BVerwG Urteil v. - 2 C 4/18

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 80 D 2.17 Urteilvorgehend Az: 80 K 13.16 OL Urteil

Tatbestand

1Der Rechtsstreit betrifft die Bemessung der Disziplinarmaßnahme für den außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Schriften eines Lehrers.

2Der 1963 geborene und ledige Beklagte steht seit dem Jahr 1996 als Lehrer (Besoldungsgruppe A 12) im Schuldienst des klagenden Landes. Im Jahr 2016 wurde er wegen des privaten Besitzes von kinderpornographischen Schriften durch Urteil rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt.

3Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht die auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichtete Disziplinarklage des Klägers abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht ist bezüglich der kinderpornographischen Schriften jeweils von einem außerdienstlichen Verhalten ausgegangen. Es hat den deshalb für die Annahme eines Dienstvergehens erforderlichen Dienstbezug wegen der mit dem Amt eines Lehrers verbundenen besonderen Dienstpflichten bejaht. Am Strafrahmen, der individuellen Strafzumessung - Geldstrafe - und an der Anzahl und dem Inhalt der Bilddateien orientiert, handele es sich aber um Fälle im unteren Bereich der möglichen Begehungsformen. Daher sei die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme ausgeschlossen.

4Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom und des Verwaltungsgerichts Berlin vom aufzuheben und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

5Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

6Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, §§ 3 und 41 Disziplinargesetz Berlin vom , GVBl. 2004, 263 - DiszG BE -), nämlich § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 1 DiszG BE.

7Das Berufungsgericht hat eine Bemessungsentscheidung getroffen, die nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 13 Abs. 1 und 2 DiszG BE genügt, weil es bei der einzelfallbezogenen Gesamtwürdigung der dem Beklagten vorgehaltenen außerdienstlichen Verfehlung (1.) nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass der Besitz kinderpornographischer Schriften durch Lehrer in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt (2.). Der Senat macht von der ihm gemäß § 41 DiszG BE, §§ 70 und 65 Abs. 1 und § 60 Abs. 2 BDG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Disziplinarmaßnahme auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts selbst abschließend zu bestimmen (3.).

81. Mit dem privaten Besitz kinderpornographischer Schriften - hier in der Form von Bild- und Videodateien - hat der Beklagte eine außerdienstliche Pflichtverletzung begangen, die in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, und daher als Dienstvergehen zu bewerten ist (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).

9a) Nach den gemäß § 41 DiszG BE i.V.m. § 70 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 BDG vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils, die vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt worden sind, hat der Beklagte kinderpornographische Schriften besessen und sich damit eines Vergehens nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom (BGBl. I S. 3007 <3009>) schuldig gemacht.

10Dieses Fehlverhalten lag außerhalb des Dienstes, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war ( 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 10).

11b) Ein Beamter ist auch außerhalb seines Dienstes verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG; 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 21). Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten dann berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen ( 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 12). Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; vgl. auch 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26 f.> und vom - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24). Außerdienstliche Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23> zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).

12Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu ( 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24; vgl. auch § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Von Bedeutung ist weiter, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.

13c) Anknüpfungspunkt für den Amtsbezug ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne. Die Rechtsstellung des Beamten wird durch sein Statusamt geprägt ( 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 28). Das Statusamt - und nicht die mit dem gegenwärtig innegehabten Dienstposten verbundene Tätigkeit - bestimmt, mit welchem Aufgabenbereich der Beamte amtsangemessen beschäftigt und damit künftig verwendet werden kann. Die Bezugnahme auf das Statusamt folgt darüber hinaus aus der materiellen Pflichtenstellung des Beamten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG. Während Satz 2 dieser Vorschrift an die dem Beamten übertragenen Aufgaben anknüpft, nehmen Satz 1 und 3 jeweils auf den Beruf Bezug. Die Verpflichtung, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, ist nicht nur auf den gegenwärtigen Dienstposten beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle nach dem Statusamt wahrnehmbaren Dienstposten.

14Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert; dieses hat er uneigennützig, nach bestem Gewissen und in voller persönlicher Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen wahrzunehmen (§ 34 Satz 1 und 2 sowie § 36 Abs. 1 BeamtStG). Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert ( 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <218 f.> und vom - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 20).

15d) Der strafrechtlich geahndete außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Schriften des Beamten weist einen hinreichenden und klaren Bezug zum Statusamt eines Lehrers auf.

16Der Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Dies ist der Fall, weil der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften bei einem Lehrer einen Persönlichkeitsmangel indiziert, der Anlass zu Zweifeln gibt, dass er der einem Lehrer als Dienstpflicht obliegenden Erziehungsaufgabe gegenüber den ihm anvertrauten Schülern jederzeit gerecht werden kann. Mit dem Bekanntwerden eines derartigen Fehlverhaltens ist ein Lehrer in der Aufgabenwahrnehmung zumindest stark beeinträchtigt, weil er elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe verletzt hat, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt und anvertraut sind. Insoweit genügt die bloße Eignung; zu einem konkreten Ansehensschaden oder konkreten Übergriffen muss es nicht gekommen sein (vgl. 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 15; zuletzt Beschluss vom - 2 B 82.18 - juris Rn. 16).

17Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184b StGB), trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung ( 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 16 m.w.N.).

18Die mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei Lehrern als Beamten mit einer besonderen Aufgaben- und Vertrauensstellung gegenüber einer besonders verletzlichen Personengruppe - den ihnen anvertrauten Schülern - daher nicht zum Tragen (vgl. 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 39 für von Polizeibeamten begangene Straftaten).

192. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht nach den vorstehend aufgeführten Maßstäben die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Verhaltens des Beklagten zutreffend angenommen. Allerdings verletzt die Abweisung der Disziplinarklage § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 1 DiszG BE.

20a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 DiszG BE und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ( 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren zu beachten sind ( - BVerfGK 4, 243 <257>; 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 34). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen ( 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> und vom - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 34).

21Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 DiszG BE). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle eines Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder - wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist - ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden ( 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.).

22Die Verwaltungsgerichte erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 DiszG BE auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme, wenn sie nach umfassender Sachaufklärung (§ 41 DiszG BE i.V.m. § 58 BDG sowie § 86 Abs. 1 und 2 VwGO) zu der Überzeugung gelangen, dass der Beamte die ihm in der Disziplinarklageschrift zur Last gelegten dienstpflichtwidrigen Handlungen begangen hat, und dem Ausspruch der Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 41 DiszG BE i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BDG). Sie sind dabei an die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen des klagenden Dienstherrn nicht gebunden ( 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11 und vom - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 9 sowie Beschluss vom - 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).

23b) Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

24aa) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10). Umgekehrt rechtfertigt ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 Rn. 11 und vom - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

25Schwerwiegende Straftaten können deliktsbezogen identifiziert werden (vgl. zur Zuordnung bestimmter Straftaten zu einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen: 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 40 m.w.N.). Bestimmte Straftaten bewirken bereits aus der Art ihres Unrechtsgehalts einen Vertrauensschaden, der eine weitere Tätigkeit als Beamter ausschließt. Lässt sich ein Beamter bestechen, ist er als Sachwalter einer gesetzestreuen und unabhängigen Verwaltung nicht mehr denkbar ( - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30; 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 29). Deshalb bestimmt § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG u.a., dass für einen Beamten, der in einem ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft des Urteils endet.

26Ebenso verhält es sich bei einem vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Sexualdelikt gegen ein Kind im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB, das mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden ist. Eine solche Straftat ist - unabhängig vom Statusamt, das der Beamte innehat - geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass als Orientierung für die disziplinare Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts zugrunde gelegt werden kann.

27bb) Eine entsprechende eindeutige Zuordnung zur disziplinaren Höchstmaßnahme ist für den außerdienstlichen Besitz von kinderpornographischen Schriften weder gesetzlich vorgegeben noch generell für alle Gruppen von Beamten möglich. Zwar trägt die Nachfrage nach derartigen Bild- und Videodateien zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 19). Da es beim bloßen Besitz entsprechender Darstellungen aber an einem unmittelbaren Eingriff des Beamten in die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder fehlt, ist die Variationsbreite möglicher Verfehlungen zu groß, um generell und für alle Gruppen von Beamten von einer die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigenden hinreichenden Schwere der außerdienstlichen Pflichtverletzung ausgehen zu können.

28Das Ausmaß des durch die außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens muss daher im konkreten Einzelfall bestimmt werden. Hierzu ist auf den zum Tatzeitpunkt geltenden Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlusts am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen ( 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 und - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

29Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften hat der Senat aus dem für die Zeit von 2004 bis 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB i.d.F. des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich ein Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung eröffnet ist. Die Anhebung der Strafandrohung für den (bloßen) Besitz kinderpornographischer Schriften auf bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe durch § 184b Abs. 3 StGB i.d.F. des am in Kraft getretenen Gesetzes vom (BGBl. I S. 10), bei der der Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme reicht, ist erst nach der hier vorliegenden Tatbegehung in Kraft getreten und kann daher nicht berücksichtigt werden.

30cc) Weist ein Dienstvergehen indes - wie hier bei Lehrern - einen hinreichenden Bezug zum Statusamt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ( 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24; Beschlüsse vom - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

31c) Bei einem beamteten Lehrer führt der außerdienstliche Besitz von kinderpornographischen Schriften i.S.v. § 184b StGB - auch bei geringer Anzahl oder von niedrigschwelligem Inhalt - aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlusts beim Dienstherrn und der Allgemeinheit nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG BE in aller Regel zur disziplinaren Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das gilt - im Hinblick auf das Schuldprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - nur dann nicht, wenn außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des Beamten ausnahmsweise widerlegen.

32Ein Lehrer ist nach dem umfassenden und auf Art. 7 Abs. 1 GG beruhenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern - ergänzend zu den Eltern und von diesen unabhängig - auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvL 1/75 und 1 BvR 147/75 - BVerfGE 47, 46 <71 f.> und vom - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288 <304> sowie Urteil vom - 2 BvR 1738/12 u.a. - BVerfGE 148, 296 Rn. 188 und 6 C 12.12 - Buchholz 421.10 Schulrecht Nr. 5 Rn. 19). Er muss insbesondere die Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln. Der außerdienstliche Besitz kinderpornographischen Materials begründet daher bei dieser Gruppe von Beamten angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung nicht nur einen mittelbaren Amtsbezug und damit die Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen. Verstöße gegen die vorgenannten Anforderungen berühren bei einem Lehrer vielmehr in besonderem Maße sein Amt und seine Dienstausübung. Dies gilt bereits dann, wenn zu befürchten ist, dass der Lehrer ihretwegen auf Vorbehalte der Eltern der von ihm unterrichteten Kinder stößt und deswegen nicht mehr die Autorität und das Vertrauen der Allgemeinheit genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Insoweit genügt die bloße Eignung für einen solchen Vertrauensverlust, ohne dass dieser konkret eingetreten sein muss ( 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 15, Beschlüsse vom - 2 B 29.10 - NVwZ-RR 2011, 413 Rn. 6, vom - 2 B 32.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 66 Rn. 18 und vom - 2 B 82.18 - juris Rn. 16). Ein dem Lehrer vorwerfbares Verhalten im unmittelbaren Umgang mit Schülern konkret seiner Schule (so das Berufungsurteil, UA S. 26 f.) ist gerade nicht erforderlich.

33Auch der nicht innerdienstliche, sondern lediglich außerdienstliche Besitz von Schriften, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, ist mit dem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar und lässt dessen Erfüllung durch den Beamten in aller Regel als unmöglich erscheinen. Für die Gruppe der beamteten Lehrer gilt insoweit - eben wegen der mit ihrem Statusamt verbundenen besonderen Aufgaben- und Pflichtenstellung - ein besonders strenger Maßstab.

34Die im konkreten Fall im Wege der Strafzumessung ausgesprochene Strafe hat demgegenüber allein strafrechtliche Relevanz. Eine weitergehende, die disziplinare Maßnahmebemessung begrenzende Indizwirkung kommt ihr nicht zu. Dies beruht auf den unterschiedlichen Zwecken von Straf- und Disziplinarrecht. Während die konkrete Strafzumessung strafrechtlichen Kriterien folgt, wird die disziplinarrechtliche Maßnahmebemessung nach § 13 BDG oder den entsprechenden Landesgesetzen - hier § 13 DiszG BE - insbesondere durch den Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit bestimmt.

35aa) An den Ausführungen im 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38 und im Beschluss vom - 2 B 85.16 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 49 Rn. 11, wonach eine Geldstrafe eine Art mindere Strafe sei, hält der Senat nicht fest. Aus der konkreten strafgerichtlichen Ahndung einer Straftat mit einer Geldstrafe kann nicht indiziell auf eine geringe disziplinare Schwere des Dienstvergehens geschlossen werden. Auch die Geldstrafe ist eine Hauptstrafe von Gewicht. Die gegenteilige Annahme im Berufungsurteil (UA S. 20 und 25), wonach bei der Verurteilung zu einer Geldstrafe im unteren Bereich die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht kommt, ist mit § 13 DiszG BE und den entsprechenden Disziplinarvorschriften im Bundes- und Landesrecht unvereinbar.

36Die Geldstrafe ist im Strafgesetzbuch gleichwertig zur Freiheitsstrafe als Hauptstrafe konzipiert. Das Strafgesetzbuch benennt unter der Überschrift seines Dritten Abschnitts (Rechtsfolgen der Tat) zwei Hauptstrafen, die Freiheitsstrafe (§§ 38 und 39 StGB) und die Geldstrafe (§§ 40, 41 und 42 StGB). An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt nach § 43 Satz 1 StGB die Freiheitsstrafe.

37Die Geldstrafe ist eine Strafe, die nur durch ein Strafurteil oder durch einen Strafbefehl im Strafprozess nach Feststellung der Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 StGB) verhängt werden kann. Sie ist als schuldangemessene Strafe von Gewicht von zivil- oder öffentlich-rechtlichen Geldbußen, Ordnungsgeldern, Zwangsgeldern oder anderen Ordnungsmitteln zu unterscheiden. Ebenso ist sie von der bloßen Geldauflage bei einer Verfahrenseinstellung zu unterscheiden.

38Disziplinarrechtlich ist auf die Regelungen in § 41 BBG und § 24 BeamtStG hinzuweisen. Danach führt die strafgerichtliche Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) oder wegen einer vorsätzlichen Tat bei Staatsschutzdelikten oder Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) automatisch kraft Gesetzes zum Verlust der Beamtenrechte durch Beendigung des Beamtenverhältnisses. Für auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichtete Disziplinarklagen, die ihre Ursache in von dem Beamten verübten Straftaten haben, ist danach nur Raum bei Straftaten, bei denen der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr bzw. sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist. Das zeigt, dass für den disziplinarrechtlich im Einzelfall relevanten Bereich von Straftaten durch Beamte typischerweise Freiheitsstrafen von unter einem Jahr oder Geldstrafen betroffen sind.

39Diese Sicht der Dinge entspricht auch der jüngeren Rechtsprechung des Senats in Beschlussverfahren, wonach die konkrete Ausurteilung von Geldstrafen gerade in Fällen des außerdienstlichen Besitzes von kinder- und jugendpornographischen Schriften für die disziplinare Maßnahmebemessung regelmäßig ohne Relevanz ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 42.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 40 S. 107 <Geldstrafe 90 Tagessätze>, vom - 2 B 82.18 - juris Rn. 1 <Geldstrafe 6o Tagessätze> und vom - 2 B 8.19 - juris Rn. 2 <Geldstrafe 50 Tagessätze>).

40bb) Danach zerstört ein Lehrer, der kinderpornographische Schriften besitzt, in aller Regel die Grundlage für das für sein Statusamt erforderliche Vertrauen. Er ist in den Augen der Allgemeinheit - zu der auch die Elternschaft gehört - grundsätzlich nicht mehr als Beamter tragbar. Dies gilt unabhängig von Anzahl, Art und Inhalt der kinderpornographischen Schriften. Denn mit dem Erziehungsauftrag und der Erziehungsaufgabe eines Lehrers ist jeder Besitz kinderpornographischer Schriften unvereinbar.

41Im Fall des Beklagten sind keine außergewöhnlichen Umstände des Einzelfalls erkennbar, die der Annahme eines vollständigen Vertrauensverlusts in seine Person entgegenstehen.

423. Deshalb ist der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Nach der Schwere des Dienstvergehens (§ 13 Abs. 1 Satz 2 DiszG BE) und dem Persönlichkeitsbild des Beklagten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 DiszG BE) kann als angemessene Disziplinarmaßnahme nur auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 DiszG BE) erkannt werden. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es - wie ausgeführt - grundsätzlich nicht zu, beamtete Lehrer, die kinderpornographische Schriften besitzen, mit der Bildung und Erziehung der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu betrauen. Für das Vorliegen eines Ausnahmefalls ist vorliegend nichts erkennbar.

43Zu der vorliegenden Disziplinarentscheidung ist das Bundesverwaltungsgericht selbst befugt. Es kann auch im Rahmen des Revisionsverfahrens auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil und des Akteninhalts eine eigenständige Bemessungsentscheidung treffen (§ 41 DiszG BE i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 2, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 BDG, § 137 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 und § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Da die Revision vom klagenden Land eingelegt worden ist, gilt auch kein Verbot der Verböserung zugunsten des Beklagten (vgl. § 141 Satz 1 i.V.m. § 129 VwGO). Auf beides ist er vorab hingewiesen worden.

444. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 DiszG BE i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO.

455. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem gesetzlich bestimmten streitwertunabhängigen Gebührenbetrag ergibt (§ 41 DiszG BE i.V.m. Ziff. 10 und 30 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:241019U2C4.18.0

Fundstelle(n):
UAAAH-41561