NWB Nr. 41 vom Seite 3105

Berlin – München – Karlsruhe

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Stillstand in Berlin

Ins Stocken geraten ist die Regierungsbildung in Berlin. Die bevorstehende Niedersachsenwahl am 15. Oktober lähmt das Ingangsetzen der erforderlichen Sondierungsgespräche. Aber auch für die Zeit danach sind zähe Verhandlungen zu erwarten. Ob der Koalitionsvertrag, wie bei der GroKo vor vier Jahren, bis Weihnachten steht? Oder wird es sogar 2018 werden? Nicht auszuschließen. Nur eins steht jetzt schon fest, der neue Bundesfinanzminister wird nicht mehr Wolfgang Schäuble heißen. Schäuble wird am 24. Oktober bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags ins Amt des Bundestagspräsidenten gewählt werden. Wie zu hören ist, soll daher Kanzleramtsminister Peter Altmaier übergangsweise auch das Finanzministerium übernehmen. Denn Kanzleramt und Finanzministerium müssen sich eng abstimmen, sonst könnte aus dem Stillstand gar Regierungsunfähigkeit werden.

Von Stillstand kann beim BFH in München nicht die Rede sein. Ende September hat er seine Rechtsprechungsänderung zu eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen veröffentlicht (s. hierzu Trossen, NWB 40/2017 S. 3040) und weitere Entscheidungen zur Konkretisierung der neuen Grundsätze angekündigt. Erst eine Woche zuvor hat er in einem Revisionsverfahren ein wichtiges an den EuGH gerichtet. Darin zweifelt das höchste deutsche Finanzgericht an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer. Die dem EuGH vorgelegten Rechtsfragen, auf die Nacke auf eingeht, sind von erheblicher Praxisbedeutung. Sie beziehen sich in erster Linie auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings von Bedeutung sein. Auch hier besteht nach gegenwärtiger Praxis für den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Warenlieferung bereits mit der Übergabe der Ware vollständig abführen zu müssen. Selbst dann, wenn er einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.

Keine Langeweile kommt auch in Karlsruhe auf. Nachdem das erst im Frühjahr dieses Jahres § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG für verfassungswidrig erklärt hat (s. hierzu Dörr/Eggert/Plum, NWB 35/2017 S. 2661, und Viebrock/Richter, NWB 21/2017 S. 1571), darf es sich jetzt, wie von Dörr/Eggert/Plum „prophezeit“, erneut mit dieser Vorschrift auseinandersetzen. Dieses Mal geht es um § 8c (Abs. 1) Satz 2 KStG, also dem Wegfall des Verlustvortrags bei Übertragung von mehr als 50 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren. Aufgrund der steuerlichen Bedeutung dieser Verfahren verwundert es nicht, dass eine Entscheidung des BFH zum Vorliegen einer sog. Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen i. S. des § 8c Abs.  1 Satz 3 KStG nahezu unbemerkt geblieben ist. Zu Unrecht, findet Ronneberger und erläutert auf warum.

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 3105
WAAAG-58693