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BBK Nr. 12 vom Seite 573

Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs

Gestaltungshinweise zur Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG – Teil 1

Wolfgang Eggert

[i]Hänsch, Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG, Grundlagen NWB PAAAE-90361 § 6 Abs. 3 EStG regelt die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs und Mitunternehmeranteils. Diese an der Schnittstelle von Bilanzierung und Steuergestaltung für die Beratungspraxis äußerst wichtige Vorschrift soll in einer vierteiligen Beitragsreihe analysiert werden. Sehr hilfreich für den Berater ist, dass die Auffassungen des BMF und des BFH in großen Teilen übereinstimmen. Zum Auftakt erfolgt die Betrachtung der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Gesetzliche Regelung

Kürzt man die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG auf den notwendigen Inhalt, der für die unentgeltliche Übertragung eines vollständigen Einzelunternehmens relevant ist, ergibt sich folgende Fassung:

„Wird ein Betrieb... unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers... die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist...“.

Unter [i]Zwingende Buchwertfortführung der Voraussetzung, dass der Betrieb unentgeltlich übertragen wird (vgl. Abschnitt II.2), sind die Wirtschaftsgüter nach der Übertragung, also beim Übernehmer, unverändert mit den Buchwerten des Übertragenden anzusetzen. Die Formulierung „mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben“ verwendet der Gesetzgeber nämlich immer dann, wenn er den Buchwertansatz regelt. Voraussetzung für den Buchwertansatz ist zudem, dass die stillen Reserven unverändert besteuert werden können (vgl. Abschnitt II.4). Dann muss der Buchwert zwingend angesetzt werden.

II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen

1. Betrieb

[i]Anwendung bei GewinneinkünftenDie Übertragung eines Betriebs erfordert das Vorhandensein von Betriebsvermögen bei den Einkunftsarten Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständige Arbeit. Der Betrieb darf vor der Übertragung nicht aufgegeben worden sein, da ansonsten kein Betriebsvermögen mehr vorliegt.

Mit dem Begriff „Betrieb“ ist das sog. Einzelunternehmen gemeint; der Teilbetrieb und der Anteil eines Mitunternehmers sind aber im Gesetz ebenfalls genannt.S. 574

[i]Übertragung funktional wesentlicher WirtschaftsgüterDie Voraussetzung „Übertragung eines Betriebs“ ist nur gegeben, wenn alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus übertragen werden und der Betrieb beim Übergeber nicht mehr fortgeführt wird.

Hinweis:

Die [i]Abgrenzung zur Betriebsveräußerung/-aufgabe Übertragung von lediglich quantitativ, aber nicht zugleich auch funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern ist zur Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht erforderlich. Damit gilt eindeutig ein anderer Maßstab als bei Vorgängen nach § 16 EStG (Betriebsveräußerung oder -aufgabe). Bei dieser Vorschrift kommt nämlich eine funktional-quantitative Betrachtungsweise zur Anwendung.

Werden im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 EStG solche lediglich quantitativ wesentlichen Wirtschaftsgüter nicht unentgeltlich mitübertragen, sind diese zum Teilwert zu entnehmen, hindern aber nicht an der Buchwertübertragung des restlichen Betriebsvermögens.

Beispiel

Der [i]BeispielsfallEinzelunternehmer A betreibt in Ingolstadt ein Einzelhandelsgeschäft mit Fotoartikeln. Er überträgt dieses unentgeltlich auf seine Tochter B. Allerdings behält sich A ein zum Betriebsvermögen gehörendes Grundstück zurück.

a) Das Grundstück diente dem Betrieb des A unmittelbar durch die Bebauung mit dem Gebäude, in dem sich das Ladengeschäft befindet. A vermietet nach der unentgeltlichen Übertragung das Gebäude an seine Tochter B.

b) Das Grundstück wurde unbebaut erworben, um den Einzelhandel durch einen Großhandel zu erweitern. Es sollte mit einer Lager- und Versandhalle bebaut werden, wozu es jedoch aufgrund der Übertragung nicht mehr kam, da die Tochter ausschließlich einen Einzelhandel betreiben will. Die stillen Reserven im Grund und Boden sind erheblich.

Lösung

Im Fall a) wurden nicht alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter unentgeltlich auf B übertragen, da das Geschäftsgrundstück mit dem Einzelhandelsgebäude von A zurückbehalten wurde. Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG ist deshalb nicht möglich. Es kommt zu einer gewinnrealisierenden Aufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG. Eventuell kann A die Vergünstigungen des § 16 Abs. 4 und des § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch nehmen (abhängig von den dort genannten Voraussetzungen).

Im Fall b) wurde lediglich ein Wirtschaftsgut nicht mitübertragen, das zwar quantitativ, aber nicht funktional wesentlich ist. Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG kommt zur Anwendung, weil lediglich quantitativ wesentliche Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden müssen. Für das Grundstück ist allerdings bei A eine Entnahme zu versteuern. Dabei ist der Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG).

2. Unentgeltlichkeit

[i]Definition von UnentgeltlichkeitEin Betrieb wird unentgeltlich übertragen, wenn dies im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge, eines Erbfalls, einer Erbauseinandersetzung oder einer Schenkung erfolgt. Anders ausgedrückt, er wird immer dann unentgeltlich übertragen, wenn es überhaupt kein Entgelt gibt. S. 575

[i]Beurteilung nach der sog. EinheitstheorieIst ein Entgelt, das auch in der Übernahme von privaten Schulden des Übernehmers bestehen kann, vorhanden, kann aber dennoch eine unentgeltliche Übertragung vorliegen. Maßgeblich bei der Beurteilung ist die sog. Einheitstheorie. Danach gilt:

  • Entgelt ≤ Kapitalkonto: Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG.

  • Entgelt > Kapitalkonto: Veräußerungsgewinn.

Das relevante Kapitalkonto ist dasjenige der Steuerbilanz. Wurde nur eine Handelsbilanz erstellt, ist das steuerliche Kapitalkonto manuell durch eine Gegenüberstellung der abweichenden handels- und steuerbilanziellen Werte zu errechnen.