BGH Beschluss v. - VII ZB 38/19

Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung durch Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle

Leitsatz

Durch die Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle kann der Gläubiger den Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO führen, wenn sich daraus ergibt, dass eine solche Forderung zur Tabelle festgestellt und vom Schuldner nicht bestritten worden ist (Anschluss an BGH, Bes. v. - VII ZB 91/17, NJW 2019, 3237).

Gesetze: § 850f Abs 2 ZPO, § 174 Abs 2 InsO, § 175 Abs 2 InsO, § 201 InsO, § 302 Nr 1 InsO

Instanzenzug: LG Hildesheim Az: 1 T 42/19 Beschlussvorgehend AG Hildesheim Az: 23a M 716/19

Gründe

I.

1Der Gläubiger hat bei dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Hildesheim den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem angebliche Forderungen des Schuldners gegen dessen Arbeitgeber ge-pfändet werden sollen, unter Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850f Abs. 2 ZPO beantragt.

2Zum Nachweis dafür, dass bezüglich der Hauptforderung die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben werde, hat der Gläubiger einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle betreffend das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners vor dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - Hildesheim zu dem Aktenzeichen 53 IK 168/13 vorgelegt. Darin heißt es zum Grund der Forderung:

"Forderung aus Schadenersatz [sic] aus Verkehrsunfall gem. Rechnungs-Nr.: R/S/KU/208.925 v. sowie It. Schreiben vom - Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung".

3Ferner ist unter "Berichtigungen/Bemerkungen" festgehalten:

"Angemeldet aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Der Tatsache, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zu Grunde liegt, wurde nicht widersprochen."

4Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Hildesheim den "Antrag des Gläubigers vom auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 850f Abs. 2 ZPO" insgesamt zurückgewiesen.

5Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich der Gläubiger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter Änderung des unpfändbaren Betrags gemäß § 850f Abs. 2 ZPO nicht abgelehnt werden.

71. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in ZVI 2019, 458 veröffentlicht ist, hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der vorgelegte Auszug aus der Insolvenztabelle genüge für den Nachweis, dass der Gläubiger wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung die Zwangsvollstreckung betreibe, nicht. Der Bundesgerichtshof habe bereits entschieden, dass ein solcher Nachweis durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheids nicht erbracht werden könne (, NJW 2005, 1663, juris Rn. 10).

8Dementsprechend scheide auch der Nachweis durch einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle aus. Auch im Rahmen der Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle finde eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung oder gar eine materiell-rechtliche Prüfung der angemeldeten Forderung und damit des Schuldgrunds der angemeldeten Forderung nicht statt.

92. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

10a) Wie der Bundesgerichtshof bereits - kurz vor Erlass des angefochtenen Beschlusses des Beschwerdegerichts - mit Beschluss vom - VII ZB 91/17 Rn. 6 ff., NJW 2019, 3237, entschieden hat, kann der Gläubiger durch die Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle den Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO führen, wenn sich daraus ergibt, dass eine solche Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt und vom Schuldner nicht bestritten worden ist. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof aus den in dem genannten Beschluss aufgeführten Gründen fest.

11b) Ein solcher Fall liegt hier nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen vor.

123. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Er macht entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, zugleich auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das über den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter Änderung des unpfändbaren Betrags gemäß § 850f Abs. 2 ZPO neu zu befinden haben wird, § 577 Abs. 4 Satz 1, § 572 Abs. 3 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:110320BVIIZB38.19.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 9 Nr. 18
WM 2020 S. 750 Nr. 16
ZIP 2020 S. 826 Nr. 17
SAAAH-46034