Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kein Antrag i. S. des § 171 Abs. 3 AO
Gesetze: AO § 171 Abs. 3
Gründe
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) reichten am ihre Einkommensteuer-Erklärung für 1991 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) ein. Sie fügten der Erklärung zwei Anschreiben bei, in denen sie aufgrund der zu erwartenden Steuererstattung ein berechtigtes Interesse an der Durchführung der Veranlagung bekundeten. Ferner legten sie im Einzelnen dar, dass die verzögerte Abgabe der Steuererklärung auf besonderen Umständen beruhe.
Das FA lehnte die beantragte Steuerfestsetzung durch Bescheid vom wegen zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Festsetzungsverjährung sei durch die Einreichung der Steuererklärung nicht gehemmt worden. Wegen der Steuerklassenwahl (III und V) und Leistungen mit Progressionsvorbehalt hätten unstreitig die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3a des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgelegen; eine Veranlagung auf Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG scheide aus. Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung stelle indessen keinen ”Antrag auf Steuerfestsetzung” i.S. des § 171 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) dar. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die sie auf die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützen. Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
1. Es kann offen bleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt; die Beschwerde kann jedenfalls keinen Erfolg haben.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Es ist hinreichend geklärt, dass die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung nicht einem Antrag auf Steuerfestsetzung i.S. des § 171 Abs. 3 AO 1977 gleichzuachten ist (ständige Rechtsprechung; grundlegend , BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124; ebenso , BFH/NV 2003, 141; Urteile vom VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356; vom V R 136/93, BFH/NV 1996, 1; Beschlüsse vom V B 95/94, BFH/NV 1995, 756; vom VI B 49/94, BFH/NV 1995, 660; Urteil vom V R 17/86, BFH/NV 1993, 279, 282; zustimmend Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 171 AO 1977 Tz. 12; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 171 AO 1977 Rz. 18; Beermann in Steuerliches Verfahrensrecht, § 171 AO 1977 Tz. 19; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 155 Tz. 27 a.E.; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 171 AO 1977 Anm. 3 a; ebenso , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 1106).
Nach § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 bewirkt ein vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellter Antrag auf Steuerfestsetzung, dass die Frist insoweit nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden ist. Als ”Antrag” in diesem Sinne sind nur Willenserklärungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörde außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen. Kein solcher Antrag ist deshalb die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung, da sie nur der Durchführung der regulären Steuerfestsetzungstätigkeit der Finanzbehörden dient. Tragend für diese Ansicht ist insbesondere der Umstand, dass durch die Auslegung des Antragsbegriffs in § 171 Abs. 3 AO 1977 die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 abschließend geregelten Auswirkungen des Einreichungszeitpunkts von Steuererklärungen auf die Festsetzungsfrist nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen unterlaufen werden dürfen, der seiner gesetzlich auferlegten Erklärungsverpflichtung nachkommt (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1356). Dabei ist nicht maßgebend, ob die eingereichte Erklärung zu einer Steuernachforderung oder -erstattung führt. Entscheidend ist allein, ob eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung besteht.
Entgegen der Ansicht der Kläger weicht das angefochtene Urteil auch nicht vom (BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3) ab. Der BFH hat bereits im Urteil in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 ausgeführt, dass die Entscheidung in BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3 zu § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 ergangen ist und zudem darauf hingewiesen, dass kein hinreichender Sachzusammenhang zwischen der hier maßgeblichen Vorschrift des § 171 Abs. 3 AO 1977 und der Vorschrift des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 besteht (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 756).
Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Kläger in zwei zusätzlichen Anschreiben vom die Steuerfestsetzung entsprechend der abgegebenen Steuererklärung beantragt haben. Es handelt sich hierbei um einen rein deklaratorischen Antrag, dem keinerlei selbständige Wirkung neben der Steuererklärung zukommt (vgl. auch , BFH/NV 2003, 141).
Die Beschwerdebegründung enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine erneute Überprüfung der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung notwendig machen würde. Grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht nicht. Insbesondere ist die Frage, ob sich das FA bei verzögerter Bearbeitung einer Steuererklärung auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung berufen kann, im Streitfall nicht rechtserheblich.
2. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 9
BFH/NV 2004 S. 9 Nr. 1
HAAAA-70807