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NWB-EV Nr. 4 vom Seite 115

Testamentsgestaltung zugunsten überschuldeter Kinder

Unterschiedliche Gestaltungsansätze sowie ihre Vor- und Nachteile

Dr. Eckhard Wälzholz

Die Gestaltung von Testamenten zugunsten überschuldeter Personen ist eine der komplexesten Gestaltungsaufgaben. Dies beruht auf der Unsicherheit der weiteren Entwicklung, insbesondere ob der Erbfall vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eintritt, während des laufenden Insolvenzverfahrens, nach dessen Abschluss aber vor Erteilung der Restschuldbefreiung oder gar nach vollständiger Erteilung der Restschuldbefreiung. Im Hinblick auf diese Unsicherheiten muss die Testamentsgestaltung nach Möglichkeit alle unterschiedlichen Varianten berücksichtigen. Entscheidend ist dabei einerseits, den Zugriff der Gläubiger des Erben auszuschließen, andererseits aber die Restschuldbefreiung nicht durch Obliegenheitsverstöße gegen § 295 InsO zu gefährden. Der folgende Beitrag schildert die unterschiedlichen Gestaltungsansätze mit ihren Vor- und Nachteilen sowie begleitende Gestaltungsüberlegungen.

Kernaussagen
  • Bei der Gestaltung von Testamenten zugunsten überschuldeter Personen bestehen typischerweise zwei Hauptzielrichtungen, nämlich einerseits den Zugriff der Gläubiger zu verhindern und andererseits der nahestehenden Person gleichwohl Vermögen zukommen zu lassen.

  • Der eine Aspekt besteht in der Vermeidung der Entstehung des Pflichtteilsanspruchs bzw. in der Verhinderung von dessen Verwertung. Der zweite Aspekt besteht darin, einerseits nicht pfändbare Rechtspositionen der begünstigten Person zukommen zu lassen, wie beispielsweise ein höchstpersönliches Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB.

  • Für die Zeit nach Eintritt der Restschuldbefreiung und Beseitigung erdrückender Schulden, können dem Begünstigten durch eine Auflage beliebige Vermögenswerte zugewandt werden. Durch Anordnung von Testamentsvollstreckung kann sichergestellt werden, dass diese Auflage auch tatsächlich erfüllt wird, obwohl der Begünstigte nicht selbst einen Anspruch auf die durch Auflage zugewandten Wirtschaftsgüter hat.

I. Vielzahl unterschiedlicher Zielvorstellungen

Der Testierende, der einen überschuldeten nahen Angehörigen hat, steht bei der Testamentsgestaltung meist vor einer Vielzahl unterschiedlicher Zielvorstellungen, die er durch ein und dasselbe Testament realisieren möchte. Einfach ist die Konstellation, wenn der Erblasser aus Anlass des Vermögensverfalls das Kind „abschreibt“ und nur noch das Ziel verfolgt, diesem Kind so wenig wie möglich zukommen zu lassen. In diesem Fall wäre die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 BGB eine mögliche Alternative (siehe dazu Baumann, ZEV 1996 S. 121; Heine, DNotZ 1917 S. 467; Kuhn, ZEV 2011 S. 288; Keller, NotBZ 2000 S. 253; Worm, RNotZ 2003 S. 535; Enzensberger/Klinger, NJW-Spezial 2006 S. 397). Diese ist in ihren Voraussetzungen (siehe , NWB JAAAD-81696) und Rechtsfolgen jedoch so starr und unflexibel, dass diese Gestaltungsvariante häufig ausscheidet (zu einem Formulierungsvorschlag siehe Najdecki in Beck'sches Formularbuch Bürgerliches-, Handels- und Wirtschaftsrecht, Hoffmann-Becking/Gebele, Hrsg., 13. Aufl. 2019, Formular VI.5).

Noch effizienter wäre der schlichte Pflichtteilsverzicht mit dem überschuldeten Kind. In der Folge kann der Erblasser dieses Kind enterben und sein gesamtes Vermögen auf die übrigen nahen Angehörigen verteilen. Im Regelfall wird ein solcher Pflichtteilsverzichtsvertrag weder als sittenwidrig einzustufen sein, noch einen Verstoß gegen die insolvenzrechtlichen Wohlverhaltenspflichten nach § 295 InsO darstellen (siehe zur Problematik der Sittenwidrigkeit eines solchen Pflichtteilsverzichts im Angesichte der Insolvenz Wegerhoff in Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 2346 Rz. 6 f.; , ZEV 2011 S. 258 mit Anm. Zimmer – zum behinderten Sozialleistungsbezieher; , MittBayNot 2010 S. 52 mit Anm. Menzel – Verzicht auf Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhaltensphase kein Verstoß).

Schwieriger ist jedoch die Situation, wenn das emotionale Band zwischen Erblasser und überschuldetem Kind fortbesteht, insbesondere wenn die Insolvenz unverschuldet eingetretenS. 116 ist und der Erblasser einerseits das Ziel verfolgt, möglichst wenig den Gläubigern zukommen zu lassen und andererseits das Kind dennoch möglichst am Nachlass teilhaben zu lassen.

II. Erbeinsetzung des überschuldeten Kindes

Der Erblasser kann die überschuldete nahestehende Person zum unbeschränkten Allein- oder Miterben einsetzen. Hierdurch ist noch keinerlei Schaden entstanden. Sollte im Todeszeitpunkt bereits Restschuldbefreiung erteilt worden sein, so kann der begünstigte nahe Angehörige das Erbe oder das Vermächtnis annehmen, ohne durch Drittgläubiger gefährdet zu sein. Steht hingegen das Insolvenzverfahren noch bevor, läuft es noch oder läuft noch die Wohlverhaltensphase vor Restschuldbefreiung, so liegt die Entscheidung über Annahme der Erbschaft oder Ausschlagung der Erbschaft stets in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des begünstigten Angehörigen (Kiesgen, RNotZ 2018 S. 429, 435 f.; Holzer, NZI 2019 S. 441; Walter, ZEV 2008 S. 319 ff.). Dies stellt § 83 Abs. 1 InsO ausdrücklich klar.