BGH Beschluss v. - XI ZR 516/18

Allgemeine Kreditbedingungen: Formularklausel im Verbraucherkreditvertrag über die Erhebung einer Bereitstellungsprovision

Gesetze: § 307 Abs 3 S 1 BGB, § 308 BGB, § 309 BGB, § 488 Abs 1 S 1 BGB, § 491 BGB, §§ 491ff BGB

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 17 U 12/18vorgehend LG Frankfurt Az: 2-12 O 121/17

Gründe

I.

1Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in Verbraucherdarlehensverträgen "gemäß §§ 491 ff. BGB als Immobiliardarlehensvertrag gemäß § 503 BGB" mit ausdrücklicher Abnahmeverpflichtung unter der Überschrift "Sonstige Kosten" folgende Klausel:

"Bereitstellungsprovision von 0,25% pro Monat auf den ab [einzufügendes Datum] nicht zur Auszahlung kommenden Betrag bis zur vollen Auszahlung, jeweils fällig mit den Zinsen."

2Nach Ansicht des Klägers ist diese Klausel inhaltlich unangemessen und deswegen unwirksam.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht, das den Streitwert für das Berufungsverfahren in der Gebührenstufe bis 22.000 € festgesetzt hat, nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.

II.

41. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt insgesamt 2.750 €.

5Das für die Festsetzung des Werts der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer maßgebliche Interesse der Prozesspartei in Verbandsprozessen bemisst sich gemäß §§ 1, 4 UKlaG in Verbraucherschutzangelegenheiten ausschließlich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der beanstandeten AGB-Bestimmung. Insbesondere kommt der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselwerks bzw. der betroffenen Klauseln ebenso wenig ein maßgebliches Gewicht zu wie dem Zugang zum Revisionsgericht oder etwaigen Gebühreninteressen beteiligter Prozessvertreter und des Justizfiskus. Dadurch ist sichergestellt, dass Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Kostenrisiken möglichst geschützt sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 3 und vom - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20 mwN; Senatsbeschluss vom - XI ZR 474/18, juris). Bei der Bewertung dieses allein maßgeblichen Allgemeininteresses hat sich in der Praxis - von der Rechtsprechung und Literatur einhellig gebilligt - ein Regelstreitwert von 2.500 € pro zu kontrollierender Klausel als angemessen herausgebildet, wovon unter Berücksichtigung einer gewissen Einschätzungsprärogative eines klagenden Verbraucherschutzverbands je nach den Besonderheiten des Einzelfalls nach oben oder nach unten abgewichen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom aaO und vom aaO Rn. 21, jeweils mwN; Senatsbeschluss vom aaO). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich. Soweit der Senat vereinzelt einen höheren Gegenstandswert festgesetzt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZR 298/90, NJW-RR 1991, 1074, vom - XI ZR 180/00, juris Rn. 3 und vom - XI ZR 405/12, ZIP 2014, 96 Rn. 6 f.), beruhte dies jeweils auf den besonderen Umständen der betreffenden Fallgestaltung.

6Gemessen hieran beträgt der Beschwerdewert für das Begehren des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, die Verwendung der streitgegenständlichen Klausel zu unterlassen, 2.500 €. Für das weitere Begehren, das gemäß § 7 UKlaG auf Bekanntmachung der Urteilsformel gerichtet ist, sind weitere 250 € anzusetzen (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 500/11, WM 2012, 2381 Rn. 59).

72. Im Übrigen besteht selbst dann, wenn man die mit der Revision geltend zu machende Beschwer mit mehr als 20.000 € bewertet, kein Grund, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zuzulassen. Denn das Berufungsgericht hat die klauselmäßige Vereinbarung einer Bereitstellungsprovision in Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur zu Recht nicht beanstandet (, WM 1978, 422 f., vom - III ZR 132/83, WM 1985, 10, 11 f. und vom - III ZR 184/84, WM 1986, 156; OLG Koblenz, ZIP 1983, 557, 558; OLG Hamm, WM 1987, 105, 106; KG Berlin, WM 2001, 2204, 2205; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom - 14 U 116/13, juris Rn. 4 ff.; OLG Hamm, ZIP 2020, 408, 410 ff.; Baum et al. in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 135; Becker/Dreyer, ZIP 2014, 2057, 2058 ff.; MünchKommBGB/Berger, 8. Aufl., § 488 Rn. 219; Fandrich in Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand November 2019, Teil "Klauselwerke" Darlehensvertrag Rn. 62 ff.; Staudinger/Freitag, BGB, Neubearb. 2015, § 488 Rn. 208; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., (8) Banken (Kreditinstitute) Rn. 48b; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 78 Rn. 127; Krüger in Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, 3. Aufl., § 16 B. Rn. 85; Mehringer, BuB, Stand Dezember 2013, Rn. 18/96b; Nobbe, WM 2008, 185, 191; BeckOK BGB/Rohe, 53. Edition, Stand: , § 488 Rn. 77; Erman/Saenger, BGB, 15. Aufl., § 488 Rn. 60; Samhat in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl., Kap. 14 Rn. 83 ff.; Schmidt in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., Klauseln D 29; Jauernig/Stadler, BGB, 17. Aufl., § 307 Rn. 11; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., Bank- und Börsenrecht Rn. IV 204). Die abweichende Einschätzung von Güngör (VuR 2013, 410, 415) ist vereinzelt geblieben und vermag eine klärungsbedürftige Unklarheit daher nicht zu begründen (vgl. , WM 2010, 936 Rn. 3; vgl. auch BVerfG, NJW 2009, 572 Rn. 19).

8Die Klausel ist als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB entzogen.

9a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen grundsätzlich weder bloß deklaratorische Klauseln noch solche, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen. Kontrollfähig sind aber Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen (, BGHZ 207, 176 Rn. 16, vom - XI ZR 9/15, BGHZ 212, 329 Rn. 22, vom - XI ZR 790/16, BGHZ 219, 35 Rn. 36, vom - XI ZR 768/17, BGHZ 222, 240 Rn. 23 und vom - XI ZR 7/19, WM 2019, 2161 Rn. 16), sowie Bestimmungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt ( vom und vom , jeweils aaO).

10Ob eine Klausel nach diesen Grundsätzen eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie Preisabrede enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln, die der Senat selbst vornehmen kann (vgl. , BGHZ 195, 298 Rn. 15 und vom - XI ZR 7/19, WM 2019, 2161 Rn. 17). Diese hat sich nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (, BGHZ 201, 168 Rn. 25 und vom - XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 Rn. 25).

11b) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht die Klausel zutreffend als Preisabrede qualifiziert. Denn sie bepreist eine von der Beklagten erbrachte Sonderleistung. Diese besteht in der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung, dem Darlehensnehmer den Nettodarlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen vereinbarten Zeitraum, die sogenannte Ziehungsperiode, auf Abruf bereit zu halten (vgl. , WM 1985, 10, 11 f. und vom - III ZR 184/84, WM 1986, 156; OLG Koblenz, ZIP 1983, 557, 558; KG Berlin, WM 2001, 2204, 2205; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom - 14 U 116/13, juris Rn. 6; OLG Hamm, ZIP 2020, 408, 411; OLG Stuttgart, WM 2020, 15 Rn. 24; Baum et al. in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 135; Becker/ Dreyer, ZIP 2014, 2057, 2059; MünchKommBGB/Berger, 8. Aufl., § 488 Rn. 219; Fandrich in Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand November 2019, Teil "Klauselwerke" Darlehensvertrag Rn. 62 ff.; Staudinger/Freitag, BGB, Neubearb. 2015, § 488 Rn. 208; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., (8) Banken (Kreditinstitute) Rn. 48b; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 78 Rn. 124; Krüger in Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, 3. Aufl., § 16 B. Rn. 85; Mehringer, BuB, Stand Dezember 2013, Rn. 18/96b; Nobbe, WM 2008, 185, 191; BeckOK BGB/Rohe, 53. Edition, Stand: , § 488 Rn. 77; Samhat in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl., Kap. 14 Rn. 84). Zu einer solchen Vorhaltung des Kapitals bis zum Abruf durch den Darlehensnehmer ist die Beklagte auf der Grundlage der von Gesetzes wegen bestehenden darlehensvertraglichen Pflichten aus § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verpflichtet. Ohne die angegriffene Klausel wäre die Beklagte vielmehr berechtigt, den Nettodarlehensbetrag gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort an den Darlehensnehmer auszuzahlen (vgl. , juris Rn. 31 aE; OLG Hamm, ZIP 2020, 408, 410; Becker/Dreyer aaO; Mehringer aaO; Nobbe aaO) und den für die Kapitalüberlassung geschuldeten Zins zu beanspruchen. Der Darlehensnehmer ist zur Abnahme der Darlehensvaluta - anders beim Überziehungskredit - verpflichtet (Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Aufl., § 488 Rn. 17). Die gesetzliche Ausgestaltung des Darlehensvertrags als Konsensualvertrag in § 488 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 252) rechtfertigt danach - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - keine Aufgabe der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (, WM 1978, 422 f., vom - III ZR 132/83, WM 1985, 10, 11 f. und vom - III ZR 184/84, WM 1986, 156).

12c) Die Klausel unterliegt entgegen der Meinung des Klägers auch nicht deswegen der ABG-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil sie das Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers nach § 320 BGB einschränken oder ausschließen würde (vgl. § 309 Nr. 2 Buchst. a BGB). Ein solcher Regelungsgehalt kann der Klausel nicht entnommen werden.

13Die Klausel enthält lediglich eine vertragliche Grundlage dafür, dass die Beklagte bezogen auf den (innerhalb der Ziehungsperiode) nicht zur Auszahlung kommenden Betrag vom Verbraucher eine Bereitstellungsprovision in Höhe von 0,25% pro Monat beanspruchen kann. Die Pflicht der Beklagten, den Nettodarlehensbetrag zur Auszahlung auf Abruf bereit zu halten, steht dabei zur Pflicht des Verbrauchers, die Bereitstellungsprovision zu zahlen, in einem synallagmatischen Verhältnis (vgl. MünchKommBGB/Berger, 8. Aufl., § 488 Rn. 219; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 78 Rn. 124; vgl. auch , juris Rn. 66). Für den Fall, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht nicht erfüllt, indem sie den Nettodarlehensbetrag nach Abruf durch den Verbraucher nicht bereitstellt, enthält die Klausel demgegenüber keine Regelung. Insoweit gelten mithin die Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts. Danach entfällt gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Bereitstellungsprovision, wenn nicht der Verbraucher für den Umstand der Nichtleistung der Beklagten gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB verantwortlich ist. Die Anwendung dieser allgemeinen Regelungen wird durch die Klausel genauso wenig abbedungen wie das Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers nach § 320 BGB.

143. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum .

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:240320BXIZR516.18.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2020 S. 1055 Nr. 17
WM 2020 S. 1204 Nr. 26
ZIP 2020 S. 1352 Nr. 28
DAAAH-53410