelentscheidung zu VI R 44/17 vom ).
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; EStG § 11 Abs. 1; GmbHG § 42a Abs. 2; GmbHG § 46 Nr. 1; AO § 42;
Instanzenzug: ,
Tatbestand
I.
1 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2009) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
2 Der Kläger war im Streitjahr zu 49 % Gesellschafter sowie Geschäftsführer der im Juni 1995 gegründeten A GmbH. Weiterer Anteilseigner mit 51 % und ebenfalls Geschäftsführer der A GmbH war der Bruder des Klägers, Herr B.
3 Mit Geschäftsführerverträgen vom gewährte die A GmbH dem Kläger sowie dem weiteren Geschäftsführer B neben dem monatlichen Festgehalt eine Tantieme. Diese war jeweils vom Jahresüberschuss der Handelsbilanz nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer zu berechnen und einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig.
4 Zum wurden in der Bilanz der A GmbH Tantiemen in Höhe von je 160.984 € passiviert. Die Bilanz wurde im Dezember des Streitjahres festgestellt.
5 Die Tantiemen wurden weder im Streitjahr noch in den Folgejahren ausgezahlt. Im Jahr 2011 wurden sie jeweils auf das Konto 1701 „sonstige Verbindlichkeiten“ umgebucht.
6 Im Streitjahr erlitt die A GmbH einen Verlust, der nach 2008 zurückgetragen wurde.
7 Ausweislich der Bilanzakten der A GmbH erfolgte bis 2014 keine —teilweise— den Gewinn erhöhende Auflösung der Tantieme-Verbindlichkeiten. Erträge aus der Auflösung von Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern waren in den Gewinn- und Verlustrechnungen der A GmbH bis 2014 nicht enthalten.
8 In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger einen Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von . € und wurden insoweit erklärungsgemäß veranlagt.
9 Im Jahr 2011 fand bei der A GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte u.a. fest, dass der Kläger im Streitjahr die Tantieme von der A GmbH nicht versteuert hatte.
10 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ daraufhin einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem er den Bruttoarbeitslohn des Klägers nunmehr inklusive der Tantieme auf . € erhöhte.
11 Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
12 Während des Klageverfahrens wurde der Einkommensteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen geändert. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger einen Ansatz der Tantieme in Höhe von 60.783 € begehrten, ab. Es war der Ansicht, der Kläger sei im Zeitpunkt der Gewährung der Tantieme zusammen mit dem weiteren Gesellschafter B beherrschend gewesen, so dass auch in seinem Fall die Grundsätze des Zuflusses bei Fälligkeit gelten würden.
13 Die Tantieme gälte als im Streitjahr 2009 zugeflossen. Zwar sei sie erst im Jahr 2010 fällig gewesen, da die Jahresabschlüsse erst im Dezember 2009 festgestellt worden seien. Der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer habe es indes in der Hand, den Zeitpunkt der vertragsgemäßen Fälligkeit einer Tantieme zu steuern und in einen anderen Veranlagungszeitraum zu verlagern, indem er den Jahresabschluss verspätet feststellen lasse. Eine fristgerechte Feststellung hätte im Streitfall zu einer Fälligkeit spätestens am geführt.
14 Für die Berechnung der Tantiemen seien die Verlustrückträge nicht zu berücksichtigen, da es vorliegend an einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung fehle. Zudem seien die Tantiemeverbindlichkeiten in den Folgejahren unverändert passiviert und eine Berücksichtigung der Verluste im Wege des Verlustrücktrags damit nicht vorgenommen worden.
15 Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
16 Sie beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid vom dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 160.984 € gemindert werden,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
17 Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Gründe
II.
18 A) Die Revision ist teilweise unzulässig. Die Revisionsbegründung genügt zwar noch den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Soweit die Kläger mit ihrem Revisionsbegehren über ihr Klagebegehren hinausgehen, ist die Revision jedoch unzulässig. Da die Revision im Übrigen zulässig ist, ist über sie einheitlich durch Urteil zu entscheiden (, BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55, Rz 10, m.w.N.).
19 1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass erkennbar sein muss, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (BFH-Beschlüsse vom - VII R 109/00, BFH/NV 2002, 1185, und vom - VII R 4/02, BFH/NV 2003, 328). Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (Senatsurteil vom - VI R 1/16, BFHE 258, 365, BStBl II 2017, 1073, Rz 22, m.w.N.). Aus der Revisionsbegründung muss erkennbar sein, welche Rechtsnorm der Revisionskläger für verletzt hält (, BFHE 101, 349, BStBl II 1971, 329, und vom - X R 24/06, BFH/NV 2008, 774).
20 2. Die Revisionsschrift genügt diesen Anforderungen noch. Aus der Revisionsbegründung ergibt sich mittelbar, welche Rechtsnormen —nämlich §§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 sowie § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes die Kläger für verletzt halten. Darüber hinaus haben sie sich auch noch in ausreichendem Maße mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt.
21 3. Soweit die Kläger im Revisionsverfahren sinngemäß beantragt haben, die Tantieme nicht nur —wie im Klageverfahren— auf den Betrag von 60.783 € zu mindern, sondern mangels Zufluss beim Kläger als nicht beherrschenden Gesellschafter gänzlich außer Ansatz zu lassen, ist die Revision mangels formeller Beschwer unzulässig (s. BFH-Urteil in BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55, Rz 14, m.w.N.). Denn eine Erweiterung des Antrags ist im Revisionsverfahren ausgeschlossen.
22 B) Die Revision der Kläger ist im Übrigen begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
23 1. Das FG ist zu Unrecht von einem Zufluss der Tantieme im Streitjahr ausgegangen. Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger trotz seiner formalen Beteiligung von 49 % aufgrund gleichgerichteter Interessen mit B tatsächlich als beherrschender Gesellschafter anzusehen sein sollte. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen im Urteil vom - VI R 44/17 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
24 Auch wenn danach eine Versteuerung der Tantieme des Klägers im Streitjahr nicht in Betracht kommt, ist diese vorliegend nur entsprechend dem von den Klägern verfolgten Klageantrag (Ansatz der Tantiemen der A GmbH mit 60.783 €) um 100.201 € zu mindern.
25 2. Auf die zwischen den Beteiligten ebenfalls streitige Frage, ob die Tantieme des Klägers aufgrund des Verlustrücktrags zu mindern ist, kommt es nicht an.
26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da die Kläger mit ihrer Klage obsiegen, sind die Kosten des Klageverfahrens dem FA aufzuerlegen. Da die Revision der Kläger aber nur teilweise Erfolg hat, sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens verhältnismäßig zu teilen. Insoweit ist eine Kostenentscheidung nach Verfahrensabschnitten sachgerecht. Auch diese wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 15). Die Unterliegensquote der Kläger beträgt im Revisionsverfahren 38 %.
27 4. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist daher das FG als Gericht des ersten Rechtszuges (vgl. Senatsurteil vom - VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848, m.w.N.)
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:U.280420.VIR45.17.0- 2 -
Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 1053 Nr. 11
HFR 2020 S. 885 Nr. 10
OAAAH-56876