Sozialkassenverfahren - betrieblicher Geltungsbereich
Leitsatz
Die Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) richtet sich grundsätzlich danach, ob die Arbeitnehmer des Betriebs arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbringen. Auf den Charakter der vom Arbeitgeber oder von seinem gesetzlichen Vertreter erbrachten Leistungen ist ua. abzustellen, soweit die Arbeitnehmer damit im Zusammenhang stehende Arbeiten verrichten.
Gesetze: § 1 Abs 1 VTV-Bau 2009, § 1 Abs 1 VTV-Bau 2011, § 1 Abs 1 VTV-Bau 2012, § 1 Abs 1 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 1 Abs 1 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 1 Abs 2 Abschn 5 Nr 37 VTV-Bau 2009, § 1 Abs 2 Abschn 5 Nr 37 VTV-Bau 2011, § 1 Abs 2 Abschn 5 Nr 37 VTV-Bau 2012, § 1 Abs 2 Abschn 5 Nr 37 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 1 Abs 2 Abschn 5 Nr 37 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 1 Abs 3 S 1 Nr 2 VTV-Bau 2009, § 1 Abs 3 S 1 Nr 2 VTV-Bau 2011, § 1 Abs 3 S 1 Nr 2 VTV-Bau 2012, § 1 Abs 3 S 1 Nr 2 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 1 Abs 3 S 1 Nr 2 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 19 S 1 VTV-Bau 2009, § 19 S 1 VTV-Bau 2011, § 19 S 1 VTV-Bau 2012, § 21 Abs 1 S 1 VTV-Bau 2009, § 21 Abs 1 S 1 VTV-Bau 2011, § 21 Abs 1 S 1 VTV-Bau 2012, § 24 Abs 1 VTV-Bau 2009, § 24 Abs 1 VTV-Bau 2011, § 24 Abs 1 VTV-Bau 2012, § 24 Abs 4 VTV-Bau 2009, § 24 Abs 4 VTV-Bau 2011, § 24 Abs 4 VTV-Bau 2012, § 16 S 1 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 16 S 1 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 18 Abs 1 S 1 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 18 Abs 1 S 1 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 15 Abs 2 S 1 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 21 Abs 1 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 21 Abs 1 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 21 Abs 4 Teil 1 VTV-Bau 2013, § 21 Abs 4 Teil 2 VTV-Bau 2013, § 301 Abs 1 S 1 Alt 1 ZPO, § 260 ZPO, § 147 ZPO, § 7 SokaSiG, Anl 28 SokaSiG, Anl 29 SokaSiG, Anl 30 SokaSiG, Anl 31 SokaSiG, Anl 32 SokaSiG, § 138 Abs 2 ZPO, § 63 BauWiAusbV 1999, Anl 12 BauWiAusbV 1999, Art 9 Abs 3 GG, Art 20 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG
Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 6 Ca 1678/15 Teilurteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 12 Sa 421/17 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 1319/20 Nichtannahmebeschluss
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Er nimmt den Beklagten auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in der jeweiligen Fassung für den Zeitraum von 2011 bis 2015 auf Zahlung von Beiträgen in Anspruch. Der Senat hat die Allgemeinverbindlicherklärungen der Verfahrenstarifverträge der Jahre 2011 bis 2014 für unwirksam erklärt ( - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289; - 10 ABR 34/15 -; - 10 ABR 43/15 -). Am hat der Senat festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom (BAnz. AT B3) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom in der Fassung vom (VTV 2014) wirksam ist (- 10 ABR 62/16 - BAGE 162, 166). Der VTV 2014 trat am in Kraft.
3Der nicht originär tarifgebundene Beklagte unterhält im bayerischen W einen Gewerbebetrieb, in dem ua. Doppelböden (Hohlraumböden) einschließlich Lüftungsplatten und -kanälen sowie sog. Footprints in Doppelböden montiert werden.
4Vom bis zumindest war die Ehefrau des Beklagten als Bürokraft bei ihm angestellt. Im Zeitraum vom bis zum beschäftigte der Beklagte darüber hinaus einen gewerblichen Arbeitnehmer.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Betrieb des Beklagten unterfalle den Verfahrenstarifverträgen. Für den im Revisionsverfahren relevanten Zeitraum von 2011 bis 2014 schulde ihm der Beklagte daher rechnerisch unumstrittene Beiträge für eine Angestellte iHv. 3.324,00 Euro und für einen gewerblichen Arbeitnehmer iHv. 1.116,70 Euro. Als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge hat sich der Kläger erstmals im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht auf das SokaSiG berufen.
6Soweit für die Revision von Bedeutung, hat der Kläger beantragt,
7Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, in den Jahren 2011 und 2012 Doppelböden mit Unterkonstruktionen errichtet, Reparaturen durchgeführt und Platten ausgetauscht zu haben. Im Jahr 2013 habe er zusätzlich den Handel ua. mit IT-Schaltschränken aufgenommen. Seit Beginn des Jahres 2014 seien von seiner persönlichen Arbeitszeit 80 % auf den Handel, die Lieferung und die Montage von IT-Serverschränken, die Lieferung und Montage von Sonderlüftungsplatten und den Hausmeisterservice entfallen. Nur zu 20 % habe er Doppelböden montiert und repariert. Der gewerbliche Arbeitnehmer habe ausschließlich IT-Schaltschränke montiert. Die IT-Schaltschränke seien nicht selbst hergestellt und ohne wesentliche Änderungen eingebaut worden. Dies sei nur eine Serviceleistung im Zusammenhang mit dem Verkauf gewesen.
8Der Beklagte hat das SokaSiG für verfassungswidrig gehalten. Er hat gemeint, vor der Einstellung des gewerblichen Mitarbeiters habe ohnehin keine Beitragspflicht bestanden. Der Handel mit IT-Schaltschränken einschließlich deren Montage und weiterer Serviceleistungen, die der gewerbliche Arbeitnehmer ab September 2014 ausgeführt habe, seien keine baugewerblichen Tätigkeiten. Die Montagetätigkeit habe damit weniger als 50 % der Arbeitszeit des Beklagten ausgemacht. Die Ansprüche seien jedenfalls verfallen und verjährt.
9Der Kläger hat die Beitragsansprüche für den Zeitraum von 2011 bis 2015 in drei unter den Aktenzeichen - 6 Ca 1663/15 -, - 6 Ca 1678/15 - und - 6 Ca 627/16 - geführten Klagen geltend gemacht. Die Klagen in den beiden erstgenannten Verfahren hat das Arbeitsgericht jeweils durch Versäumnisurteil abgewiesen. Auf den Einspruch des Klägers hat das Arbeitsgericht diese beiden Verfahren und das Verfahren - 6 Ca 627/16 - miteinander zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Durch Teilurteil hat es über die - im Revisionsverfahren relevanten - Ansprüche iHv. 4.440,70 Euro für die Jahre 2011 bis 2014 entschieden und die Einsprüche insoweit zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel, dass die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.
Gründe
10Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Teilurteil des Arbeitsgerichts zu Recht aufgehoben und der Klage insoweit stattgegeben.
11I. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nach § 301 Abs. 1 ZPO lagen vor.
121. Das Revisionsgericht ist auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge gehalten, die Zulässigkeit der Entscheidung durch Teilurteil zu überprüfen ( - Rn. 19; - 4 AZR 361/11 - Rn. 15). Dies gilt auch dann, wenn das Teilurteil in erster Instanz ergangen und - wie hier - vom Berufungsgericht nicht beanstandet worden ist. Ein unter Verstoß gegen § 301 Abs. 1 ZPO ergangenes Teilurteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, der auch in der Revisionsinstanz nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. - Rn. 19 ff., BGHZ 189, 356).
132. Nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht die Entscheidung durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. § 301 Abs. 1 ZPO setzt die Teilbarkeit der Klageforderung voraus. Der Teil, über den entschieden wird, muss vom Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig sein, so dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht besteht ( - Rn. 13; - 10 AZR 780/16 - Rn. 20; - 3 AZR 874/11 - Rn. 11 mwN).
143. Danach konnte das Arbeitsgericht durch Teilurteil entscheiden.
15a) Der prozessuale Anspruch einer Klage der Sozialkasse auf Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer ist jeweils der auf der Grundlage des maßgeblichen VTV in einem Kalendermonat anfallende Sozialkassenbeitrag ( - Rn. 21; - 10 AZR 177/18 - Rn. 17). Der prozessuale Anspruch einer Klage der Sozialkasse auf Beiträge für Angestellte ist jeweils der auf der Grundlage des VTV für jeden einzelnen beschäftigten Angestellten in einem Kalendermonat anfallende Beitrag ( - Rn. 25). Beitragsansprüche für mehrere Kalendermonate gegen denselben Beklagten können nach § 260 ZPO in einer Klage verbunden werden. Wenn sie - wie im Streitfall - in einer Klage hätten geltend gemacht werden können, kommt eine Prozessverbindung nach § 147 ZPO in Betracht. Über die zur Endentscheidung reifen Ansprüche kann nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO durch Teilurteil entschieden werden.
16b) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht Entscheidungsreife allein hinsichtlich der Beitragsansprüche für die Jahre 2011 bis 2014 bejaht hat.
17aa) Ein Anspruch ist zur Endentscheidung reif, sobald das Gericht darüber zu befinden vermag, ob der Klage stattzugeben ist oder sie als unzulässig oder als unbegründet abgewiesen werden muss. Dies setzt voraus, dass der entscheidungserhebliche Tatsachenstoff hinreichend geklärt worden ist. Dafür müssen die zulässigen Beweise hinsichtlich der beweisbedürftigen Tatsachen vom Gericht erhoben und gewürdigt worden sein (Zöller/Feskorn 33. Aufl. § 300 Rn. 2; MüKoZPO/Musielak 5. Aufl. § 300 Rn. 2).
18bb) Das Arbeitsgericht durfte durch Teilurteil über die Beitragsansprüche für die Jahre 2011 bis 2014 entscheiden, weil sich die jeweils einschlägigen Verfahrenstarifverträge im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am nur auf originär tarifgebundene Arbeitgeber erstreckten.
19c) Bei Erlass des Teilurteils bestand nicht die Gefahr divergierender Entscheidungen im Hinblick auf die noch rechtshängigen Beitragsansprüche für das Jahr 2015.
20aa) Ein Teilurteil ist unzulässig, wenn nicht auszuschließen ist, dass es in demselben Rechtsstreit zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ist gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dazu reicht die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen aus, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Vor diesem Hintergrund darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn der weitere Verlauf des Prozesses die zu treffende Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren kann (st. Rspr., zB - Rn. 20; - 8 AZR 189/15 - Rn. 41 mwN, BAGE 159, 316).
21bb) Nach diesen Maßstäben durfte das Teilurteil im Streitfall erlassen werden. Für die Beitragspflicht nach den Verfahrenstarifverträgen kommt es grundsätzlich auf die tatsächlichen Umstände im jeweiligen Kalenderjahr an (vgl. - Rn. 18; - 10 AZR 959/13 - Rn. 43, BAGE 149, 84; - 10 AZR 483/00 - zu III 1 der Gründe, BAGE 98, 250). Sie sind daher nicht materiell-rechtlich miteinander verzahnt, so dass der weitere Verlauf des Prozesses über die Beitragspflichten für das Jahr 2015 die getroffene Entscheidung über die Beitragsansprüche der Jahre 2011 bis 2014 auch nicht berühren konnte.
22II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet gehalten und der Berufung des Klägers stattgegeben.
231. Der Kläger hat die Klage nicht geändert, indem er sich in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das SokaSiG als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge berufen hat. Er hat bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz an den Allgemeinverbindlicherklärungen als Geltungsgründen festgehalten. Im zweiten Rechtszug hat er sich auch auf das SokaSiG berufen. Es handelt sich um eine Anspruchskonkurrenz innerhalb desselben Streitgegenstands. Beitragsansprüche nach den Verfahrenstarifverträgen, für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 SokaSiG in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst ( - Rn. 26; - 10 AZR 549/18 - Rn. 14; - 10 AZR 498/17 - Rn. 27; - 10 AZR 559/17 - Rn. 12; - 10 AZR 318/17 - Rn. 15; - 10 AZR 121/18 - Rn. 18 ff., BAGE 164, 201).
242. Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob die weiteren vom Kläger herangezogenen Anspruchsgrundlagen - die materiell-rechtlichen Tarifverträge des Baugewerbes und ein aus seiner Sicht nachwirkender VTV - andere Streitgegenstände sind. Es handelte sich jedenfalls nicht um eine mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unvereinbare alternative Klagehäufung (vgl. - Rn. 27; - 10 AZR 499/17 - Rn. 40; - 6 AZR 437/17 - Rn. 18 mwN, BAGE 163, 205; - Rn. 8). Der Kläger hat eine Rangfolge der Anspruchsgrundlagen gebildet. Er hat sich zuletzt vorrangig auf das SokaSiG, vorsorglich auf die materiell-rechtlichen Tarifverträge und hilfsweise auf einen - vermeintlich - nachwirkenden Verfahrenstarifvertrag gestützt.
253. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Beiträge für die Jahre 2011 bis 2014 iHv. 4.440,70 Euro. Die Ansprüche ergeben sich aus § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 iVm. den Anlagen 28 bis 32 SokaSiG. Die Anlagen 28 bis 32 enthalten den vollständigen Text der Verfahrenstarifverträge (vgl. den Anlageband zum BGBl. I Nr. 29 vom S. 283 bis 350). Die in § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 SokaSiG angeordnete Geltungserstreckung der Verfahrenstarifverträge auf nicht Tarifgebundene ist aus Sicht des Senats verfassungsgemäß. Die Pflicht des Beklagten, Beiträge für eine Angestellte zu leisten, folgt für die Zeit vom 1. Januar bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 19 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 des VTV vom (VTV 2009), für die Zeit vom 1. Januar bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 19 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 des VTV vom idF vom (VTV 2011), für die Zeit vom 1. Januar bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 19 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 des VTV vom idF vom (VTV 2012), für die Zeit vom 1. Juli bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 16 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 des VTV vom (VTV 2013 I) und für die Zeit vom 1. Januar bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 16 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 des VTV vom idF vom (VTV 2013 II). Die Beitragspflicht für den gewerblichen Arbeitnehmer folgt für die Zeit vom 1. September bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 15 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 des VTV 2013 II. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht des Beklagten nach den inhaltlich deckungsgleichen Bestimmungen dieser Verfahrenstarifverträge sind erfüllt.
26a) Der Betrieb des Beklagten fällt in den Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge.
27aa) Der im bayerischen W gelegene Betrieb unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 der Verfahrenstarifverträge. Der persönliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 der Verfahrenstarifverträge eröffnet.
28bb) Der Betrieb wird vom betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge erfasst.
29(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wird ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge fallen. Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V der Verfahrenstarifverträge genannten Tätigkeiten versehen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus untersucht werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen ( - Rn. 31; - 10 AZR 549/18 - Rn. 19; - 10 AZR 498/17 - Rn. 30; - 10 AZR 559/17 - Rn. 15; - 10 AZR 318/17 - Rn. 18). Den eigentlichen baugewerblichen Tätigkeiten sind auch diejenigen Nebenarbeiten zuzurechnen, die zu einer sachgerechten Ausführung baulicher Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen ( - Rn. 44).
30(2) Ein Betrieb iSd. Verfahrenstarifverträge im Baugewerbe ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Mit Blick auf § 1 Abs. 3 der Verfahrenstarifverträge setzt ein Betrieb in diesem Sinn voraus, dass mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt wird ( - Rn. 35). Entsprechend stellen die Verfahrenstarifverträge in zahlreichen Vorschriften auf den Begriff des Arbeitgebers ab (vgl. etwa §§ 5, 6, 16, 18, 19 VTV 2009, VTV 2011 und VTV 2012; §§ 5, 6, 12, 15, 16 VTV 2013 I und VTV 2013 II).
31(3) Danach kommt es für die nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Satz 1 der Verfahrenstarifverträge erhebliche Frage, ob in einem Betrieb die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer an ( - Rn. 23 mwN; - 10 AZR 177/91 - zu II 1 der Gründe). Die vom Arbeitgeber oder von seinem gesetzlichen Vertreter aufgewendete Arbeitszeit spielt für die tarifliche Zuordnung eines Betriebs regelmäßig keine Rolle. Handelt es sich jedoch bei den von den Arbeitnehmern des Betriebs erbrachten Tätigkeiten um Zusammenhangstätigkeiten zu den vom Betriebsinhaber oder von seinem Vertreter selbst durchgeführten Arbeiten, ist für die Beurteilung, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen erbracht werden, auch auf diese Arbeiten abzustellen ( - zu II 2 der Gründe; vgl. auch - zu II 2 a bb der Gründe; - 10 AZR 980/93 - zu II 2 d der Gründe).
32(4) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 VTV zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen. Ist entsprechender Tatsachenvortrag gehalten, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Regelmäßig obliegt ihm die Last des substantiierten Bestreitens, weil der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substantiierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber im Rahmen des substantiierten Bestreitens entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört die Darlegung der zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten (st. Rspr., zB - Rn. 45; - 10 AZR 318/17 - Rn. 19 mwN).
33(5) Danach unterfällt der Betrieb des Beklagten dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Kläger genannten, im Betrieb des Beklagten ausgeführten Arbeiten baugewerbliche Tätigkeiten darstellen.
34(a) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass im Betrieb des Beklagten in den Jahren 2011 bis 2014 arbeitszeitlich überwiegend bauliche Arbeiten verrichtet wurden. Beim Einbau von Hohlraum- und Doppelböden einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen handelt es sich um Trocken- und Montagebauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 der Verfahrenstarifverträge (vgl. - zu II 2 b bb der Gründe). Gleiches gilt für den Einbau von sog. Footprints und Lüftungsplatten bzw. -kanälen in Doppelböden. Der Einbau von Fertigteilfußbodenkonstruktionen ist nach § 63 Nr. 7 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom (BGBl. I S. 1102) idF der Verordnung vom (BGBl. I S. 399, BauWiAusbV) Teil des Ausbildungsberufsbilds des Trockenbaumonteurs. Zu den zu erlernenden Kenntnissen und Fertigkeiten zählt nach § 63 Nr. 7 iVm. Anlage 12 Nr. 7 Buchst. f BauWiAusbV nicht nur, Hohlraum- und Doppelböden verschiedener Systeme einzubauen, sondern nach § 63 Nr. 7 iVm. Anlage 12 Nr. 7 Buchst. a BauWiAusbV auch, Aussparungen für unterschiedliche geometrische Formen herzustellen und einzubringen.
35(b) Diesem Vortrag ist der Beklagte weder erst- noch zweitinstanzlich in erheblicher Weise entgegengetreten.
36(aa) Der Einwand des Beklagten, er habe in der Zeit von Januar 2011 bis August 2014 keinen gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigt, verfängt nicht. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Verfahrenstarifverträge unterfallen auch Angestellte dem persönlichen Geltungsbereich. Zur Feststellung, ob die Ehefrau des Beklagten arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten ausgeführt hat, sind die vom Beklagten selbst erbrachten Leistungen heranzuziehen (vgl. - zu II 2 der Gründe). Dass die von seiner Ehefrau erledigten Büroarbeiten nicht unmittelbar und ausschließlich der Erbringung der von ihm ausgeführten baugewerblichen Leistungen, sondern einem anderen Zweck gedient hätten, hat der Beklagte nicht dargelegt. Damit handelt es sich bei den Bürotätigkeiten ebenfalls um bauliche Leistungen (vgl. - Rn. 12, BAGE 132, 283).
37(bb) Das Landesarbeitsgericht hat den Vortrag des Klägers, wonach der Beklagte in den Jahren 2011 und 2012 arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten ausgeführt habe, zu Recht als unstreitig angesehen. Der Beklagte hat diesen Vortrag nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, substantiiert bestritten.
38(cc) Für das Jahr 2013 hat der Beklagte lediglich geltend gemacht, dass zu den bisherigen Tätigkeiten der Vertrieb von IT-Schaltschränken hinzugekommen sei. Ein substantiiertes Bestreiten liegt darin nicht, da dieser Vortrag nicht den daraus von dem Beklagten gezogenen Schluss erlaubt, die Montagetätigkeit habe weniger als 50 % seiner Arbeitszeit ausgemacht. Dazu hätte es näherer Darlegungen zu den Zeitanteilen der einzelnen Tätigkeiten bedurft.
39(dd) Soweit der Beklagte eingewandt hat, in der Zeit vom 1. Januar bis zum hätten der Handel, die Lieferung und die Montage von IT-Schaltschränken, die Lieferung und Montage von Sonderlüftungsplatten sowie der Hausmeisterservice 80 % seiner persönlichen Arbeitszeit ausgemacht, liegt auch darin kein substantiiertes Bestreiten. Der Beklagte hat die auf die einzelnen Tätigkeiten jeweils entfallenden Arbeitszeitanteile nicht benannt. Da jedenfalls die Montage von Sonderlüftungsplatten eine baugewerbliche Tätigkeit darstellt, ist es nach seinem Vortrag nicht ausgeschlossen, dass sein Betrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge fällt.
40(ee) Kein substantiiertes Bestreiten liegt schließlich vor, soweit der Beklagte für die Zeit vom 1. September bis anführt, der gewerbliche Arbeitnehmer sei ausschließlich mit der Montage von IT-Schaltschränken beschäftigt gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dieser Einwand schließe nicht aus, dass es sich dabei um eine baugewerbliche Tätigkeit gehandelt habe. Der Beklagte hat die von dem gewerblichen Arbeitnehmer im Einzelnen vorgenommenen Tätigkeiten nicht konkret dargelegt. Daher kann auch nicht angenommen werden, dass diese Arbeiten isoliert und unabhängig von der Erstellung eines Bauwerks ausgeführt wurden (vgl. - Rn. 18; - 10 AZR 720/10 - Rn. 20).
41b) Dem Kläger stehen nach § 3 Abs. 3 Satz 1 der Verfahrenstarifverträge als Einzugsstelle sowohl seine als auch die Beiträge der anderen Sozialkassen zu.
42c) Die Ansprüche sind weder verfallen, noch steht ihnen die erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Verfall und Verjährung der Ansprüche richten sich nach § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VTV 2009, VTV 2011, VTV 2012 sowie § 21 Abs. 1 und Abs. 4 VTV 2013 I und VTV 2013 II. Die Verfall- und die Verjährungsfrist betragen danach vier Jahre; § 199 BGB findet Anwendung. Diese Verlängerung der Verjährungsfrist gegenüber § 195 BGB ist nach § 202 BGB wirksam ( - Rn. 46; - 10 AZR 959/13 - Rn. 49, BAGE 149, 84).
43aa) Der älteste Beitragsanspruch für Januar 2011 war nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2009 mit dem fällig, sodass die Verfall- und die Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres 2011 zu laufen begannen und am endeten. Durch die am erlassenen und dem Beklagten am zugestellten Mahnbescheide hat der Kläger mithin die Verfallfrist im Hinblick auf die Beitragsansprüche für die Jahre 2011 bis 2014 gewahrt.
44bb) Die Verjährung wurde durch die Zustellung der Mahnbescheide nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zur Begründung der Ansprüche als Geltungsgrund der Verfahrenstarifverträge zunächst die Allgemeinverbindlicherklärung und erst im Verlauf des Rechtsstreits das SokaSiG herangezogen hat. Bei den Beitragsansprüchen handelt es sich um denselben Streitgegenstand, unabhängig davon, ob die Verfahrenstarifverträge aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung oder nach § 7 SokaSiG zur Anwendung kommen ( - Rn. 37; - 10 AZR 318/17 - Rn. 46).
45d) Der Beklagte ist an die Verfahrenstarifverträge nach § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 iVm. den Anlagen 28 bis 32 SokaSiG gebunden. Das SokaSiG ist als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge nach Auffassung des Senats verfassungsgemäß ( - Rn. 71 ff.; - 10 AZR 399/18 - Rn. 28 ff.; - 10 AZR 400/18 - Rn. 28 ff.; - 10 AZR 476/18 - Rn. 46 ff.; - 10 AZR 567/17 - Rn. 49 ff.; - 10 AZR 38/18 - Rn. 15 ff.; - 10 AZR 177/18 - Rn. 55; - 10 AZR 562/18 - Rn. 20 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 84 ff.; - 10 AZR 550/18 - Rn. 23 ff.; - 10 AZR 498/17 - Rn. 39 ff.; - 10 AZR 499/17 - Rn. 81 ff.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 29 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 47 ff.; - 10 AZR 512/17 - Rn. 32 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 42 ff., BAGE 164, 201). Die Angriffe der Revision führen nicht zu einer anderen Beurteilung.
46aa) § 7 SokaSiG verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG ( - Rn. 75 ff.; - 10 AZR 399/18 - Rn. 34 ff.; - 10 AZR 400/18 - Rn. 34 ff.; - 10 AZR 476/18 - Rn. 54 ff.; - 10 AZR 567/17 - Rn. 50 ff.; - 10 AZR 38/18 - Rn. 21 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 85 ff.; - 10 AZR 498/17 - Rn. 41; - 10 AZR 559/17 - Rn. 30 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 45 ff., BAGE 164, 201).
47(1) Nach Auffassung des Senats verletzt das SokaSiG nicht die negative Koalitionsfreiheit. Soweit die gesetzliche Geltungserstreckung der Verfahrenstarifverträge einen mittelbaren Druck erzeugen sollte, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien zu werden, ist dieser Druck jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde ( - Rn. 35; - 10 AZR 400/18 - Rn. 35; - 10 AZR 476/18 - Rn. 55; - 10 AZR 567/17 - Rn. 51; - 10 AZR 38/18 - Rn. 22; - 10 AZR 562/18 - Rn. 21; - 10 AZR 559/17 - Rn. 34; - 10 AZR 318/17 - Rn. 48; - 10 AZR 121/18 - Rn. 52, BAGE 164, 201).
48(2) Ein etwaiger Eingriff in die Tarifautonomie durch die gesetzliche Geltungserstreckung ist jedenfalls im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie gerechtfertigt.
49(a) Das SokaSiG dient einem legitimen Zweck, weil es den Fortbestand der Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft sichern und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen soll. Das Gesetz ist geeignet, weil es jedenfalls förderlich ist, diese Ziele zu erreichen. Der Gesetzgeber verfügt über einen Einschätzungsspielraum für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer Regelung. Die Grenze liegt dort, wo sich deutlich erkennbar abzeichnet, dass eine Fehleinschätzung vorgelegen hat ( ua. - Rn. 159 mwN, BVerfGE 146, 71). Dahin gehende Anhaltspunkte sind nicht gegeben ( - Rn. 57; - 10 AZR 567/17 - Rn. 53 f.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 38).
50(b) Das SokaSiG ist ferner erforderlich. Die vom Gesetzgeber angestellten Erwägungen sind von seinem Einschätzungsspielraum gedeckt. Indem § 7 SokaSiG nicht nur Rückforderungsansprüche ausschließt, sondern auch den zukünftigen Beitragseinzug sicherstellt, kann dieser Zweck erreicht werden. Eine auf Rückforderungsansprüche beschränkte Regelung wäre zwar milder gewesen, aber nicht gleich wirksam ( - Rn. 77; - 10 AZR 399/18 - Rn. 37; - 10 AZR 400/18 - Rn. 37; - 10 AZR 476/18 - Rn. 59; - 10 AZR 567/17 - Rn. 55; - 10 AZR 38/18 - Rn. 24; - 10 AZR 559/17 - Rn. 39 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 48 ff.).
51(c) Die mit § 7 SokaSiG verbundenen Belastungen für nicht tarifgebundene Arbeitgeber hält der Senat angesichts der mit der Norm verfolgten Ziele für zumutbar ( - Rn. 77; - 10 AZR 399/18 - Rn. 37; - 10 AZR 400/18 - Rn. 37; - 10 AZR 476/18 - Rn. 61; - 10 AZR 567/17 - Rn. 56; - 10 AZR 38/18 - Rn. 24; - 10 AZR 549/18 - Rn. 87; - 10 AZR 559/17 - Rn. 43 mwN).
52bb) § 7 SokaSiG „annulliert“ nicht unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts unanfechtbares Recht gesetzt werden. Der Gesetzgeber hat dabei weder die Rechtsprechung des Senats „kassiert“, noch hat er „neues“ Recht geschaffen oder in die allein dem Bundesverfassungsgericht zukommende Kompetenz zur Aufhebung von Akten der Judikative eingegriffen. Vielmehr hat er lediglich eine aus formellen Gründen unwirksame Erstreckung der Normwirkung der Verfahrenstarifverträge durch eine wirksame - gesetzliche - Erstreckungsanordnung ersetzt, um auf diese Weise den weitreichenden Folgen der Beschlüsse des Senats vom (- 10 ABR 33/15 - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289) und vom (- 10 ABR 34/15 - und - 10 ABR 43/15 -) entgegenzuwirken ( - Rn. 81; - 10 AZR 399/18 - Rn. 38; - 10 AZR 400/18 - Rn. 38; - 10 AZR 476/18 - Rn. 65; - 10 AZR 567/17 - Rn. 65; - 10 AZR 38/18 - Rn. 25; - 10 AZR 549/18 - Rn. 89; - 10 AZR 499/17 - Rn. 95; - 10 AZR 121/18 - Rn. 92 ff., BAGE 164, 201).
53cc) § 7 SokaSiG verletzt nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ( - Rn. 78 ff.; - 10 AZR 399/18 - Rn. 39 ff.; - 10 AZR 400/18 - Rn. 39 ff.; - 10 AZR 476/18 - Rn. 66 ff.; - 10 AZR 567/17 - Rn. 60 ff.; - 10 AZR 38/18 - Rn. 26 ff.; - 10 AZR 562/18 - Rn. 23 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 90 ff.; - 10 AZR 499/17 - Rn. 90 ff.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 46 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 58 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 68 ff., BAGE 164, 201). Der gegenteiligen Auffassung des Beklagten stimmt der Senat nicht zu.
54(1) Ob der Sachverhalt einer der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen zugeordnet werden kann, ist nicht von Belang. Es kommt allein darauf an, ob die betroffene Personengruppe bei objektiver Betrachtung auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen konnte ( - Rn. 79; - 10 AZR 476/18 - Rn. 67; - 10 AZR 567/17 - Rn. 61; - 10 AZR 38/18 - Rn. 26; - 10 AZR 549/18 - Rn. 91; - 10 AZR 499/17 - Rn. 91; - 10 AZR 559/17 - Rn. 47 mwN). Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, ob die für die Darlegung des Quorums und deren Beurteilung verantwortlichen Beteiligten für sich Vertrauensschutz in Anspruch nehmen konnten. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Fehler der Exekutive nur dann durch die Legislative bereinigt werden dürfen, wenn die daran beteiligten Akteure keinen Vertrauensschutz genießen.
55(2) Bis zum bestand keine Grundlage für ein Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV idF der Anlagen 28 bis 32 des SokaSiG, auf die die Absätze 3 bis 7 des § 7 SokaSiG verweisen (vgl. - Rn. 77 ff., BAGE 164, 201). Es entsprach der weit überwiegenden Rechtsansicht, dass diese Fassungen des VTV wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden waren. Die von den in Anspruch genommenen Arbeitgebern gehegten Zweifel waren keine geeignete Grundlage für die Bildung von Vertrauen dahin, dass auf der Annahme der fehlenden Normwirkung der Verfahrenstarifverträge beruhenden Dispositionen nicht nachträglich die Grundlage entzogen werden würde ( - Rn. 69; - 10 AZR 567/17 - Rn. 63; - 10 AZR 562/18 - Rn. 25; - 10 AZR 549/18 - Rn. 92; - 10 AZR 498/17 - Rn. 46; - 10 AZR 559/17 - Rn. 49; - 10 AZR 121/18 - Rn. 79 ff., aaO). Ein schutzwürdiges Vertrauen der nicht tarifgebundenen Arbeitgeber in die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen ergibt sich auch nicht daraus, dass es ihnen - wie die Revision meint - „seitens der Tarifvertragsparteien bzw. der Exekutive nicht ermöglicht“, zumindest aber nachhaltig erschwert worden sei, das Erreichen des Quorums zu überprüfen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, inwieweit bei ihm durch die Kenntnis der Zahlen ein berechtigtes Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen entstanden sein könnte.
56(3) Mit Blick auf den von § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 SokaSiG erfassten Zeitraum konnte sich bei dem Beklagten aufgrund der Entscheidungen des Senats vom (- 10 ABR 33/15 - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289) und vom (- 10 ABR 34/15 - und - 10 ABR 43/15 -) kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, nicht zu Sozialkassenbeiträgen herangezogen zu werden. Vielmehr musste er nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 SokaSiG zurückbezogen wird, damit rechnen, dass die tariflichen Rechtsnormen durch Gesetz rückwirkend wieder auf nicht originär tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt werden würden. Der Gesetzgeber brauchte auf zwischenzeitlich dennoch getätigte gegenläufige Vermögensdispositionen keine Rücksicht zu nehmen (vgl. - Rn. 40; - 10 AZR 400/18 - Rn. 40; - 10 AZR 476/18 - Rn. 71; - 10 AZR 38/18 - Rn. 27; - 10 AZR 121/18 - Rn. 82 ff., BAGE 164, 201).
57(4) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er aufgrund der Entscheidungen des Senats vom und vom trotz der in der Folgezeit zu beobachtenden gesetzgeberischen Aktivitäten auf den Fortbestand des tariflosen Zustands vertraut hätte. Der Bildung von Vertrauen auf den Bestand dieser Rechtslage steht entgegen, dass die gesetzliche Wiederherstellung der Normerstreckung auf tariffreie Arbeitgeber bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidungsformel der Beschlüsse vom im Bundesanzeiger absehbar war ( - Rn. 42; - 10 AZR 400/18 - Rn. 42; - 10 AZR 476/18 - Rn. 73; - 10 AZR 38/18 - Rn. 29; - 10 AZR 562/18 - Rn. 27; - 10 AZR 318/17 - Rn. 62; - 10 AZR 121/18 - Rn. 82 ff. mwN, BAGE 164, 201). Nach der Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Deutschen Bundestag war ein - etwa - entstandenes Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage jedenfalls wieder zerstört ( - Rn. 151, BVerfGE 148, 217; - Rn. 42; - 10 AZR 400/18 - Rn. 42; - 10 AZR 476/18 - Rn. 73; - 10 AZR 38/18 - Rn. 29; - 10 AZR 121/18 - Rn. 90, aaO).
58(5) Mit dem SokaSiG hat der Gesetzgeber die in den Entscheidungen vom (- 10 ABR 33/15 - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289) und vom (- 10 ABR 34/15 - und - 10 ABR 43/15 -) festgestellten formellen Mängel geheilt ( - Rn. 68; - 10 AZR 567/17 - Rn. 62; - 10 AZR 498/17 - Rn. 45; - 10 AZR 559/17 - Rn. 48; - 10 AZR 121/18 - Rn. 94 ff.; BAGE 164, 201). Die Ausführungen der Revision veranlassen nicht zu einer anderen Bewertung.
59III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO
601. Der Senat hat eine Kostenentscheidung sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das Revisionsverfahren zu treffen. Die Kosten sind dem unterliegenden Beklagten aufzuerlegen. Das Landesarbeitsgericht konnte zwar die Entscheidung über die Kosten erster Instanz dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts überlassen. Es hätte jedoch über die Kosten der Berufungsinstanz befinden müssen, nachdem es über die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Teilurteil abschließend entschieden hatte ( - zu 6 d der Gründe, BAGE 11, 346; vgl. auch - 2 AZR 371/11 - Rn. 52, BAGE 144, 47). Die Kosten sind nach § 91 Abs. 1 ZPO dem in zweiter Instanz unterliegenden Beklagten aufzuerlegen. Die Kosten der erfolglosen Revision fallen dem Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
612. Die Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nach § 308 Abs. 2 ZPO auch ohne entsprechende Anträge der Parteien und unabhängig davon, dass der Kläger keine Revision eingelegt hat, abändern. Ist das Rechtsmittelgericht zu der Entscheidung über ein zulässiges Rechtsmittel befugt, hat es über die Kosten von Amts wegen und ohne entsprechende Parteianträge zu entscheiden. Dabei besteht auch die Möglichkeit einer - vom Rechtsmittelkläger aus gesehen - verschlechternden Abänderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ( - Rn. 68; - 10 AZR 559/17 - Rn. 58 mwN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:220120.U.10AZR387.18.0
Fundstelle(n):
BB 2020 S. 1203 Nr. 21
JAAAH-47732