Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
NWB Nr. 31 vom Seite 2309

Umsatzsteuerliche Behandlung von Leasingverträgen als Lieferung oder sonstige Leistung

Neuregelung durch das

Dr. Martin Robisch und Stefan Greif

[i]BMF, Schreiben v. 18.3.2020, BStBl 2020 I S. 286Bei der Überlassung von Gegenständen im Leasingverfahren ist zu unterscheiden, ob die Verfügungsmacht an dem Leasinggegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer übergeht und damit eine Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1 UStG (Art. 14 MwStSystRL) gegeben ist oder ob die Verfügungsmacht beim Leasinggeber verbleibt und dieser damit eine sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9 UStG (unionsrechtlicher Begriff: Dienstleistung, s. Art. 24 MwStSystRL) erbringt. Eine zutreffende Abgrenzung beider Fälle ist wichtig, da sich deren umsatzsteuerliche Behandlung grundlegend unterscheidet: Während bei einer Lieferung sofort im Zeitpunkt der Lieferung Umsatzsteuer auf das gesamte Entgelt (d. h. die Summe der Leasingraten und ggf. Sonderzahlungen) anfällt und auch entsprechend in Rechnung gestellt werden muss, fällt bei einer sonstigen Leistung die Umsatzsteuer nur periodisch mit Zahlung der vereinbarten Leasingraten an. Und während sich bei einer sonstigen Leistung der Ort der Leistung in aller Regel nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt und bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens (Art. 196 MwStSystRL, in Deutschland gem. § 13b UStG) denkbar ist, richtet sich bei einer Lieferung der Leistungsort nach § 3 Abs. 6 ff. UStG und es können grenzüberschreitend steuerfreie Lieferungen erfolgen. Die jüngere Rechtsprechung des „Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd.“, BStBl 2020 II S. 179) hat das BMF veranlasst, die bisherigen Grundsätze, nach denen beide Fälle voneinander abzugrenzen sind, mit (BStBl 2020 I S. 286) in Abschnitt 3.5 Abs. 5 und 6 UStAE anzupassen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Bisherige Rechtslage

1. Allgemeines

[i]Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an dem LeasinggegenstandNach der bisherigen Regelung in Abschnitt 3.5 Abs. 5 UStAE und der Rechtsprechung des BFH (vgl. , BStBl 2006 II S. 727) stellt die Überlassung S. 2310eines Gegenstands im Wege des Leasings eine Lieferung dar, wenn der Leasingnehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt ist, wie ein Eigentümer über den Leasinggegenstand zu verfügen. Dies entspricht der Definition von „Verschaffung der Verfügungsmacht“ und damit auch der Definition einer Lieferung in § 3 Abs. 1 UStG. Maßgeblich ist also, wem das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 AO) an dem Leasinggegenstand zuzurechnen ist.

Nach bilanzieller Terminologie ist bei einem sog. Finanzierungsleasing der Leasinggegenstand in der Regel dem Leasingnehmer zuzurechnen. Beim Operating-Leasing bleibt hingegen der Leasinggeber wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts.

[i]Übergangsregelung zur Anwendung der neuen GrundsätzeDie Finanzverwaltung hat bislang zwischen der Überlassung von Gegenständen im Leasingverfahren und der Überlassung von Gegenständen außerhalb des Leasingverfahrens (z. B. Mietvertrag mit Kaufoption) unterschieden. Für vor dem abgeschlossene Verträge kann diese bisherige Abgrenzung laut Übergangsregelung im (BStBl 2020 I S. 286) auch beibehalten werden.

2. Anknüpfung an das Ertragsteuerrecht

[i]Verweis auf die ertragsteuerliche Zuordnung gemäß Leasing-ErlassenFür die Beurteilung der Überlassung von Gegenständen im Leasingverfahren war allein die Bezeichnung des Leasings als Finanzierungsleasing oder operatives Leasing nicht entscheidend. Dass dem Leasingnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft wird, war nach bisheriger Ansicht der Finanzverwaltung anzunehmen, wenn der Gegenstand dem Leasingnehmer aus ertragsteuerlicher Sicht zuzurechnen war. Damit wurde an die sog. Leasing-Erlasse angeknüpft und das Grundsatzurteil des (BStBl 1971 II S. 34).

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten akzeptierte die Finanzverwaltung aber auch eine abweichende Behandlung nach dem Recht des jeweils anderen EU-Mitgliedstaats, wenn dies der Vermeidung von Steuerausfällen oder einer Doppelbesteuerung diente.

Der bisherige [i]Prätzler in Küffner/Stöcker/ Zugmaier, UStG, § 3 Rz. 5 ff., NWB JAAAB-75358 Verweis auf die ertragsteuerliche Zuordnung des Leasinggegenstands war seit jeher kritisiert worden. Der umsatzsteuerliche Leistungsbegriff sei nicht anhand des nationalen Rechts, sondern richtlinienkonform auszulegen (vgl. Stadie, UStG, 3. Aufl. 2015, § 3 Rz. 37). Diese Kritik ist zunächst nachvollziehbar, denn schließlich hat der EuGH bereits in etlichen Urteilen dargelegt, dass das nationale Recht kein Maßstab für die Auslegung der autonomen umsatzsteuerlichen Begriffe wie „Lieferung“ ist (z. B. „Shipping And Forwarding Enterprise Safe“, Slg. 1990, I-285; v.  - Rs. C-455/05 „Velvet & Steel“, NWB SAAAC-44575).

[i]Mujkanovic, Leasing in Handels- und Steuerbilanz, Grundlagen, NWB AAAAE-68318 Ein weiteres unionsrechtliches Problem bestand darin, dass zwar auch der EuGH eine Differenzierung in Finanzierungsleasing und operatives Leasing vornimmt, hierzu aber in der Vergangenheit auf die Internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS) Bezug genommen hatte (vgl. „Eon Aset“, NWB JAAAE-03219). Der einschlägige IAS 17 ist jedoch nicht immer identisch mit den ertragsteuerlichen Leasinggrundsätzen in Deutschland. Allerdings hatte der EuGH in seinem Urteil zur Differenzierung maßgeblich an die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Gegenstands angeknüpft. Dies entsprach auch der Argumentation des BFH (z. B. , BStBl 2008 II S. 909). Daher war man bislang davon ausgegangen, dass der EuGH die Rechtsprechung des BFH im Kern bestätigt hatte. Die Anknüpfung an das Ertragsteuerrecht wurde akzeptiert, da die Aussagen des EuGH und BFH zu annähernd den gleichen Abgrenzungskriterien führen (vgl. Rau/Dürrwächter, UStG, 1997, § 3 Rz. 784; und Anm. Wäger zu EuGH-Urteil Eon Aset, UR 2012 S. 236).

In seiner neueren Rechtsprechung ( „Mercedes-Benz Financial Services“, BStBl 2020 II S. 179) hat sich der EuGH ohne S. 2311besonderen Hinweis auf eine nunmehr geänderte Rechtsprechung und nur mit einer Verweisung auf die Stellungnahme des Generalanwalts von seiner bisherigen Auffassung zur Bedeutung der IAS allerdings eindeutig verabschiedet (s. Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz. 97).