Eine Frage der Zurechnungsfähigkeit
Divergierende Rechtsprechung als Unsicherheitsfaktor
Selten zuvor fiel ein Ausblick auf die künftige Steuerpolitik so schwer wie zu Beginn dieses Jahres. Eine Prognose ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt und wirft vielerlei Fragen auf: Was passiert mit dem Soli? Wie ist es um das Schicksal der Abgeltungsteuer bestellt? Droht tatsächlich der Abbau der Abzugsmöglichkeit von Handwerkerleistungen in privaten Haushalten? Und welche neuen Entwicklungen zeichnen sich darüber hinaus ab? Werden diese von Dauer sein oder eher als Eintagsfliege enden?
Einer Marktentwicklung, die vor über 50 Jahren ihren Lauf nahm, wurde seinerzeit keine allzu lange Lebensdauer prophezeit: Leasing galt in den 1960er Jahren bei vielen Unternehmern als ein „halbseidenes und fragwürdiges Pachtgeschäft“, das nur der in Anspruch nahm, der keine andere Finanzierungsmöglichkeit hatte. Der eigentliche Grundgedanke aber, dass es auf die Nutzungsmöglichkeiten und nicht auf das (zivilrechtliche) Eigentum ankommt, setzte sich erst langsam durch. Mittlerweile wird fast ein Viertel aller neuen mobilen Investitionsgüter in Deutschland via Leasing angeschafft. Insbesondere im Mittelstand spielt Leasing als Finanzierungsinstrument eine zentrale Rolle. In der Bilanzierungspraxis führt das Auseinanderfallen von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum allerdings zu Problemen bei der Zurechnung des Leasingobjekts. In zwei Grundsatzentscheidungen musste der IV. Senat des Bundesfinanzhofs daher dazu Stellung nehmen, unter welchen Voraussetzungen sog. sale-and-lease-back-Gestaltungen sowie das Teilamortisationsleasing wirtschaftliches Eigentum in Abweichung vom zivilrechtlichen Eigentum begründen können. Auch wenn die Fortentwicklung der Leasing-Rechtsprechung durch den IV. Senat zu überzeugen vermag, scheint zweifelhaft, ob sie mit den Entscheidungen des I. Senats zur Zurechnung von Aktien bei einer Wertpapierleihe zu vereinbaren ist, worauf Brühl/Weiss auf hinweisen.
Differenzen in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs traten auch hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Organschaft zutage. Zwar sind sich die beiden Umsatzsteuer-Senate dahingehend einig, dass auch Personengesellschaften Organgesellschaften sein können. Nach Auffassung des V. Senats ist dies aber nur möglich, wenn als Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur solche Personen eingebunden sind, die auch in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Dagegen ist es nach Ansicht des XI. Senats unschädlich, wenn neben dem Organträger noch ein weiterer Gesellschafter eine Minderheitsbeteiligung an der GmbH & Co. KG hält. Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom die Organgesellschaftsfähigkeit von Personengesellschaften klarstellend geregelt. In welchen Fällen nun Handlungsbedarf besteht, zeigen Hammerl/Fietz auf auf.
Beste Grüße
Claudia Kehrein
Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 73
NWB NAAAG-69537