Pfändbarkeit von in einem Betrag ausgezahlten Kapitallebensversicherungen
Gründe
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Finanzgericht (FG) die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) wegen Abgabenrückständen in Höhe von damals ... DM erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung i.d.F. der Einspruchsentscheidung abgewiesen. Gegenstand dieser Verfügung war eine vom Kläger abgeschlossene Kapitallebensversicherung, die bei Tod des Klägers als Versicherungsnehmer, spätestens jedoch im Jahre 2005 fällig wird. Begünstigt aus der Versicherung ist die Ehefrau des Klägers. Das FG hielt die Pfändungs- und Einziehungsverfügung für rechtmäßig und führte dazu u.a. aus: Die in Rede stehende Kapitallebensversicherung sei weder nach § 851 der Zivilprozessordnung (ZPO) der Pfändung entzogen noch stünden der Pfändung über § 319 der Abgabenordnung (AO 1977) anwendbare Pfändungsschutzvorschriften entgegen. § 54 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) greife nicht, weil die Ansprüche des Klägers aus der Kapitallebensversicherung keine Sozialleistungen darstellten. § 850 Abs. 3 ZPO schütze nur Rentenzahlungen aus Versicherungsverträgen, die als wiederkehrende Bezüge gezahlt würden und dazu bestimmt seien, den laufenden Lebensunterhalt zu decken, nicht aber auch Einmalzahlungen aus Kapitallebensversicherungen. Auch § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO komme nicht zum Zuge, da diese Vorschrift nur solche Lebensversicherungen unpfändbar stelle, die ausschließlich auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen seien, wobei die Versicherungssumme einen bestimmten Betrag (seinerzeit 4 140 DM) nicht überschreiten dürfe.
Hiergegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob der in § 6 Abs. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (ALHIV) zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass dem Bürger die Mittel zur Befriedigung seines existenznotwendigen Lebensbedarfs nicht genommen werden dürften, von allgemeiner Gültigkeit sei und daher auch Vorrang vor der Durchsetzung der Ansprüche des FA wie auch anderer Gläubiger habe, mithin den Bürger vor Pfändungen schütze, die sein monatlich verfügbares Einkommen unter die Sozialhilfegrenze absenkten, wie dies im Streitfall geschehe, wenn bei einer Versorgungsrente von knapp 300 € die Ehefrau des Klägers die Leistungen aus der Lebensversicherung nicht bekäme.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat, denn dieser Frage kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht klärungsbedürftig, denn sie ist aufgrund der Systematik des Vollstreckungsrechts und der bestehenden Pfändungsschutzvorschriften eindeutig zu verneinen und im Ergebnis offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG (stillschweigend) getan hat (s. zu diesem Kriterium Bundesfinanzhof —BFH—, Beschluss vom VII B 102/94, BFH/NV 1995, 229, m.w.N.).
Wie der Senat bereits entschieden und ausführlich begründet hat, wird die Pfändung einer Kapitallebensversicherung, deren Versicherungssumme mit dem Tod des Versicherungsnehmers, spätestens jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird, nicht durch § 54 SGB I oder durch §§ 850 ff. ZPO ausgeschlossen und beschränkt, selbst wenn diese Versicherung —was im Streitfall nicht einmal der Fall ist— eine befreiende in dem Sinne ist, dass sie Voraussetzung für die Entlassung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist (, BFHE 164, 399, BStBl II 1991, 747). Derart ausgestaltete Kapitallebensversicherungen, deren Versicherungssumme in einem Betrag ausgezahlt wird, sind, auch nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte, abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Sonderfall des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, unbeschränkt pfändbar (vgl. etwa , Neue Juristische Wochenschrift 2002, 755). Ferner ist grundsätzlich geklärt, dass der Pfändungsschutz bei der Forderungspfändung (§ 319 AO 1977 i.V.m. §§ 850 bis 852 ZPO), wozu auch die Pfändung einer Kapitallebensversicherung gehört, grundsätzlich lediglich das Arbeitseinkommen und bestimmte gleichgestellte fortlaufende Bezüge des Vollstreckungsschuldners erfasst, nicht aber auch Einkommen u.a. aus Kapitalvermögen. Diese Regelung ist vom Gesetzgeber gewollt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. im Einzelnen , BFH/NV 1999, 443).
Soweit das Bundessozialgericht —BSG— (vgl. die Urteile vom 11 RAr 21/96, Sozialrecht 3-4220 § 6 Nr. 4, und vom B 7 AL 118/97 R, BSGE 83, 88) die Verwertung einer Kapitallebensversicherung bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe für unzumutbar hält und das der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung dienende Vermögen als Schonvermögen unberücksichtigt lässt, soweit sich daraus eine zusätzliche Alterssicherung errechnet, die drei Siebtel der Standardrente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht übersteigt, ist diese Rechtsprechung, wie bereits das 297227K 2, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 418) entschieden hat, auf den Bereich des Pfändungsschutzes nach den ZPO-Vorschriften nicht übertragbar.
Bei dieser Rechtsprechung geht es um die Geltendmachung eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe, der sich nach der ALHIV bemisst. § 6 Abs. 3 dieser Verordnung (i.d.F. vom , BGBl I, 3724) und ab § 1 Abs. 3 ALHIV 2002 regeln, welches Vermögen des Anspruchstellers bei der Festsetzung und Bemessung der Arbeitslosenhilfe nicht zu berücksichtigen ist. Über diesen Anwendungsbereich hinaus greifen diese Vorschriften nicht. Insbesondere kommt ihnen, anders als der Kläger meint, keine allgemeine Gültigkeit dahin gehend zu, dass dem Bürger stets der existenznotwendige Lebensbedarf verbleiben müsste und er mithin stets vor Pfändungen geschützt wäre, die sein monatlich verfügbares Einkommen unter die Sozialhilfegrenze absenken würden. Die geltenden Pfändungsschutzvorschriften kennen einen solchen Schutz nicht. Wer kein Arbeitseinkommen oder sonstiges im Sinne der Pfändungsschutzvorschriften privilegiertes Einkommen bezieht, muss es ertragen, dass seine Gläubiger nicht privilegierte Forderungen vollständig wegpfänden und er dadurch sozialhilfebedürftig wird (BFH in BFH/NV 1999, 443). Dabei darf die Rechtsstellung des Fiskus als öffentlich-rechtlicher Vollstreckungsgläubiger nach der AO 1977 nicht schlechter sein als die eines privaten Gläubigers nach der ZPO. Die sinngemäße Anwendung des Vollstreckungsschutzes nach der ZPO über § 319 AO 1977 erfasst nämlich nicht nur positiv den Bereich, der vor einer Vollstreckung geschützt ist, sondern führt vice versa auch dazu, dass der Fiskus in dem nicht geschützten Bereich die Vollstreckung grundsätzlich wie ein privater Gläubiger betreiben darf. Und dieser braucht sich bei der Pfändung einer Kapitallebensversicherung des Vollstreckungsschuldners auch nicht auf die Bemessungsregeln für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe verweisen zu lassen. Angesichts der unterschiedlichen Regelungsbereiche der Pfändungsschutzvorschriften und der Bestimmungen der ALHIV ist es nicht zu beanstanden, dass das FG auf den entsprechenden Vortrag des Klägers nicht eingegangen ist und die Sache rein vollstreckungsrechtlich beurteilt und entschieden hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1538
BFH/NV 2003 S. 1538 Nr. 12
HAAAA-71092