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StuB Nr. 5 vom Seite 169

Formelle Maßgeblichkeit bei Rückstellungen nach Inkrafttreten des BilMoG

Zugleich Anmerkungen zum

Prof. Dr. Franz Jürgen Marx

Nach langem Warten hat die Entscheidung des XI. Senats des BFH eine zentrale, bislang offene Frage der steuerlichen Rückstellungsbewertung beantwortet, die das Verhältnis zur handelsrechtlichen Bilanzierung betrifft. Das Ergebnis fällt für die Unternehmen ernüchternd aus und bedeutet eine fiskalische Meistbegünstigung. Danach bildet der handelsbilanzielle Wertansatz für eine Rückstellung auch nach Inkrafttreten des BilMoG gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die maßgebende Obergrenze. Im Regelfall führen die restriktiven Bewertungsnormen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu einem im Vergleich zur Handelsbilanz niedrigeren Wertansatz. Es gibt allerdings auch verschiedene Konstellationen, in denen der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag den steuerrechtlichen Bilanzwert unterschreitet und damit das Problem des Urteilsfalls auftritt. Das ist auch Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens IV R 24/19 zur Frage der Maßgeblichkeit des Beibehaltungswahlrechts nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB für die steuerrechtliche Gewinnermittlung. Es ist damit zu rechnen, dass sich der IV. Senat der Auffassung des XI. Senats anschließen wird.

Kernfragen
  • Was gilt nach dem XI. Senat zum handelsrechtlichen Rückstellungswert nach Inkrafttreten des BilMoG?

  • Wie ist die Entscheidung des BFH zu bewerten?

  • Welche Konsequenzen ergeben sich für die Bilanzierungspraxis?

I. Vorbemerkungen

[i]Marx, Maßgeblichkeit des Handelsbilanzansatzes für Rückstellungen in der Steuerbilanz?, StuB 12/2017 S. 449 NWB ZAAAG-47559 Marx, Maßgeblichkeit des Beibehaltungswahlrechts nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB?, StuB 23-24/2019 S. 885 NWB HAAAH-36202 Prinz, Entwicklungen und aktuelle Tendenzen bei der Maßgeblichkeit, StuB 1/2019 S. 1 NWB HAAAH-03335 Hörhammer/Schumann, in: Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl., Rz. 2647 NWB SAAAG-89762 Bislang war nach Inkrafttreten des BilMoG offen, ob der Handelsbilanzwert eine Begrenzung für den Ansatz in der Steuerbilanz darstellt. Der Beitrag setzt sich mit der Entscheidung anknüpfend an bisherige Veröffentlichungen auseinander. Zunächst werden der Urteilssachverhalt und die Begründung aufbereitet, um danach eine kritische Würdigung anzuschließen und die Auswirkungen der Entscheidung in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

Der XI. Senat bezieht in seine Entscheidung das einschlägige Schrifttum sehr selektiv ein und setzt sich nur begrenzt mit den vorgetragenen Argumenten auseinander. Über den Urteilssachverhalt hinaus wird die formelle Maßgeblichkeit neu interpretiert, was weitere Fragen auslöst.

II. Urteilssachverhalt

Der Streitfall hat die Bewertung von Rekultivierungsrückstellungen in der Steuerbilanz zum zum Gegenstand. In der Handelsbilanz der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Abbau und die Verwertung von Rohstoffen ist, wurde eine Ansammlungsrückstellung für die dem Grunde nach unstreitige Verpflichtung i. H. von 295.870 € gebildet. Dabei wurden künftige Kostensteigerungen einbezogen und S. 170der Betrag mit einem Zinssatz von 4,94 % abgezinst. In der Steuerbilanz wurde die Verpflichtung hingegen ohne den Einbezug künftiger Kostensteigerungen ermittelt und nicht abgezinst, so dass der Ansatz 348.105 € betrug. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG sind die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 1 EStG sind Rückstellungen für Verpflichtungen mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Nach Satz 2 der Norm ist für die Abzinsung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen nur der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend. Hat die Erfüllung bereits begonnen, darf steuerrechtlich im Unterschied zur handelsrechtlichen Bewertung nicht diskontiert werden. Nach dem sind bei den Rückstellungen für „bergrechtliche“ Verpflichtungen die Komponenten Auffüllung, Rekultivierung und „Restraum“ als Einheit zu sehen. Der Beginn des Tagebaus ist daher der Zeitpunkt, in dem begonnen wird, die Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung zu erfüllen, so dass die Rückstellungen nicht abzuzinsen sind.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung kürzte der Prüfer die von der Klägerin gebildete Rückstellung unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG um 34.815 € auf den niedrigeren Handelsbilanzwert i. H. von 295.870 €, weil ansonsten steuerrechtlich ein höherer Rückstellungsbetrag als in der Handelsbilanz ausgewiesen werde. Im Gegenzug bildete der Prüfer sodann eine Rücklage für Rückstellungsauflösung nach R 6.11 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012 i. H. von 14/15 für den sich aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG ergebenden Gewinn, so dass sich eine jährliche Gewinnerhöhung um 2.321 € für das Streitjahr und die Folgejahre einstellte.

Einspruch, Klage vor dem FG und Revision blieben erfolglos. Dem Verfahren vor dem BFH war das BMF beigetreten, was die materielle Bedeutung der Streitfrage über den Fall hinaus verdeutlicht. Der Beitritt zum Revisionsverfahren ist in § 122 Abs. 2 FGO vorgesehen und ermöglicht dem BMF, entscheidungserhebliche rechtliche Gesichtspunkte geltend zu machen.