Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Geschäftsführer der X-GmbH (GmbH). Im Jahre 1994 schied er im Alter von fünfzig Jahren aus dem Unternehmen aus. Darüber kam es zu einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht, den die Beteiligten am ... Dezember 1994 mit einem Vergleich beendeten. Danach wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum aufgehoben. Als Entschädigung für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger eine am fällige Abfindung in Höhe von 360 000 DM. Ferner sollte der Kläger den Firmen-PKW bis zum behalten und lediglich die Benzinkosten und die Kosten der notwendigen Unterhaltung tragen.
Entsprechend den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte erklärte der Kläger eine gemäß §§ 24, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbegünstigte Entschädigung in Höhe von 330 000 DM. Die Nutzung des Dienstwagens im Jahre 1995 erfasste er mit einem Nutzungswert von insgesamt 3 759 DM als laufenden Arbeitslohn des Jahres 1994. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte erklärungsgemäß mit Bescheid vom unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Einkommensteuer 1994 auf 150 591 DM fest.
Aufgrund einer bei der GmbH durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung setzte das FA durch Änderungsbescheid vom gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) die Einkommensteuer auf 249 388 DM fest. Weil die Entschädigung nicht zusammengeballt in einem Jahr zugeflossen sei, unterwarf es dabei die Barabfindung als laufenden Arbeitslohn dem normalen Steuersatz und kürzte den Arbeitslohn um den Nutzungswert des Dienstwagens. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Während des Klageverfahrens erging unter dem erneut ein geänderter Einkommensteuerbescheid 1994, in dem die Abfindung nicht ermäßigt versteuert wurde. Diesen Bescheid machten die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.
Das Finanzgericht (FG) hob den Einkommensteuerbescheid 1994 vom und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 894). Zum einen stelle der Nutzungswert einen nur verschwindend geringen Anteil an der Gesamtentschädigung in Höhe von rd. 1 v.H. dar. Zum andern beruhe die steuerliche Erfassung der PKW-Nutzung im Folgejahr nicht auf einem Entschluss der Beteiligten, sondern auf der Natur der Sache (§§ 8 Abs. 2, 11 Abs. 1, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG).
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision trägt das FA vor, nach der gefestigten Rechtsprechung seien außerordentliche Einkünfte nur dann gegeben, wenn diese in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen seien. Die vom FG vorgenommene Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze entspreche nicht der restriktiven Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Diese habe ”den Begriff der 'zusammengeballten, d.h. außerordentlichen' Einkünfte ausschließlich auf den Zufluss innerhalb eines Veranlagungszeitraums eingeengt”.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO) und zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Abfindung als Entschädigung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG ermäßigt zu besteuern ist (§ 34 Abs. 1 EStG).
1. Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche und nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernde Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Die vereinbarte Abfindung stellt unstreitig eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG dar. Die einheitlich zu beurteilende Entschädigung (vgl. , BFH/NV 1998, 1082, und Urteil vom XI R 51/95, BFHE 180, 152, BStBl II 1996, 416) umfasst vorliegend die gezahlten 360 000 DM sowie als geldwerten Vorteil den Nutzungswert des PKW in Höhe von 3 759 DM.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368; vom XI R 63/89, BFH/NV 1993, 23) sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG nur gegeben, wenn die Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Einkünfte ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung grundsätzlich nicht gegeben; eine Anwendung des § 34 EStG kommt nicht in Betracht.
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der Senat in solchen Fällen für geboten, in denen —neben der Hauptentschädigungsleistung— in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Dies sind beispielsweise solche Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung (, BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180).
Die Unbeachtlichkeit von ergänzenden Zusatzleistungen beruht auf einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; dieser aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) abgeleitete Grundsatz enthält neben den Elementen der Eignung und der Erforderlichkeit auch das Element der Angemessenheit. § 34 EStG bezweckt, die sich aus dem zusammengeballten Zufluss von Einnahmen durch den progressiv gestalteten Steuertarif ergebenden Härten zu mildern; dabei sind grundsätzlich alle Zahlungen zu berücksichtigen. Es wäre aber nach Auffassung des Senats unangemessen, ergänzende Zusatzleistungen, die in anderen Veranlagungszeiträumen gezahlt werden, als schädlich zu beurteilen, wenn diese sozialer Fürsorge entspringen. Es bedeutete einen Verstoß gegen das Übermaßverbot, wenn die ermäßigte Besteuerung der Hauptleistung in derartigen Fällen allein auf Grund der ergänzenden Zusatzleistung verhindert würde, die aus dem Gedanken der sozialen Fürsorge erbracht wird und in manchen Fällen nicht einmal die Höhe des Steuervorteils erreicht (BFH in BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180). Die Zusammenballung der Hauptleistung wird durch diese Art von ergänzenden Zusatzleistungen nicht in Frage gestellt.
3. Nach diesen Grundsätzen ist die in dem Vergleich eingeräumte Nutzungsmöglichkeit des PKW für weitere drei Monate in 1995 als eine in einem späteren Veranlagungszeitraum erbrachte ergänzende Zusatzleistung zu beurteilen, die für die ermäßigte Besteuerung der Hauptleistung unschädlich ist.
Bei der zeitlich befristeten kostenlosen Überlassung des bereits während des Anstellungsverhältnisses privat genutzten PKW's handelt es sich um eine nicht unübliche Entschädigungszusatzleistung, mit der für eine Übergangsfrist dem Kläger Vorteile erhalten bleiben sollten, die mit der bisherigen Tätigkeit verbunden waren. Auch wenn der Arbeitgeber die Verpflichtung nicht aus nachvertraglicher Fürsorgepflicht im arbeitsrechtlichen Sinne eingegangen ist, so diente sie doch dem Zweck, die Härte des Arbeitsplatzverlustes abzumildern; sie beruhte damit auf sozialen Gründen im weiteren Sinne zur Erleichterung der mit dem Arbeitsplatzverlust typischerweise verbundenen Anpassungsschwierigkeiten.
4. Die Revision des FA hat damit in der Sache keinen Erfolg; der Urteilsausspruch des FG war jedoch zu berichtigen (, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245). Die Revision ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass nicht der Einkommensteuerbescheid 1994 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung, sondern der später ergangene Einkommensteuerbescheid 1994 vom abgeändert wird. Dieser Bescheid ist gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Solange er Bestand hat, entfaltet der Bescheid vom keine Wirkung; er konnte daher vom FG nicht aufgehoben werden.
Die Berichtigung des offensichtlichen Fehlers im Tenor des Urteils des FG ist durch das Revisionsurteil möglich, einer Zurückverweisung bedarf es nicht (vgl. Albers in Baumbach/ Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 60. Aufl. 2002, § 561 Anm. 2; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 126 Rz. 8). Dies gilt auch, soweit das FA verpflichtet wird, die Steuer entsprechend festzusetzen (, BFHE 153, 101, BStBl II 1988, 663).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 448
BFH/NV 2003 S. 448 Nr. 4
WAAAA-69808