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NWB-EV Nr. 9 vom Seite 298

Übertragung von Unternehmensvermögen

Chancen und Risiken in Zeiten von Covid-19

Dr. Astrid Eiling und Philipp J. Butler Ransohoff

Die Corona-Pandemie hat wirtschaftlich massive Umbrüche mit sich gebracht. In den letzten Monaten kam es für viele Unternehmen und Unternehmer zu massiven Mittelabflüssen. Die gerade im deutschen Mittelstand traditionell gut gefüllten „Kriegskassen“ sind, wenn nicht aufgebraucht, in vielen Fällen stark abgeschmolzen. Löhne, Mieten und Kredite waren und sind weiter zu bedienen. Selbst das viel gelobte Mittel der Kurzarbeit muss unternehmerseits vorfinanziert werden. Gleichzeitig nimmt der Staat Schulden in immensen Höhen auf. Die Wirtschaft soll „angekurbelt“ werden: Teils per Gießkanne, teils über spezifische Lenkungsmaßnahmen. Viele Unternehmer fragen sich heute, mit welchen Steuererhöhungen in der Zukunft gerechnet werden muss und ob die derzeitige Situation für Übertragungen an die nächste Generation oder auch an eine Stiftung genutzt werden kann und sollte.

Kernaussagen
  • Die im Mittelstand weit verbreitete Erwartung der Einführung von Steuererhöhungen und/oder neuen Steuern erscheint fiskalpolitisch als tatsächlich denkbares Szenario. Gestaltungen allein in Erwartung einer möglichen Vermögensteuer oder Vermögensabgabe anzustoßen, erscheint aber noch verfrüht, zumal weder das Ob noch die Ausgestaltung einer solchen Belastung absehbar sind.

  • Gerade in Branchen, die nicht mit dauerhaften Gewinnrückgängen oder gar Insolvenzen rechnen müssen, kann die schwierige wirtschaftliche Situation der letzten Monate durchaus eine Chance zur schenkungsteuerlich günstigen Übertragung von Vermögen an die nächste Generation oder auch eine Stiftung sein.

  • Wurden Anträge auf Kurzarbeit gestellt oder Corona-Kreditprogramme in Anspruch genommen, sollten diese Aspekte bei der Steuerplanung besonders bedacht werden.

I. Der übertragungswillige Unternehmer

Gerade in Krisenzeiten stellen sich für Unternehmensinhaber schwierige Fragen. Wirtschaftliche Umbrüche bedeuten vielfach Risiken, können jedoch auch Chancen darstellen. Krisenbedingte Gestaltungsmaßnahmen des Gesetzgebers sind zumeist ambivalent zu betrachten. Umfassende Hilfspakete wollen, möglichst schnell und breit angelegt, wieder refinanziert werden. Steuererhöhungen, oder jedenfalls der Abbau von Steuererleichterungen, können da ein probates Mittel darstellen.

Steht die Existenz des Unternehmens nicht unmittelbar auf dem Spiel, kann sich für den Unternehmenseigner die Frage stellen, ob die Übertragung von Vermögen auf eine (ausländische) Stiftung, die nächste Generation oder auch der eigene Wegzug sich gerade jetzt anbieten. Dafür kann zum einen die nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie verschärft geführte Diskussion der Einführung einer Vermögensteuer und des Abbaus von Steuerbegünstigungen sprechen (siehe unten II). Zum anderen mag, bedingt durch die Auswirkungen der Krise auf das eigene Unternehmen, eine Übertragung unter Gesichtspunkten der erb- und schenkungsteuerlichen Belastung zum jetzigen Zeitpunkt besonders günstig erscheinen (siehe unten V).

II. Potenzielle steuerliche Maßnahmen zum Ausgleich von Haushaltsdefiziten

Viele Unternehmer, die sich gerade mit dem Thema der Übertragung des Unternehmens oder Anteilen an Unternehmen auf die nächste Generation oder eine Stiftung befassen, treibt u. a. die Frage nach der zukünftigen steuerlichen Situation. Dabei besteht die Befürchtung, dass insbesondere Unternehmer – aufgrund der vorhandenen Wirtschaftskraft – zur Finanzierung der beispiellosen Wirtschaftshilfen in den letzten Monaten letztlich „zur Kasse gebeten“ werden.

1. Vermögensteuer

Dass die Vermögensteuer bzw. ihr kleiner Bruder, die (einmalige) Vermögensabgabe, nicht nur Hirngespinste, sondern politisch – über Parteigrenzen hinweg – aktiv diskutierte und gedachte Optionen sind, beweist bereits ein erst kürzlich S. 299veröffentlichtes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe. Das Gutachten verweist darauf, dass die Vermögensabgabe (als Option) in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG genannt wird. Schon deshalb sei sie „grundsätzlich“ verfassungsrechtlich zulässig. In der Literatur wird das freilich differenzierter gesehen.

Die Aufmachung des Gutachtens steht in unmittelbarem Zusammenhang zur Corona-bedingten Neuverschuldung des Bundeshaushalts. Die Diskussion der Vermögensteuer und Vermögensabgabe ist aber keine neue: Schon seit ihrer Abschaffung 1997 infolge eines bundesverfassungsgerichtlichen Beschlusses wird ihre „Wiederbelebung“ immer wieder gefordert. Zuletzt ist dazu 2014 von den damaligen Landesregierungen aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Baden-Württemberg (sämtlich getragen von SPD und Grünen) ein Gesetzentwurf als Diskussionspapier veröffentlicht worden (sogenanntes „Vermögensteuergesetz 2014“).

Erst jüngst – und noch völlig unabhängig von Corona – hat der SPD-Parteitag im Dezember 2019 ein neu aufgelegtes Vermögensteuerkonzept abgesegnet. Den Plänen zufolge waren Steuersätze von 1 %, 1,5 % und in der Spitze sogar 2 % vorgesehen.

Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer ist im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen durchaus denkbar und trotz des immensen Verwaltungsaufwandes, der mit einer solchen Steuer einhergeht, nicht gänzlich unwahrscheinlich. Politisch beliebt ist die Steuer – auch in Ansehung der vermeintlich besonders hohen Sozialverträglichkeit – allemal. Jedenfalls als flankierendes Element zu tatsächlich ertragsbringenden Steueranpassungen, wie einem „Corona-Soli“, der auch den Normalverdiener treffen könnte, erscheint die Einführung politisch wie rechtlich gut vorstellbar.