BAG Urteil v. - 4 AZR 331/16

Eingruppierung eines Ausbilders - Anforderung an eine "Ausbildungswerkstatt"

Gesetze: Teil III Abschn 4 Entgeltgr 9a Fallgr 2 TV EntgO Bund, Art 9 Abs 3 GG

Instanzenzug: Az: 11 Ca 235/15 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 17 Sa 951/15 E Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach dem Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund) vom , der am in Kraft getreten ist.

2Der Kläger ist gelernter Energieanlagenelektroniker und seit 1997 bei der Beklagten auf dem Bauhof des Wasser- und Schifffahrtsamtes B in A beschäftigt. Mit Bestellung vom wurde dem Kläger zu 80 vH seiner Arbeitszeit eine Tätigkeit als Lehrgeselle in der Ausbildung von Elektronikerinnen/Elektronikern der Fachrichtung Betriebstechnik übertragen. Die restlichen 20 vH seiner Arbeitszeit entfielen auf Bereitschaftsdienste.

3Der Bauhof A ist ein Bauhof entsprechend der Verwaltungsvorschrift der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (VV-WSV 1118). Er ist in einen Leitungsbereich und einen Werkstattbereich aufgeteilt. Zum Werkstattbereich gehören Werkstätten, Gewerke, Wartungstrupps, Tauchergruppe und Außenstellen/Stützpunkte (§ 4 Abs. 1 VV-WSV 1118). Eine Werkstatt besteht aus einem oder mehreren Gewerken (§ 15 Abs. 1 VV-WSV 1118). Ein Gewerk wird von einem Gewerkleiter geführt, der dem Werkstattleiter oder in besonderen Fällen direkt dem Leitungsbereich unterstellt ist (§ 16 Abs. 1 und Abs. 4 VV-WSV 1118). Im Bauhof A gibt es die Gewerke Metallbau, Schiffbau/Stahlbau und Nebengewerke, Elektroenergietechnik sowie Aufgaben der planmäßigen Unterhaltung. Die Gewerke/Werkstätten sind für die Reparatur, Wartung und Unterhaltung der maschinentechnischen Teile und Anlagen im Amtsbereich des Wasser- und Schifffahrtsamtes B zuständig. Hierin besteht ihre Hauptaufgabe. Daneben bildet der Bauhof A in den Gewerken Konstruktionsmechanik und Elektronik-Fachrichtung Betriebstechnik aus. Dabei werden jedes Jahr parallel 2 Auszubildende einer Fachrichtung eingestellt. Die Einstellung erfolgt im Wechsel, so dass für Elektronik in geraden Jahren und Konstruktionsmechanik in ungeraden Jahren eingestellt wird. Aufgrund der dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer werden in der Regel stets 6 - 8 Auszubildende zur selben Zeit im gesamten Bauhof A ausgebildet. Der Bauhof A ist derzeit mit insgesamt 21 Handwerkern einschließlich der Gewerkeleiter und Gewerkemeister besetzt. Eigene Werkstattleiter gibt es nicht. Die Leitungen der Gewerke sind direkt der Leitung des Bauhofs unterstellt. Die Ausbildung der Elektroniker, wie auch die der Mechaniker findet jeweils in einem von der Werkstatt für Elektroenergietechnik bzw. Maschinenbau getrennten, nur durch eine Zwischentür verbundenen, Raum statt.

4Im Geschäftsbereich der Generaldirektion des Wasser- und Schifffahrtsamtes, Außenstelle Mitte befindet sich nur im Bauhof M eine von der Beklagten als Ausbildungswerkstätte im Tarifsinne anerkannte Ausbildungswerkstatt. Dort werden jedes Jahr 11 Auszubildende eingestellt, so dass stets 33 bzw. aufgrund der dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer für ein halbes Jahr 44 Auszubildende in der Ausbildungswerkstatt des Bauhofs M ausgebildet werden.

5Nach Inkrafttreten des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) und des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) am wurde der Kläger nach der Entgeltgruppe 7 TVöD/Bund vergütet. Er erhält auch nach Inkrafttreten des TV EntgO Bund am weiterhin Vergütung nach dieser Entgeltgruppe.

6Mit Schreiben vom machte der Kläger erfolglos eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9a der Anlage 1 des TV EntgO Bund (EntgeltO Bund) geltend.

7Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Höhergruppierungsverlangen weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, er sei als Ausbilder in einer Ausbildungswerkstatt tätig, wie sie von Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 Abschn. 4 des Teils III EntgeltO Bund vorausgesetzt werde. Die von ihm betreuten Auszubildenden der Fachrichtung Elektrotechnik hätten - bis auf einzelne Projekte von 6 - 8 Wochen jährlich - mit den normalen Arbeiten dieses Bereichs nichts zu tun. Zwar sei die Werkstatt im Bauhof A von der Beklagten - anders als der Bauhof M - nicht förmlich als Ausbildungsstätte anerkannt. Hiervon könne seine Eingruppierung aber nicht abhängen. Im Bauhof M herrschten ähnliche Ausbildungsbedingungen wie in A. Wie dort diene auch hier die Werkstatt nur der Ausbildung und sei insoweit nicht lediglich eine Nebenfunktion, sondern im funktionellen Sinne deshalb auch Ausbildungswerkstatt. Andernfalls müsse man von einer Tariflücke ausgehen, die dadurch zu schließen sei, dass man allen Ausbildern, die zu mehr als der Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Ausbildung beschäftigt seien, eine Tätigkeit in einer Ausbildungswerkstatt zubillige. Schließlich verstoße die Beklagte mit der unterschiedlichen Organisation der Ausbildung in den Bauhöfen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

8Der Kläger hat beantragt

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei nicht, wie vom tariflichen Tätigkeitsmerkmal gefordert, in einer Ausbildungswerkstatt tätig. Der Bauhof A sei eine Unterhaltswerkstatt, in der die Ausbildung neben dem eigentlichen Zweck des Bauhofs erfolge. Ob die Ausbildung in einer eigenen Ausbildungswerkstatt organisiert werde, hänge von der Art und Anzahl der Auszubildenden ab. Voraussetzung für die Annahme einer Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne sei die gleichzeitige Ausbildung von mindestens 15 Auszubildenden einer Berufsgruppe. Es sei ihr unbenommen, den Betrieb auch hinsichtlich der Ausbildung so zu organisieren, wie sie es für richtig halte.

10Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

11Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die als allgemeine Eingruppierungsfeststellungsklage - auch hinsichtlich der Stufenzuordnung (vgl. dazu § 16 Abs. 4 TVöD/Bund) - nach der Maßgabe der Senatsrechtsprechung ohne Weiteres zulässige Klage (zu den Anforderungen vgl. zB  - Rn. 17; - 4 AZR 447/01 - zu I 1 der Gründe) ist unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

12I. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien nach dem TVöD/Bund und der hierzu mit Wirkung ab vereinbarten EntgeltO Bund.

13II. Die EntgeltO Bund enthält in ihrem Teil III Abschn. 4 für Ausbilderinnen und Ausbilder in Betrieben und Werkstätten auszugsweise folgende, für den Streitfall bedeutsame Festlegungen:

14III. Der Kläger erfüllt die Anforderungen des - hier auch nach Auffassung der Parteien - einzig in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmals der Fallgruppe 2 der Entgeltgruppe 9a EntgeltO Bund nicht. Er wird nicht in einer Ausbildungswerkstatt beschäftigt.

151. Das Landesarbeitsgericht hat von einer ausdrücklichen Bestimmung der - im Ergebnis allerdings naheliegenden - für die Eingruppierung des Klägers maßgebenden Arbeitsvorgänge abgesehen. Dies ist letztlich auch nicht erforderlich, da er bei keinem möglichen Zuschnitt der Arbeitsvorgänge die Anforderungen der Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 EngeltO Bund erfüllt.

162. Das Berufungsurteil ist schon deshalb zutreffend, weil das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass der Bauhof A, in dem der Kläger beschäftigt ist, keine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne ist.

17a) Der Kläger erfüllt zwar die sonstigen Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 EntgeltO Bund, da er über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, körperlich-handwerklich geprägte Tätigkeiten ausübt und mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt ist.

18b) Die tarifliche Anforderung einer Beschäftigung des Klägers in einer Ausbildungswerkstatt ist jedoch nicht erfüllt.

19aa) Die Auslegung des Begriffs der Ausbildungswerkstatt durch das Berufungsgericht weist keine Rechtsfehler auf.

20(1) Eine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann vor, wenn sie ihrer Zweckbestimmung nach allein Ausbildungszwecken dient, nicht aber dann, wenn in ihr im Sinne einer Nebenfunktion Auszubildende ausgebildet werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht unter Auslegung des Wortlauts im rechtsterminologischen Verständnis unter Berufung auf die Literatur zum Berufsbildungsgesetz und anhand des tariflichen Gesamtzusammenhangs dargelegt ( -). Soweit eine Werkstatt einen eigenen arbeitsorganisatorischen Zweck erfüllt, ist sie keine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne, auch wenn in ihr ausgebildet wird.

21In Kenntnis dieser Rechtsprechung zum Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes vom (MTB II - SR 2a Lohngr. 1 Fallgr. 8) und zum Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom (MTArb - Lohngr. 6) haben die Tarifvertragsparteien der EntgeltO Bund den Begriff der Ausbildungswerkstätte unverändert in die ab dem geltende EntgeltO Bund übernommen (Thies in Sponer/Steinherr TVöD Entgeltordnung Bund Stand März 2017 Anlage 1 Entgeltordnung Teil III 4. Rn. 1 I; Rundschreiben des Bundes, zit. nach Montwill in Sponer/Steinherr Vorbem § 16 Rn. 28 6.1 Bund: Rundschreiben). Es ist daher davon auszugehen, dass der Begriff keinen Bedeutungswandel erfahren sollte, sondern dass die Tarifvertragsparteien nach wie vor die Ausbildungstätigkeiten in einer Ausbildungswerkstatt höher vergüten wollten als die entsprechende Tätigkeit an anderer Stelle. Diese tarifliche Differenzierung ist im Rahmen der Tarifautonomie unbedenklich möglich (so bereits für Lohngr. I Fallgr. 8 SV 2a MTB II  -).

22(2) Die gegen diese auch durch das Berufungsgericht vorgenommene Auslegung erhobenen Bedenken der Revision sind nicht durchgreifend.

23(a) Die Revision geht zu Unrecht davon aus, dass es für die Definition einer Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne nicht auf deren Zweckbestimmung ankomme.

24(aa) Nach Ansicht des Klägers hätten die Tarifvertragsparteien die höhere Eingruppierung von Ausbildern mit abgeschlossener Berufsausbildung an die höherwertige Tätigkeit in Bezug auf die Verantwortung geknüpft, die in der Ausbildung liege. Diese liege jedenfalls dann vor, wenn die Ausbildungstätigkeit mehr als 50 vH der Arbeitszeit ausmache. Deshalb könne nicht auf die Zweckbestimmung der jeweiligen Werkstatt zurückgegriffen werden. Entscheidend sei der Zeitanteil der Ausbildungstätigkeit.

25(bb) Dies ist unzutreffend. Die Tarifvertragsparteien haben ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 EntgeltO Bund ua. an die Voraussetzung geknüpft, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers in einer Ausbildungswerkstatt erfolgt. Die Charakterisierung einer Werkstatt als Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne knüpft nicht an die - möglicherweise unterschiedlich gestalteten - Vertragsbedingungen der dort Beschäftigten an, mit der Folge, dass sie hinsichtlich eines Arbeitnehmers eine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne wäre, hinsichtlich eines anderen jedoch nicht. Ob eine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne vorliegt, ist vielmehr eine Frage der Eigenschaften der Institution selbst. Die hierzu in der Senatsrechtsprechung entwickelten Kriterien hat das Landesarbeitsgericht aufgegriffen und auf den Streitfall zutreffend angewandt.

26(b) Aus denselben Gründen ist auch das weitere Argument der Revision, die EntgeltO Bund enthalte eine unbewusste Regelungslücke in Bezug auf die Eingruppierung von Ausbildern, die mit mehr als der Hälfte ihrer Tätigkeit Ausbildungsaufgaben außerhalb von Ausbildungswerkstätten ausübten, nicht zutreffend. Eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrags kommt nicht in Betracht (vgl. zu deren Voraussetzungen  - Rn. 21 mwN). Eine Lücke in einer EntgeltO ist nicht schon immer dann gegeben, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht mit der nach seiner Meinung zutreffenden tariflichen Wertigkeit versehen worden ist. Ausbilder, dh. Handwerker, die neben ihrer „eigentlichen“ Tätigkeit durch Bestellung mit Ausbildungstätigkeiten betraut sind, sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien grundsätzlich in der Entgeltgruppe 7 EntgeltO Bund eingruppiert, unabhängig von dem zeitanteiligen Verhältnis zwischen ihrer „Basistätigkeit“ und ihrer Ausbildungstätigkeit. Auch ein zu 80 vH seiner Zeit in der Ausbildung beschäftigter Handwerker erfüllt danach das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 7 EntgeltO Bund. Nach der tariflichen Struktur ist ein Handwerker lediglich dann höher als in der Entgeltgruppe 7 EntgeltO Bund eingruppiert, wenn er - wie hier streitig - in einer Ausbildungswerkstatt beschäftigt wird (Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 EntgeltO Bund) oder wenn seine handwerkliche „Basistätigkeit“ selbst einem Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppen 8 oder 9a EntgeltO Bund zuzuordnen ist (Entgeltgruppe 9a Fallgr. 1 EntgeltO Bund), was hier nach Auffassung der Beteiligten und der Vorinstanzen nicht in Betracht kommt.

27bb) Die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts, wonach der Bauhof A, in dem der Kläger beschäftigt ist, keine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne ist, lässt keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler erkennen.

28(1) Die Zweckbestimmung der Werkstatt für Elektroenergietechnik sowie der Werkstatt für Maschinenbau im Bauhof A besteht nach der Organisation der Beklagten nicht in der Ausbildung. Diese ist nur eine Nebenfunktion der Werkstatt. Nach den den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO mangels erheblicher Verfahrensrügen bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die Werkstätten für die Reparatur, Wartung und Unterhaltung der maschinentechnischen Teile und Anlagen im Amtsbereich des Wasser- und Schifffahrtsamtes B zuständig. Hierin besteht ihre Hauptaufgabe. Dementsprechend betreut der Kläger die Auszubildenden auch während deren Praxisphasen auf den Anlagen und bei der Durchführung von Reparaturarbeiten. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch das Zahlenverhältnis der dort tätigen 21 Arbeitnehmer zu den 6 - 8 Auszubildenden, die - im Wesentlichen von 2 Ausbildern angeleitet - nicht in einem organisatorisch und funktional abgegrenzten Bereich tätig sind. Demgegenüber hat die als von der Beklagten als Ausbildungswerkstatt anerkannte, organisatorisch selbständige Werkstatt in M durchschnittlich 33 - 44 Auszubildende, die von 5 Ausbildern betreut werden, was eine mehr als doppelt so hohe Zuordnung von Auszubildenden pro Person bedeutet wie in A.

29(2) Soweit sich die Revision demgegenüber darauf beruft, die Werkstatt im Bauhof A erfülle jedenfalls die Zweckbestimmung einer Ausbildungswerkstatt, ist auch diese Rüge erfolglos.

30(a) Die Revision legt ihrer Überlegung die im Wirtschaftslexikon von Gabler gefundene Definition einer „Lehrwerkstatt“ zugrunde, wonach dies eine Sammelbezeichnung für alle schulischen, betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten sei. Deren Ziel sei die Vermittlung von Einsichten in ganzheitlich-komplexe praktische Zusammenhänge; kennzeichnend sei insoweit die Vermittlung berufspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten durch systematische (lehrgangsmäßige) und produktionsunabhängige Lernprozesse. Dieser - von der Revision selbst gewählten und in ihrer Argumentation in den Rang einer subsumtionsgeeigneten Rechtsnorm erhobenen - Definition entspreche auch die Ausbildung im Bauhof A.

31(b) Dies ist unbehelflich. Bereits die Ausgangsdefinition der „Lehrwerkstatt“ im Gabler’schen Wirtschaftslexikon entspricht nicht dem juristischen Sprachgebrauch. Eine „Sammelbezeichnung“ ist der Tarifbegriff gerade nicht. Im Gegenteil knüpft er an einen spezifischen Unterschied zwischen verschiedenen betrieblichen Ausbildungsstätten an. In seiner Entscheidung von 1988 hat der Senat - auch anhand von lexikalischen Quellen - dargelegt, dass schon der allgemeine Sprachgebrauch davon ausgeht, dass eine Ausbildungswerkstatt ausschließlich Ausbildungszwecken dient, und diese Auffassung dann in einen „entsprechenden Rechtsbegriff“ umgesetzt. Dieser werde „nunmehr“ in der Rechtsterminologie ganz allgemein in dieser Bedeutung verwandt ( -). Hierfür hat sich der Senat zusätzlich auf fünf Kommentare bzw. Monographien berufen.

32Hieran hat sich nichts geändert. Die vom Senat zitierten juristischen Auffassungen werden in aktuellen Werken weiterhin vertreten (zB Lakies/Malottke BBiG 5. Aufl. [2016] § 27 Rn. 6; Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. [2008] § 27 Rn. 11; Schieckel/Oestreicher BBiG Stand § 27 Rn. 4). Der Begriff ist von den Tarifvertragsparteien in Kenntnis dieser Rechtsprechung nicht nur nicht verändert worden, sondern gerade im Gegenteil unverändert in die seit dem geltende EntgeltO Bund übernommen worden (vgl. oben).

33IV. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin zu Recht einen Anspruch des Klägers aus einem Verstoß gegen den „allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG“ verneint.

341. Es ist zutreffend von einer sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen tariflichen Bewertung von Ausbildungs- und anderen Werkstätten ausgegangen. Diese Differenzierung liegt im weiten Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Auch die Organisation der Ausbildung durch die Beklagte mit dem Abstellen auf das zentrale Kriterium von Art und Anzahl der Auszubildenden ist sachlich gerechtfertigt. Danach kann die Beklagte wegen der deutlich niedrigeren Anzahl an Auszubildenden im Bauhof A deren Ausbildung im Rahmen der Werkstätten für Elektroenergietechnik und Maschinenbau durchführen, wohingegen im Bauhof M eine eigene Ausbildungswerkstatt eingerichtet worden ist.

352. Ein Verstoß der Tarifregelung gegen höherrangiges Recht ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Die Tarifvertragsparteien des TVöD/Bund haben mit den Eingruppierungsregelungen für Handwerker, die (auch) in der Lehrlingsausbildung tätig sind, ihren grundsätzlich sehr weiten Regelungsspielraum nicht überschritten. Dass generell die Tätigkeit in - reinen - Ausbildungswerkstätten höher bewertet wird als die Ausbildungstätigkeit eines Handwerkers in einer „normalen“ Werkstatt, ist unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden (ebenso schon  - mwN).

363. Die bewusste Anwendung einer allgemeinen übertariflichen Vergütung für Ausbilder in Werkstätten, die keine Ausbildungswerkstätten im tariflichen Sinne sind, hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit er sich auf die Ausbildung in dem Bauhof M beruft, kann dahinstehen, ob es sich bei der dortigen Werkstatt um eine Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne handelt (wofür allerdings sehr viel spricht). Die Beklagte ist dieser Auffassung und vergütet die dortigen Ausbilder aus ihrer Sicht gerade unter Anwendung der tariflichen Regelungen, also nicht bewusst übertariflich.

374. Soweit die Revision den Einwand erhebt, bei dieser Sichtweise habe es der Arbeitgeber in der Hand, durch die Entscheidung, in welchen Betrieben eine Ausbildungsstätte im tariflichen Sinne eingerichtet werde, zugleich über die Eingruppierung der jeweiligen Ausbilder („willkürlich“) zu entscheiden, ist dieser unerheblich. Selbst wenn man zugunsten der Revision unterstellt, dass diese Tarifgestaltung der beklagten Arbeitgeberin die Möglichkeit gibt, die Organisation der Erfüllung ihrer Aufgaben so zu gestalten, dass eine gezielte Einflussnahme auf die Eingruppierung der beschäftigten Mitarbeiter erfolgt, bleibt er erfolglos.

38a) Zunächst ist festzuhalten, dass es für eine „willkürliche“, dh. auf eine möglichst niedrige Eingruppierung der Mitarbeiter in A abzielende Organisation der Ausbildung durch die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte gibt. Vielmehr hat die Beklagte mit der entsprechenden Verwaltungsvorschrift der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (VV-WSV 1118) objektivierende allgemeine Kriterien geschaffen, die auch auf die Organisation der Bauhöfe A und M angewandt wurden. Danach ist die Werkstatt in M als Ausbildungswerkstatt anerkannt. Dementsprechend wird die dort ausgeübte Ausbildungstätigkeit als Erfüllung der Anforderung des entsprechenden Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 EntgeltO Bund angesehen.

39b) Ferner ist es der Vergütungsordnung im öffentlichen Dienst allgemein eigen, dass sie sich auch an der Organisation der jeweiligen Dienststelle orientiert. Das ergibt sich schon aus dem Zuschnitt der Arbeitsvorgänge, die den jeweiligen Vorgaben der Behördenleitung bei der Zuweisung des Aufgabenkreises entspricht (vgl. Protokollerklärung Nr. 1 Satz 1 zu § 12 Abs. 2 TVöD/Bund). Ob eine Hierarchie flach organisiert ist und die Mitarbeiter jeweils ein breites Spektrum der behördlichen Aufgaben erfüllen müssen, oder ob sie sehr arbeitsteilig organisiert ist, mit der Folge eines engen Zuschnitts der Arbeitsvorgänge und dementsprechend maßgeschneiderter Eingruppierungen, überlassen die Tarifvertragsparteien bewusst der Organisationshoheit des öffentlichen Arbeitgebers (vgl. dazu instr.  - Rn. 33 ff.; vgl. auch - 4 AZR 532/14 - Rn. 19; Lorenz-Schmidt, Die Eingruppierung folgt der Arbeitsorganisation, ZTR 2011, 72).

40V. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:260417.U.4AZR331.16.0

Fundstelle(n):
DAAAG-60661