Instanzenzug:
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist alleiniger Erbe seines 1997 verstorbenen Vaters und seiner 1998 verstorbenen Mutter. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) hatte die Eltern des Antragstellers für die Jahre 1986 bis 1994 zusammen zur Vermögensteuer veranlagt. Den Bescheiden lagen Vermögensteuererklärungen der Eltern auf die Hauptveranlagungszeitpunkte , und zugrunde. Die vom FA auf den und den nach § 19 Abs. 1 Satz 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) angeforderten Vermögensteuererklärungen führten zu keinen Neuveranlagungen. Die Angaben zum sonstigen Vermögen i.S. von § 110 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) waren in allen Vermögensteuererklärungen unvollständig. Der Antragsteller gab, nachdem er dies festgestellt hatte, 1999 berichtigte Vermögensteuererklärungen ab. Das FA änderte daraufhin die Steuerfestsetzungen für die Jahre 1986 bis 1993 entsprechend den Angaben in den berichtigten Erklärungen, wobei es für 1988 und 1990 bis 1992 Neuveranlagungen vornahm.
Der Antragsteller legte gegen sämtliche Bescheide Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Zur Begründung berief er sich darauf, das FA habe die Mehrsteuern aufgrund der geänderten Festsetzungen sowie die Zinsen zu Unrecht nicht als Schulden berücksichtigt. Er machte zudem Festsetzungsverjährung geltend. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass § 10 VStG mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sei. Nach § 2 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) sei damit der objektive Tatbestand der Vermögensteuerhinterziehung entfallen. Dies habe zur Folge, dass im Streitfall die vierjährige und nicht die auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung —AO 1977—) gelte.
Das FA lehnte den Antrag auf AdV ab. Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) dem daraufhin beim Gericht gestellten Antrag auf AdV statt. Es hielt es für ernstlich zweifelhaft, ob nach 1996 eine Vermögensteuerhinterziehung noch strafbar sei.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen geänderten Vermögensteuerbescheide ist nicht ernstlich zweifelhaft (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Wie der Senat mit Urteil vom II R 25/99 (BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378) entschieden hat, können bezogen auf alle vor 1997 verwirklichten Tatbestände Zuwiderhandlungen gegen das bisherige Vermögensteuerrecht nach wie vor strafrechtlich verfolgt werden. Der (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) steht dem nicht entgegen. Zwar hat das BVerfG in dem Beschluss die Tarifvorschrift des § 10 Nr. 1 VStG in allen seit 1983 gültig gewesenen Fassungen für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt; es hat aber zugleich die weitere Anwendbarkeit des bisherigen Vermögensteuerrechts auf alle bis zum verwirklichten Tatbestände angeordnet. Diese Anordnung ist nicht auf das Steuerfestsetzungsverfahren beschränkt, sondern erfasst die Vorschriften des bisherigen Vermögensteuerrechts auch in ihrer Eigenschaft als Ausfüllungsnormen des § 370 AO 1977. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 StGB hindert eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung nicht, weil der Umstand, dass das Vermögensteuergesetz ab dem nicht mehr anwendbar ist, die Gesetzeslage bezüglich früherer Zeiträume/ Stichtage nicht verändert hat. Neue und bisher nicht berücksichtigte Gesichtspunkte hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Die gegen die Entscheidung in BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 1 BvR 1242/00, Steuer-Eildienst 2001, 387).
Der objektive Tatbestand der Vermögensteuerhinterziehung ist auch hinsichtlich der Steuern erfüllt, die das FA aufgrund der Neuveranlagungen festgesetzt hat. Gegenstand einer Steuerhinterziehung auf einen Neuveranlagungszeitpunkt ist regelmäßig der Steuerbetrag, der sich durch das Überschreiten der Neuveranlagungsgrenzen (§ 16 Abs. 1 VStG) ergibt. Die Steuern, die im Wege der Hauptveranlagung (§ 15 Abs. 1 VStG) für sämtliche Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums festzusetzen sind, werden bei Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung auf diesen Zeitpunkt bereits durch die Abgabe dieser Erklärung hinterzogen, wobei allenfalls über den Zeitpunkt der jeweiligen Vollendung der Tat gestritten werden kann (vgl. dazu Gotzens, in: Wannemacher, Steuerstrafrecht, Handbuch, 4. Aufl., Rz. 885). Die Steuerbeträge, die für die Jahre 1990 und 1991 im Wege der Neuveranlagung über die schon aufgrund der Hauptveranlagung auf den für diese Jahre festzusetzenden Steuern hinaus festzusetzen gewesen wären, haben die Eltern des Antragstellers dadurch hinterzogen, dass sie unrichtige Steuerklärungen auf den und den abgegeben haben. Die aufgrund der Angaben des Antragstellers durch Neuveranlagungen auf den und den festgesetzten Beträge, die über die durch die jeweilige Hauptveranlagung an sich festzusetzenden Steuern hinausgehen, haben sie hinterzogen, indem sie unrichtige bzw. unvollständige Erklärungen auf die jeweils nachfolgenden Hauptveranlagungszeitpunkte ( und ) abgegeben haben. Dadurch haben sie das FA daran gehindert, das Überschreiten der Neuveranlagungsgrenzen auf vorangehende Veranlagungszeitpunkte zu prüfen (vgl. dazu , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1986, 95; siehe auch Urteil des Reichsgerichts —RG— vom 1 D 142/33, RGSt 68, 99, 104). Die Verkürzung der aufgrund der Neuveranlagungen festzusetzenden Steuern beruht deshalb —bezogen auf diese Neuveranlagungszeitpunkte— in gleicher Weise wie die Verkürzung der auf die nachfolgenden Hauptveranlagungszeitpunkte festzusetzenden Steuern auf der Abgabe unrichtiger Vermögensteuererklärungen auf diese Zeitpunkte.
Ernstliche Zweifel, dass die Eltern des Antragstellers vorsätzlich gehandelt haben, bestehen nicht. Wie ihre —wenn auch unvollständigen— Angaben in den Steuererklärungen zeigen, war ihnen die Vermögensteuerpflicht von Kapitalvermögen bekannt. Angesichts des Umfangs des insoweit nicht erklärten Vermögens kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie die erforderlichen Angaben nur versehentlich, d.h. fahrlässig, unterlassen haben.
Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das FA die Einkommensteuer- und Vermögensteuerbeträge, die sich aufgrund der Nacherklärung des Antragstellers ergeben haben, bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nicht gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG abgezogen hat. Der Senat hat mit Urteil vom II R 81/96 (BFH/NV 1999, 913) entschieden, dass auch private Schulden vermögensteuerrechtlich nur abgezogen werden können, wenn sie zum einen am maßgeblichen Stichtag rechtlich bereits entstanden und noch nicht erloschen sind und zum anderen eine wirtschaftliche Belastung darstellen. Vorsätzlich verkürzte Steuern stellen an Stichtagen vor Aufdeckung der Steuerhinterziehung bei verständiger Würdigung der Verhältnisse keine wirtschaftliche Belastung dar, weil der hinterziehende Steuerpflichtige nicht mit einer Inanspruchnahme rechnet. Sie sind deshalb bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht abziehbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1532 Nr. 12
MAAAA-66797