Die punktuelle Änderung des Umsatzsteuersatzes ist der falsche Weg
19 % Umsatzsteuer für die Lieferung von Fleisch – warum diese Diskussion unter steuerlichen Gesichtspunkten zu kurz greift
In Politik und Medien wird zurzeit diskutiert, ob der Steuersatz für Fleisch aus Gründen des Klimaschutzes von 7 % auf 19 % erhöht werden soll. Verfolgt man diese Diskussion wird schnell klar, dass ein zentraler Aspekt von allen Beteiligten nahezu ausgeblendet wird: das Umsatzsteuerrecht. Rückt man dieses jedoch in den Mittelpunkt, zeigt sich, dass das Thema deutlich komplexer ist als ein simples 7 % oder 19 %. So ist zunächst festzustellen, dass sich die öffentliche Diskussion allein auf Teilaspekte von § 12 Abs. 2 UStG beschränkt. Hier ist definiert, welche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dies sind Leistungen, die aus sozialpolitischen Gründen (z. B. zur Sicherung des Existenzminimums) in möglichst geringem Umfang belastet werden sollen. Ermäßigt besteuert werden deshalb insbesondere die Lieferungen von (Grund-)Nahrungsmitteln wie Fleisch. Die Lieferung von Lebensmitteln des gehobenen Bedarfs wie Langusten und Hummer unterfallen hingegen dem Regelsteuersatz. Man könnte deshalb zu dem Ergebnis kommen, dass es um die Frage geht: Fleisch als Grundnahrungsmittel oder Lebensmittel des gehobenen Bedarfs? Steuerlich ist der Sachverhalt jedoch deutlich komplexer. So gilt der Regelsteuersatz bereits heute, wenn Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden, da hierin eine Dienstleistung zu sehen ist. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG erfasst aber nur die Lieferung von Speisen. Dies führt in der Praxis zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. insbesondere Abschnitt 3.6 UStAE und die dort zitierte Rechtsprechung) und mündet in der allseits bekannten Frage: „zum hier essen (19 %) oder zum Mitnehmen (7 %)?“. Ein punktueller Eingriff in den Steuersatz würde die Probleme nur erhöhen, wie die Rechtsstreitigkeiten zum ermäßigten Steuersatz bei Hotelübernachtungen zeigen. Bei einer einheitlichen Lieferung von ermäßigt besteuerten Speisen und regelbesteuertem Fleisch (z. B. einer Wurstsemmel) wäre sodann die Frage zu klären, ob der Preis anteilig in 7 % (Semmel) und 19 % (Wurst) aufzuteilen ist, oder ob ein einheitlicher Steuersatz gilt. In letzterem Fall schließt die Frage an, welcher Steuersatz dies dann wäre. Rechtsstreitigkeiten wären in jedem Fall vorprogrammiert. Weiterhin ist zu bedenken, dass für Land- und Forstwirte die Durchschnittssteuersätze von 5,5 % und 10,7 % gelten. So kann der Verkauf von grob zerlegtem Fleisch dem 10,7 %igen Durchschnittssteuersatz unterliegen (§ 24 UStG). Verkauft der Landwirt hingegen bratfertige Stücke, würde der Regelsteuersatz greifen. Somit ließe sich ein ganzes Suppenhuhn am Wochenmarkt auch im Fall einer Steuersatzerhöhung zum Steuersatz von 10,7 % erwerben. Und der Verkauf von Fleisch ins Ausland wäre als innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhr sowieso steuerfrei. Berücksichtigt man diese Punkte, wird schnell klar, dass eine Diskussion über eine „einfache“ Anhebung des Steuersatzes auf Fleisch medienwirksam sein mag, steuerlich ausgereift ist sie hingegen nicht. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass auch die steuerlichen Aspekte des Themas möglichst schnell Einzug in den öffentlichen Diskurs finden.
Andreas Fietz
Fundstelle(n):
NWB 2019 Seite 2537
UAAAH-28394