BGH Urteil v. - V ZR 71/18

Wohnungseigentum: Klagbarer Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Beschlussdurchführung gegen den Wohnungseigentumsverwalter; Hauptsacheerledigung bei unzulässiger oder unbegründeter Klage

Gesetze: § 20 Abs 1 WoEigG, § 27 Abs 1 Nr 1 WoEigG, § 91 ZPO, § 91a Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 25 S 60/17vorgehend Az: 290a C 122/16

Tatbestand

1Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft, deren Verwalter der Beklagte ist. In der Eigentümerversammlung vom wurde beschlossen, dass der Beklagte im Auftrag der Eigentümergemeinschaft Klage gegen die frühere Verwalterin mit dem Ziel erheben soll, die fehlerhaften Abrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2009 bis 2012 neu zu erstellen. Der Beklagte setzte diesen Beschluss trotz einer Aufforderung der Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom nicht um.

2Die Kläger haben mit der am bei Gericht eingegangenen und am zugestellten Klageschrift die Verurteilung des Beklagten verlangt, von durch ihn auszuwählende Anwälte im Namen der Eigentümergemeinschaft Klage gegen die frühere Verwalterin mit dem Ziel der Erstellung der Einzel- und Jahresabrechnungen 2009 bis 2012 zu erheben.

3Einen Tag zuvor, am , wurde in der Eigentümerversammlung beschlossen, dass der Beklagte die frühere Verwalterin unter Fristsetzung auffordert, die Abrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2009 bis 2012 neu zu erstellen, und gleichzeitig ankündigt, dass andernfalls eine kostenpflichtige Ersatzvornahme erfolgen werde. Zugleich wurde der Beschluss vom aufgehoben. Auf die Anfechtungsklage der Kläger wurde der Beschluss vom mit Urteil vom für ungültig erklärt.

4Das Amtsgericht hat der gegen den Beklagten gerichteten Klage stattgegeben. Nachdem auf Veranlassung des Beklagten mit Schriftsatz vom Klage gegen die frühere Verwalterin mit dem Ziel der Neuerstellung der Abrechnungen erhoben worden ist, haben die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen. Das Landgericht hat daraufhin unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Gründe

I.

5Das Berufungsgericht meint, die Klage sei zulässig und begründet gewesen. Die Kläger seien berechtigt, durch eine Klage gegen den Verwalter die Durchführung einer von den Eigentümern beschlossenen Maßnahme zu erzwingen. Dies gelte jedenfalls in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden. Der Anspruch auf Erstellung einer Jahresabrechnung sei ein Individualanspruch, den jeder Eigentümer selbständig gegenüber dem Verwalter gerichtlich geltend machen könne. Ziehe die Eigentümergemeinschaft diesen Anspruch an sich, wirke der Individualanspruch des Eigentümers auf Abrechnungserstellung in der Weise fort, dass nunmehr ein individueller Anspruch gegen den Verwalter auf Umsetzung des Beschlusses bestehe. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage sei erst entfallen, nachdem der Beklagte durch die Klageerhebung gegen die frühere Verwalterin seiner Verpflichtung zur Umsetzung des Beschlusses nachgekommen sei. Daher sei festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe.

II.

6Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

71. Wenn ein Kläger die Hauptsache einseitig für erledigt erklärt, der Beklagte dem aber widerspricht und Klageabweisung beantragt, hat das Gericht, wie hier geschehen, durch Urteil darüber zu entscheiden, ob die Erledigung eingetreten ist oder nicht (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13 mwN).

82. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ausgesprochen, weil die Klage bei Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und weil sie durch dieses Ereignis unbegründet geworden ist.

9a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass ein einzelner Wohnungseigentümer von dem Verwalter die Umsetzung eines Beschlusses verlangen kann. Der Senat hat mit seinem - allerdings erst nach dem Erlass des Berufungsurteils ergangenen - Urteil vom (V ZR 125/17, NJW 2018, 3305) die umstrittene Frage, ob dem einzelnen Wohnungseigentümer ein solcher Anspruch gegen den Verwalter zusteht, entschieden. Danach kann jeder Wohnungseigentümer von dem Verwalter verlangen, dass er seine gesetzliche Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG erfüllt. Dieser Anspruch kann auch im Klageweg durchgesetzt werden (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 125/17, aaO, Rn. 24 ff.). Demgemäß waren die Kläger berechtigt, den Beklagten auf Umsetzung des Beschlusses vom gerichtlich in Anspruch zu nehmen.

10b) Der Annahme, die Klage sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen, steht nicht entgegen, dass der Beschluss vom durch den Beschluss der Wohnungseigentümer vom aufgehoben worden ist.

11aa) Allerdings war für den Beklagten die am beschlossene, geänderte Vorgehensweise gegen die frühere Verwalterin verbindlich, da die Beschlussanfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat. Solange ein Beschluss nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, ist er nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gültig (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 167/13, ZWE 2014, 265 Rn. 6).

12bb) Das führt aber nicht dazu, dass die Erledigung der Hauptsache nicht festgestellt werden kann. Diese setzt nicht voraus, dass die Klage bereits im Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässig und begründet war. Vielmehr kann sich grundsätzlich eine zunächst unzulässige oder unbegründete Klage „erledigen“, wenn sie nur später, nämlich im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, zulässig und begründet war (, NJW 1986, 588, 589).

13So liegt es hier. Das Berufungsgericht sieht das erledigende Ereignis zu Recht in der Umsetzung des Beschlusses vom . Die Pflicht zur Umsetzung dieses Beschlusses lebte mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom , mit dem der ihn abändernde Beschluss vom für ungültig erklärt wurde, wieder auf. Wie sich aus dem Urteil des Amtsgerichts (im vorliegenden Verfahren) ergibt, war die Rechtskraft spätestens am eingetreten. Auch unter Berücksichtigung einer angemessenen Frist, die der Beklagte zur Umsetzung des wieder aufgelebten Beschlusses benötigte, bestand jedenfalls am , dem Tag der Einreichung der Klageschrift gegen die frühere Verwalterin bei Gericht, ein fälliger Anspruch der Kläger, den der Beklagte erfüllt hat.

III.

14Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:150219UVZR71.18.0

Fundstelle(n):
JAAAH-15393