Wahl von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat - Nichtigkeit - Beteiligtenfähigkeit einer nichttariffähigen Gewerkschaft
Gesetze: § 7 Abs 2 Nr 1 MitbestG, § 7 Abs 5 MitbestG, § 16 Abs 2 MitbestG, § 17 Abs 1 MitbestG, § 17 Abs 5 MitbestG, § 18 S 3 MitbestG, § 22 MitbestG, § 24 Abs 1 MitbestG, § 100 Abs 1 AktG, § 100 Abs 2 AktG, § 250 Abs 1 Nr 4 AktG, § 24 Nr 6 BetrVG, § 97 ArbGG, § 10 S 1 ArbGG, § 83 Abs 3 ArbGG, § 50 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 14 BV 160/15 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 4 TaBV 102/16 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerde noch über die Nichtigkeit der Wahl der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat der Beteiligten zu 6.
2Die Beteiligte zu 6. ist eine in der Versicherungswirtschaft tätige Aktiengesellschaft mit in der Regel mehr als 3.500 Arbeitnehmern. Ihr Aufsichtsrat (Beteiligter zu 7.) besteht aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer, von denen zwei Vertreter von Gewerkschaften sein müssen.
3Am fand die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer statt. Für die Wahl der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat standen zwei Vorschlagslisten zur Wahl. Hierbei handelte es sich um eine Liste der Antragstellerin, einer bundesweit agierenden Gewerkschaft, die auch bei der Beteiligten zu 6. vertreten ist (Liste 1) und eine Liste des Neue Assekuranz Gewerkschaft e.V. (NAG; Beteiligter zu 8.), dessen Vereinsgegenstand die gewerkschaftliche Vertretung der Arbeitnehmer in der Versicherungsbranche ist. Der Unternehmenswahlvorstand hatte am beschlossen, auch die Liste des Beteiligten zu 8. zur Wahl zuzulassen sowie die zur Wahl stehenden Kandidaten bekannt gemacht und einen entsprechenden Aushang ab dem veranlasst. Auf der Liste des Beteiligten zu 8. (Liste 2) kandidierten die Beteiligten zu 2. bis 5.
4Vor der Wahl hatte es das (HRB 69112) abgelehnt, bei der Notbestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beteiligten zu 6., die auf den Vorschlag einer Gewerkschaft zu bestellen sind, dem Vorschlag des Beteiligten zu 8. zu folgen, weil dieser seine Gewerkschaftseigenschaft nicht dargelegt habe. Mit Beschluss vom (- 23 BVGa 3/15 -) hatte das Arbeitsgericht Hamburg einen Eilantrag des Beteiligten zu 8. auf Zulassung seines Vorschlags zur Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats eines mit der Beteiligten zu 6. im Konzern verbundenen Unternehmens abgewiesen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hatte das Landesarbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom (- 6 TaBVGa 1/15 -) zurückgewiesen.
5Mit Beschluss vom (- 9 TaBV 225/14 -) hatte das Hessische Landesarbeitsgericht im Rahmen eines Verfahrens nach § 97 ArbGG festgestellt, dass der Beteiligte zu 8. keine tariffähige Gewerkschaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG sei, und die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss nicht zugelassen. Über diese Entscheidung hatte die Antragstellerin den Vorsitzenden des Unternehmenswahlvorstands mit einer E-Mail vom ebenso wie über die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom unterrichtet.
6Mit Schriftsatz vom hatte der Beteiligte zu 8. beim Bundesarbeitsgericht Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom (- 9 TaBV 225/14 -) eingelegt. Diese wurde mit - 1 ABN 39/15 -) zurückgewiesen. Die daraufhin von dem Beteiligten zu 8. eingelegte Verfassungsbeschwerde wird bei dem Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen - 1 BvR 1/16 - geführt.
7Bei der Wahl der Gewerkschaftsvertreter am entfielen auf die Liste 2 mehr als doppelt so viele Stimmen wie auf die Liste 1. Damit waren die Beteiligten zu 2. und 3. als Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 6. und die Beteiligten zu 4. und 5. als Ersatzmitglieder gewählt. Die Bekanntmachung über die gewählten Aufsichtsratsmitglieder erfolgte mit Aushang vom und mit nachfolgender Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger.
8Mit ihrem beim Arbeitsgericht am eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin begehrt, die Wahl der Beteiligten zu 2. bis 5. für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären, und dazu die Auffassung vertreten, die dem Unternehmenswahlvorstand zur Zeit der Wahl bekannten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamburg und des Hessischen Landesarbeitsgerichts hätten der Zulassung der von dem Beteiligten zu 8. als Gewerkschaftsliste vorgeschlagenen Liste 2 entgegengestanden.
9Die Antragstellerin hat beantragt
10Die Beteiligten zu 2. bis 5. und der Beteiligte zu 8. haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, die Wahl der Beteiligten zu 2. bis 5. sei weder nichtig noch unwirksam, da die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts zum Zeitpunkt der Wahl noch nicht rechtskräftig gewesen sei.
11Das Arbeitsgericht hat den Hauptanträgen der Antragstellerin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert, die Anträge abgewiesen, soweit sie auf die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl gerichtet sind, und auf die Hilfsanträge die Wahl der Beteiligten zu 2. bis 5. für unwirksam erklärt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beteiligten zu 2. bis 5. und 8. beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
12B. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
13I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. bis 5. und 8. iSd. § 94 Abs. 2 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden (zu den Anforderungen an die Rechtsbeschwerdebegründung vgl. - Rn. 11 mwN). Die Antragstellerin macht geltend, die Wahl sei bei Fehlen einer Wählbarkeitsvoraussetzung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1, § 16 Abs. 2, § 17 MitbestG nichtig und nicht lediglich nach § 22 MitbestG anfechtbar. Damit beruft sie sich auf die Verletzung von Rechtsnormen. Die Rechtsbeschwerdebegründung setzt sich auch ausreichend mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander und legt dar, warum sie die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält, indem sie entgegen der Argumentation des Landesarbeitsgerichts bei Annahme der Anfechtbarkeit an Stelle der Nichtigkeit der Wahl einen Wertungswiderspruch zu § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG sieht und deshalb die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene rechtliche Würdigung für unzutreffend hält.
14II. Die Vorinstanzen haben die erforderlichen Personen und Stellen am Verfahren beteiligt.
151. § 83 Abs. 3 ArbGG regelt nicht selbst, wer Beteiligter eines Beschlussverfahrens ist. Die Vorschrift ordnet lediglich an, dass der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören sind, die ua. nach dem Mitbestimmungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Dafür ist entscheidend, welche Personen oder Stellen durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden. Die Beteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen ( - Rn. 18, BAGE 159, 111; - 7 ABR 23/12 - Rn. 13).
162. Danach sind am vorliegenden Verfahren neben der Antragstellerin beteiligt die gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, deren Wahl angefochten ist, das betroffene Unternehmen, der betroffene Aufsichtsrat und die Gewerkschaft, auf deren Vorschlag nach § 16 Abs. 2, § 18 Satz 3 MitbestG die Vertreter der Arbeitnehmer gewählt wurden, deren Wahl Gegenstand des Verfahrens ist.
17a) Die gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, deren Wahl angefochten ist, sind beteiligt, weil sie durch die Anfechtung unmittelbar in ihrer mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen werden. Erweist sich ihre Wahl als unwirksam oder nichtig, verlieren sie ihr durch die Wahl erworbenes Aufsichtsratsmandat ( - Rn. 19, BAGE 159, 111; - 1 ABR 11/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 48, 96). In ihrer mitbestimmungsrechtlich geschützten Rechtsposition betroffen sind auch die Ersatzmitglieder, die nach § 17 Abs. 2, § 18 Satz 3 MitbestG zusammen mit dem jeweiligen Aufsichtsratsmitglied gewählt wurden, für das sie bei dessen Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat in das Amt nachrücken. Ihre Wahl hat die Antragstellerin ebenfalls angefochten. Im Übrigen ist die Betroffenheit eines Ersatzmitglieds nicht nur dann gegeben, wenn sich der mit der Anfechtung geltend gemachte Rechtsverstoß auch auf seine Wahl bezieht, sondern schon dann, wenn der Rechtsverstoß mit der Wahl „seines“ Aufsichtsratsmitglieds begründet wird ( - Rn. 19 mwN, aaO).
18b) Der Aufsichtsrat ist stets an dem Verfahren beteiligt. Er ist in seiner Rechtsstellung unmittelbar betroffen, wenn einzelne Mitglieder ihr Mandat verlieren, Ersatzmitglieder nachrücken und ggf. gerichtliche Bestellungen veranlasst werden müssen. Die damit einhergehenden Veränderungen und Übergangsphasen beeinflussen die Tätigkeit des Aufsichtsrats unmittelbar ( - Rn. 21 mwN, BAGE 159, 111).
19c) Die Vorinstanzen haben auch den Beteiligten zu 8. zu Recht beteiligt.
20aa) An einem Wahlanfechtungsverfahren beteiligt sind auch die Gewerkschaften, auf deren Vorschlag nach § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 18 Satz 3 MitbestG Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat gewählt wurden und deren Wahl angefochten wurde. Auch sie werden von dem Wahlanfechtungsverfahren in ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen, weil die von ihnen vorgeschlagenen Arbeitnehmervertreter ggf. ihr Mandat verlieren ( - Rn. 22, BAGE 159, 111).
21bb) Danach ist der Beteiligte zu 8. Beteiligter des vorliegenden Verfahrens. Der Beteiligung steht - anders als die Antragstellerin meint - nicht entgegen, dass die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom (- 9 TaBV 225/14 -), wonach der Beteiligte zu 8. keine tariffähige Gewerkschaft ist, trotz eingelegter Verfassungsbeschwerde inzwischen rechtskräftig ist (vgl. - Rn. 7; - zu C III 2 a aa der Gründe, BVerfGE 107, 395; - 1 BvR 2116/94 - zu B der Gründe, BVerfGE 93, 381). Der Beteiligte zu 8. nimmt für sich weiterhin in Anspruch, nach § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 18 Satz 3 MitbestG mit rechtlichen Befugnissen ausgestattet zu sein.
22Der Beteiligte zu 8. ist auch beteiligtenfähig. Dies folgt aus § 80 Abs. 2, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 50 Abs. 1 ZPO. Beteiligtenfähig im Beschlussverfahren ist, wer auch im Urteilsverfahren parteifähig ist ( - Rn. 14, BAGE 119, 279). Der Beteiligte zu 8. ist als eingetragener Verein organisiert. Als solcher ist er nach § 21 BGB rechtsfähig und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig (vgl. GK-ArbGG/Schleusener Stand April 2019 § 10 Rn. 5). Eines Rückgriffs auf § 10 Satz 1 ArbGG bedarf es insoweit nicht. Die Vorschrift enthält keine abschließende Regelung der Parteifähigkeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren, sondern ergänzt nur für das Urteilsverfahren - und über § 80 Abs. 2 ArbGG auch für das Beschlussverfahren - die allgemeine Bestimmung des § 50 ZPO (vgl. - Rn. 14, aaO). Da Gewerkschaften in der Regel als nichtrechtsfähige Vereine organisiert sind, dient § 10 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG dazu, den Gewerkschaften über § 50 ZPO hinaus ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform die volle Parteifähigkeit zu verschaffen (vgl. GK-ArbGG/Schleusener Stand April 2019 § 10 Rn. 12). Die Vorschrift kann nicht dahingehend verstanden werden, dass eine Arbeitnehmervereinigung, die nicht tariffähig ist, vor den Arbeitsgerichten nicht parteifähig sein soll. Fehlt einer Vereinigung die Tariffähigkeit, kann sich ihre Parteifähigkeit aus § 50 ZPO ergeben (so auch zum nichtrechtsfähigen Verein und § 50 Abs. 2 ZPO GK-ArbGG/Schleusener Stand April 2019 § 10 Rn. 17). Soweit das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit angenommen hat, mit dem Verlust der Tariffähigkeit verliere eine Arbeitnehmervereinigung ihre Parteifähigkeit (vgl. - zu B 2 der Gründe, BAGE 66, 71), beruhte dies auf der Rechtsform als nichtrechtsfähiger Verein des damaligen Klägers sowie auf der alten Gesetzesfassung des § 50 Abs. 2 ZPO, der nichtrechtsfähigen Vereinen nur die passive, nicht aber die aktive Parteifähigkeit zusprach.
23Im Übrigen wäre die Beteiligtenfähigkeit des Beteiligten zu 8. auch gegeben, wenn er nicht rechtsfähig wäre. § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG bestimmt, dass in dem Fall des § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG (Beschlussverfahren in Angelegenheiten aus dem Mitbestimmungsgesetz, soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat zu entscheiden ist), auch die nach dem Mitbestimmungsgesetz beteiligten Personen und Stellen Beteiligte sind. Nach § 16 Abs. 2 (iVm. § 18 Satz 3) MitbestG erfolgt die Wahl aufgrund von Wahlvorschlägen der Gewerkschaften. Dabei ist von einem gesetzesübergreifend einheitlichen Gewerkschaftsbegriff auszugehen, der das Erfordernis der Tariffähigkeit mit einschließt (vgl. - Rn. 30, BAGE 119, 279). So wie § 10 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG nur Gewerkschaften im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinne, dh. tariffähige Arbeitnehmervereinigungen meint (vgl. - zu B 2 a der Gründe, BAGE 66, 71; BeckOK ArbR/Poeche Stand ArbGG § 10 Rn. 4 mwN), gewährt auch das Mitbestimmungsgesetz nur tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen Rechte (vgl. Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs MitbestG 6. Aufl. § 7 Rn. 16; WKS/Wißmann 5. Aufl. § 7 Rn. 47; aA für die soziale Mächtigkeit: Oetker in Hirte/Mülbert/Roth Großkomm AktG 5. Aufl. § 7 MitbestG Rn. 31; MHdB ArbR/Uffmann 4. Aufl. § 374 Rn. 28). Der Beteiligte zu 8. macht im Hinblick auf die anhängige Verfassungsbeschwerde weiterhin geltend, tariffähig zu sein. Träfe dies zu, entfiele der Grund, auf den die Antragstellerin die Nichtigkeit der Wahl stützt. Insofern ist die Frage der Tariffähigkeit des Beteiligten zu 8. doppelrelevant sowohl für die Beteiligtenfähigkeit als auch für die Begründetheit des Antrags. In einem solchen Fall der Doppelrelevanz rechtlich bedeutsamer Umstände sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit eines Antrags ist es gerechtfertigt, das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen anzunehmen, um eine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung zu ermöglichen. Dies folgt auch aus dem Rechtsgedanken des § 10 Satz 2 ArbGG, wonach für eine Vereinigung, deren Tariffähigkeit streitig ist, für das Verfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG die Parteifähigkeit der Vereinigung gegeben ist ( - Rn. 19, aaO).
24d) Die Beteiligte zu 6. ist als mitbestimmungsrechtlich betroffenes Unternehmen beteiligt, weil sie durch die mitbestimmungsrechtliche Ordnung stets betroffen ist (vgl. WKS/Wißmann 5. Aufl. § 22 Rn. 59; GMP/Spinner 9. Aufl. § 83 Rn. 39; zur Beteiligung des Arbeitgebers im Betriebsverfassungsrecht - Rn. 12 mwN).
25e) Die Vorinstanzen haben den Unternehmenswahlvorstand zu Recht nicht am Verfahren beteiligt. Der Wahlvorstand verliert seine Beteiligtenfähigkeit mit dem Ende seines Amtes. Daher ist er auch nicht Beteiligter in einem die Wahlanfechtung betreffenden Beschlussverfahren, auch wenn sich die Anfechtung auf Mängel seiner Bestellung oder seines Verfahrens bezieht (GMP/Spinner 9. Aufl. § 83 Rn. 68; zur Beteiligung bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl - zu II 1 c der Gründe, BAGE 41, 275).
26III. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Nichtigkeitsfeststellungsanträge zu Recht abgewiesen. Die Wahl der Beteiligten zu 2. bis 5. zu Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Aufsichtsrats ist nicht nichtig.
271. Die Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in denen die Voraussetzungen der Wahl nicht vorlagen oder bei der Wahl gegen fundamentale Wahlgrundsätze in so hohem Maße verstoßen wurde, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt (für die Nichtigkeit einer Wahl nach dem DrittelbG vgl. - Rn. 13, BAGE 144, 330; für die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl vgl. - Rn. 26, BAGE 139, 197). Im Regelfall führen Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren nach § 22 MitbestG lediglich zur Anfechtbarkeit der Wahl.
282. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass ein derart schwerwiegender Fehler, der zur Nichtigkeit der Wahl führen könnte, nicht vorliegt.
29a) Im Ergebnis kann offenbleiben, ob entgegen der Ansicht der Antragstellerin schon kein Verstoß gegen die Vorschriften über die Wählbarkeit vorliegt. Es erscheint zweifelhaft, ob die fehlende Tariffähigkeit der Koalition, welche die Kandidaten nach § 16 Abs. 2 MitbestG vorgeschlagen hat, die fehlende Wählbarkeit der vorgeschlagenen Kandidaten zur Folge hat oder ob vielmehr ein Verstoß gegen das Wahlverfahren vorliegt, wenn der Wahlvorstand eine derartige Vorschlagsliste zur Wahl zulässt (vgl. Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 24 MitbestG Rn. 5: keine persönliche Wählbarkeitsvoraussetzung des Aufsichtsratsmitglieds). § 7 Abs. 2 MitbestG regelt lediglich, dass eine bestimmte Anzahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer „Vertreter von Gewerkschaften“ sein müssen, ohne Voraussetzungen für die Wählbarkeit dieser Vertreter näher zu definieren. Diese Vertreter müssen selbst weder Mitglied einer Gewerkschaft noch bei einer solchen beschäftigt sein (vgl. HWK/Seibt 8. Aufl. § 7 MitbestG Rn. 12; WKS/Wißmann 5. Aufl. § 7 Rn. 45). Für die Vertreter von Gewerkschaften gelten gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG lediglich die für alle Aufsichtsratsmitglieder festgelegten persönlichen Voraussetzungen, zB jene nach § 100 Abs. 1 und Abs. 2 AktG, wie die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Die einzige dem Normzweck geschuldete Besonderheit bezieht sich auf das Wahlverfahren, in dem nach § 7 Abs. 5, § 16 Abs. 2 MitbestG das Wahlvorschlagsrecht auf die in der Belegschaft vertretenen Gewerkschaften beschränkt ist (vgl. WKS/Wißmann 5. Aufl. § 7 Rn. 45). Das lässt eher darauf schließen, das Fehlen der Tariffähigkeit der vorschlagenden Arbeitnehmervereinigung als Verstoß gegen die Vorschriften über das Wahlverfahren einzuordnen und nicht als Verstoß gegen die Vorschriften über die Wählbarkeit.
30b) Dies bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt wird, dass die fehlende Tariffähigkeit der vorschlagenden Koalition zu einem Verstoß gegen die Vorschriften über die Wählbarkeit führt, begründet die fehlende Tariffähigkeit des Beteiligten zu 8. nicht die Nichtigkeit der Wahl der Beteiligten zu 2. bis 5. Dies hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt.
31aa) Das folgt zunächst schon aus § 22 Abs. 1 MitbestG, der bei Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften die Anfechtbarkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter vorsieht. Die grundsätzliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit ist somit die Anfechtbarkeit und nicht die Nichtigkeit einer darauf beruhenden Wahl (vgl. Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 22 MitbestG Rn. 13; GK-MitbestG/Naendrup Stand April 1992 § 6 Rn. 72, § 7 Rn. 41; Stein AG 1983, 49 ff.; Thau Mängel der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG S. 370 ff.; grundsätzlich gegen Nichtigkeit Schröder Mängel und Heilung der Wählbarkeit bei Aufsichtsrats- und Betriebsratswahlen S. 22 ff.; für Anfechtbarkeit, wenn sich das Fehlen der Wählbarkeit nach der Wahl nicht auswirkt: Oetker in Hirte/Mülbert/Roth Großkomm AktG 5. Aufl. § 22 MitbestG Rn. 7; Fuchs/Köstler/Pütz Handbuch zur Aufsichtsratswahl 6. Aufl. Rn. 953). Die Nichtigkeit kann - allgemeinen Grundsätzen entsprechend - wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in denen die Voraussetzungen der Wählbarkeit in so hohem Maße verkannt wurden, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt.
32Dies führt nicht zu einem unüberwindbaren Wertungswiderspruch zu der in § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG angeordneten Rechtsfolge der Nichtigkeit der Wahl bei Verstößen gegen Vorschriften über die Wählbarkeit von Vertretern der Anteilseigner (aA WKS/Wißmann 5. Aufl. § 22 Rn. 10; Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs MitbestG 6. Aufl. § 22 Rn. 21; Lux MitbestG S. 73 f.). Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs ist es ausreichend, die Nichtigkeit der Wahl von Arbeitnehmervertretern grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn die in § 250 Abs. 1 Nr. 4, § 100 Abs. 1 und Abs. 2 AktG genannten Tatbestände erfüllt sind (vgl. Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 22 MitbestG Rn. 13; GK-MitbestG/Naendrup Stand April 1992 § 6 Rn. 72, § 7 Rn. 41; Stein AG 1983, 49 ff.; Thau Mängel der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG S. 370 ff.). Dazu gehört die fehlende Tariffähigkeit der vorschlagenden Koalition nicht.
33Es besteht auch kein Wertungswiderspruch zu § 24 Abs. 1 MitbestG. Nach dieser Vorschrift erlischt das Amt eines Aufsichtsratsmitglieds, das nach § 7 Abs. 2 MitbestG Arbeitnehmer des Unternehmens sein muss, wenn es die Wählbarkeit verliert. Die Vorschrift gilt nicht für die Vertreter von Gewerkschaften im Aufsichtsrat (vgl. etwa MüKoAktG/Annuß 5. Aufl. MitbestG § 24 Rn. 6; ErfK/Oetker 19. Aufl. MitbestG § 24 Rn. 1; Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs MitbestG 6. Aufl. § 24 Rn. 2; WKS/Wißmann 5. Aufl. § 24 Rn. 8). Die Hauptanwendungsfälle des § 24 Abs. 1 MitbestG sind der Verlust der Arbeitnehmereigenschaft sowie das Ausscheiden des Aufsichtsratsmitglieds aus dem Unternehmen (ErfK/Oetker 19. Aufl. MitbestG § 24 Rn. 1). Beide Fälle treffen auf die Vertreter von Gewerkschaften nicht zu. Für eine analoge Anwendung des § 24 Abs. 1 MitbestG in den Fällen, in denen die vorschlagende Gewerkschaft nicht mehr im Unternehmen vertreten ist oder ihre Gewerkschaftseigenschaft verliert, fehlt es an der Vergleichbarkeit der geregelten Sachverhalte (im Ergebnis ebenso: MüKoAktG/Annuß 5. Aufl. MitbestG § 24 Rn. 6; Oetker in Hirte/Mülbert/Roth Großkomm AktG 5. Aufl. § 24 MitbestG Rn. 1; WKS/Wißmann 5. Aufl. § 24 Rn. 8; aA Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 24 MitbestG Rn. 5; für den Fall, dass die Gewerkschaft im Unternehmen nicht mehr vertreten ist, soll auch nach Oetker in Hirte/Mülbert/Roth Großkomm AktG 5. Aufl. § 7 MitbestG Rn. 35 und Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs MitbestG 6. Aufl. § 7 Rn. 19 das Aufsichtsratsmandat entfallen, allerdings bereits nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen). Eine dem § 24 Abs. 1 MitbestG entsprechende Norm, die das Erlöschen des Amtes des Aufsichtsratsmitglieds für den Fall regelt, dass die Gewerkschaft, die das Mitglied zur Wahl vorgeschlagen hatte, ihre Tariffähigkeit verliert, existiert nicht.
34Gegen eine Nichtigkeit der Wahl spricht auch die Gesetzeshistorie, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat. Das Betriebsverfassungsgesetz in der ab dem geltenden Fassung hat mit § 24 Nr. 6 BetrVG das Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat durch gerichtliche Entscheidung über die Feststellung der (ggf. auch schon anfänglich bestehenden) Nichtwählbarkeit nach Ablauf der in § 19 Abs. 2 BetrVG geregelten Frist zur Anfechtung der Wahl angeordnet. Die Mitgliedschaft erlischt in diesem Fall erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ( - zu II 3 der Gründe), während die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl zurückwirkt auf den Zeitpunkt der Wahl. Der Gesetzgeber hat in dem am in Kraft getretenen Mitbestimmungsgesetz - und damit etwa viereinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten von § 24 Nr. 6 BetrVG - keine mit dieser Vorschrift vergleichbare Regelung im Mitbestimmungsgesetz geschaffen. Im Hinblick darauf kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem gesetzgeberischen Willen entspricht, grundsätzlich die noch über § 24 Nr. 6 BetrVG hinausgehende Rechtsfolge der von Anfang an bestehenden Nichtigkeit einer Wahl bei anfänglichem Fehlen der Wählbarkeit anzunehmen (ebenso Thau Mängel der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG S. 377).
35bb) Dies berücksichtigend führt die fehlende Tariffähigkeit des Beteiligten zu 8., welche aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom (- 9 TaBV 225/14 -) für den Senat bindend feststeht, nicht zur Nichtigkeit der Wahl der Beteiligten zu 2. bis 5. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Unternehmenswahlvorstands über die Zulassung der Vorschlagsliste des Beteiligten zu 8. zu der Wahl und im Zeitpunkt der Wahl war nicht offenkundig, dass der Beteiligte zu 8. nicht tariffähig war und dies zur Nichtwählbarkeit der Beteiligten zu 2. bis 5. und zur Ungültigkeit der Vorschlagsliste führte. Die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung hängt von zahlreichen Faktoren ab und bedarf im Zweifelsfall der Klärung in einem Verfahren nach § 97 ArbGG (zu den Anforderungen an die Tariffähigkeit vgl. - Rn. 52 ff., BAGE 163, 108).
36Zum Zeitpunkt der Wahl war der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts in dem Verfahren nach § 97 ArbGG noch nicht rechtskräftig. Die Rechtskraft des Beschlusses trat erst mit der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Bundesarbeitsgericht am und damit nach der am erfolgten Wahl ein. Der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts war daher im Zeitpunkt der Wahl noch nicht bindend. Nach § 97 Abs. 3 Satz 1 ArbGG wirkt erst der rechtskräftige Beschluss über die Tariffähigkeit einer Vereinigung für und gegen jedermann. Der Unternehmenswahlvorstand hatte zwar bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Vorschlagsliste des Beteiligten zu 8. zu der Wahl auch die noch nicht rechtskräftige Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. - zu C I 2 der Gründe), ebenso wie die Entscheidungen des Amtsgerichts Düsseldorf sowie des Arbeitsgerichts und Landesarbeitsgerichts Hamburg, in denen die Tariffähigkeit des Beteiligten zu 8. als Vorfrage eine Rolle spielte. Aufgrund der gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde musste jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beschluss Bestand haben würde. Deshalb war vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde das Fehlen der Tariffähigkeit des Beteiligten zu 8. noch nicht offenkundig, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat. Es liegt daher kein so grober Verstoß gegen die Vorschriften über die Wählbarkeit - oder das Wahlverfahren - vor, dass nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl besteht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:150519.B.7ABR35.17.0
Fundstelle(n):
AG 2020 S. 129 Nr. 4
NJW 2019 S. 10 Nr. 46
KAAAH-32235