Pauschalrückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Divergenz
a) Die behauptete Divergenz zum (BFHE 137, 25, BStBl II 1983, 104) ist nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) in den Gründen des angefochtenen Urteils einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt hat, der die Entscheidung trägt und der von einem —ebenfalls tragenden— allgemeinen Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. Nicht jede fehlerhafte Rechtsanwendung ist zwangsläufig mit der Aufstellung eines abstrakten divergierenden Rechtssatzes durch das FG verbunden. Divergenz liegt insbesondere nicht vor, wenn das FG von der Rechtsauffassung des BFH ausgeht und diese lediglich fehlerhaft auf die Besonderheit des Streitfalles anwendet (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137, und vom I B 34/99, BFH/NV 2000, 677).
Dem Vortrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) kann allenfalls entnommen werden, dass das FG die Rechtsprechung des BFH fehlerhaft angewendet hat. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das FG die Schätzung der Pauschalrückstellung unter Berücksichtigung der gesamten Umsätze und der Gewährleistungsverpflichtungen im Gewährleistungszeitraum von fünf Jahren zusammengefasst und daraus nach den Vorgaben des BFH-Urteils eine durchschnittliche Gewährleistungsquote ermittelt hat (unter 3.c und f der Gründe des FG-Urteils).
b) Soweit die Klägerin geltend machen wollte, das FG habe die im Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom VI A 736/33 (RStBl 1933, 1205) aufgestellten Rechtssätze nicht beachtet, rechtfertigt das keine Zulassung wegen Divergenz (vgl. u.a. , BFH/NV 1994, 641). Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet aus den nachfolgenden Gründen aus.
2. Grundsätzliche Bedeutung
Die von der Klägerin gegen die Rechtsprechung des BFH zur Bewertung von Pauschalrückstellungen bei Gewährleistungsverpflichtungen vorgetragene Kritik erfordert keine erneute Entscheidung zu dieser Rechtsfrage.
a) Der BFH hat die Möglichkeit einer Pauschalrückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen seit jeher anerkannt. Diese richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit der künftigen Inanspruchnahme; das Wahrscheinlichkeitsurteil ist auf die betriebsindividuellen oder branchenüblichen Erfahrungen der Vergangenheit —bis zur Aufstellung der Bilanz des jeweiligen Streitjahres— zu stützen; die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme genügt nicht (vgl. —für Einzel- und Pauschalrückstellungen— , BFHE 140, 30, BStBl II 1984, 263, und vom X R 60/89, BFHE 170, 397, BStBl II 1993, 437, sowie —für Pauschalrückstellungen— u.a. BFH-Urteile in BFHE 137, 25, BStBl II 1983, 104, und vom VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359, zu II.2.d der Gründe, m.w.N.; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft —EuGH— vom Rs. C-275/97, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1999, 1645; zu Einzelrückstellungen bei Gewährleistungsverpflichtungen , BFH/NV 1998, 1217, und vom VIII R 77/96, BFHE 191, 339, BStBl II 2002, 227, zu II.2.b der Gründe, m.w.N.). § 6 Abs. 1 Nr. 3 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) hat die vergangenheitsbezogene Ermittlung der Rückstellungen auf der Grundlage der tatsächlichen Abwicklung der Gewährleistungsverpflichtungen nunmehr gesetzlich geregelt. Die Regelung geht —wie die bisherige Rechtsprechung— davon aus, dass der Unternehmer erfahrungsgemäß nur hinsichtlich eines Teils der Summe der Gewährleistungsverpflichtungen in Anspruch genommen wird (vgl. u.a. auch Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 6 Rz. 404, m.w.N.). Eine weitere Entscheidung des BFH wäre deshalb auch nicht mehr richtungsweisend (zur Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung bei ausgelaufenem Recht vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 35, m.w.N.).
b) Soweit die Klägerin geltend macht, die Gewährleistungsbürgschaften vermittelten ein besseres Bild von der Vermögenslage als ihre tatsächliche Inanspruchnahme aus den Gewährleistungsverpflichtungen in der Vergangenheit, weist sie nur auf das Gewährleistungsrisiko hin, das nach Einschätzung ihrer Auftraggeber besteht. Es kommt jedoch auf die aus der Sicht des Unternehmens zu erwartende tatsächliche, nicht auf eine nach der Einschätzung der Vertragspartner mögliche Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen an.
Die Ansicht der Klägerin, das bilanzrechtliche Vorsichtsprinzip fordere, bei mehreren Schätzungsalternativen die pessimistischste zu wählen, teilt die Rechtsprechung nicht; sie geht vielmehr davon aus, dass für die Bildung einer Rückstellung mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen müssen (vgl. z.B. , BFHE 142, 226, BStBl 1985, 44; , BFH/NV 1999, 162; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz. 377, m.w.N.). Die Klägerin hätte deshalb zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage vortragen müssen, wo und von wem gewichtige neue Gesichtspunkte vorgetragen worden sind, die die Fortführung dieser Rechtsprechung ernstlich in Frage stellen (zur Streitfrage vgl. u.a. Gschwendtner, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1994, 257, 265, m.w.N.). Solche Gesichtspunkte enthält auch das nach Ansicht der Klägerin von der Rechtsprechung ”vergessene” (RStBl 1933, 1205) nicht. Das Urteil verwies die Sache an das FG zurück, damit dieses die Haftungsgefahr weiter aufkläre. Gegenstand dieser Aufklärung ist —wie in der Rechtsprechung des BFH zwischenzeitlich geklärt ist— die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen.
c) Hinsichtlich der Frage, ob eine durch mehrjährige Bürgschaften abgesicherte Gewährleistungsverpflichtung in Höhe dieser Absicherung die Realisierung der Forderung des Bauunternehmers gegen seine Auftraggeber verhindere, verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 191, 339, BStBl II 2002, 227, aus dem sich ergibt, dass Gewährleistungsverpflichtungen die mit der Leistungserstellung durch das Unternehmen verbundene Gewinnrealisierung unberührt lassen (vgl. dazu auch Gschwendtner, DStZ 2000, 646, m.w.N.); die mit der Gewährleistung am Bilanzstichtag verbundenen Risiken sind durch Bildung einer Rückstellung zu erfassen. Die schlüssige Darlegung der fortbestehenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hätte eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung und den im Schrifttum vertretenen Ansichten erfordert.
d) Auch soweit die Klägerin einen Verstoß des angefochtenen Urteils gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) rügt, hat sie keinen Zulassungsgrund ”dargelegt”. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt die bloße Behauptung, eine Vorschrift sei verfassungswidrig, nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, sofern diese nicht offenkundig ist. Vielmehr ist für die Darlegung eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 82/96, BFH/NV 1997, 254; vom VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138; vom XI B 154/00, BFH/NV 2002, 203). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1313
BFH/NV 2003 S. 1313 Nr. 10
DStRE 2003 S. 1139 Nr. 19
NAAAA-71197