BFH Beschluss v. - III B 51/16

Altersentlastungsbetrag für Kapitalerträge

Leitsatz

Die Nichteinbeziehung von der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitalerträgen in die Bemessungsgrundlage des Altersentlastungsbetrages ist verfassungsgemäß.

Gesetze: GG Art 3 Abs 1, EStG 2009 § 24a S 1, EStG 2009 § 2 Abs 5b, EStG 2009 § 32d Abs 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, GG Art 14 Abs 1

Instanzenzug:

Tatbestand

1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden für den Veranlagungszeitraum 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der im Jahr 1941 geborene Kläger vereinnahmte u.a. Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG—) und eine Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung; die 1943 geborene Klägerin bezog ebenfalls Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger erklärte ferner dem inländischen Steuerabzug unterliegende Kapitalerträge in Höhe von 36.195 €; die Klägerin erklärte entsprechende Einkünfte in Höhe von 5.243 €. Darüber hinaus erklärte der Kläger Kapitalerträge, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen hatten, sowie Zinsen aus einer stillen Beteiligung.

2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) unterwarf die Zinsen aus der stillen Beteiligung der tariflichen Einkommensteuer; die übrigen Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert. Einen Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG) gewährte das FA lediglich für die tariflich besteuerten Zinsen des Klägers aus der stillen Beteiligung.

3 Die Klage, mit der die Kläger Altersentlastungsbeträge in Höhe von insgesamt 3.496 € begehrten, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, von der Abgeltungsteuer erfasste Kapitalerträge seien gemäß § 2 Abs. 5b EStG nicht in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Altersentlastungsbetrages einzubeziehen, soweit diese durch die „positive Summe der Einkünfte“ bestimmt werde. Diese Regelung sei auch nicht verfassungswidrig.

4 Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde tragen die Kläger vor, die Rechtssache sei grundsätzlich bedeutsam und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts. Der Gesetzgeber habe einem definierten Personenkreis einen Altersentlastungsbetrag auf Einkünfte gewährt, die nicht Arbeits- oder Arbeitsersatzeinkünfte seien. Arbeits- und Arbeitsersatzeinkünfte würden steuerrechtlich besonders begünstigt, was einer zusätzlichen Entlastung durch den Altersentlastungsbetrag entgegenstehe. Für die übrigen Einkünfte treffe dies nicht zu. Sie würden unabhängig von den Besonderheiten ihrer Ermittlung in die Bemessung des Altersentlastungsbetrages einbezogen. Der Altersentlastungsbetrag sei daher zunächst auch für Einkünfte aus Kapitalvermögen gewährt worden. Diese Begünstigung sei erst nach Einführung der Abgeltungsteuer durch § 2 Abs. 5b EStG abgeschafft worden, sofern der Steuerpflichtige nicht einem niedrigeren individuellen Steuersatz als 25 % unterlag. Darin liege eine gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 des GrundgesetzesGG—) verstoßende Ungleichbehandlung. Die Abgeltungsteuer betreffe alle Steuerpflichtigen egal welchen Alters und welchen Steuersatzes. Sie rechtfertige daher nicht, dass die ihr unterliegenden Einkünfte aus der Summe der Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 5b EStG herausgenommen würden.

Gründe

5 II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit die Beschwerdebegründung überhaupt den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom III B 55/16, BFH/NV 2017, 609), nicht vor.

6 1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (z.B. , BFH/NV 2011, 636, Rz 5).

7 Die Rechtsfrage, ob die Nichteinbeziehung der nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Kapitalerträge in die Bemessung des Altersentlastungsbetrages dem Grundgesetz widerspricht, ist jedoch nicht klärungsbedürftig. Denn sie ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat; die Rechtslage ist mithin eindeutig (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 31/09, BFHE 226, 329, BStBl II 2011, 382, und vom X B 104/10, BFH/NV 2011, 1343, Rz 6; vom X B 91/16, BFH/NV 2017, 287).

8 Der Gesetzgeber hat im Bereich des Steuerrechts einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, was die Auswahl des Steuergegenstandes und die Bestimmung des Steuersatzes betrifft; er muss seine Belastungsentscheidung jedoch folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umsetzen (, BStBl II 2016, 310, betr. Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz). Das FG hat zutreffend und ausführlich begründet, dass danach verfassungsrechtliche Bedenken weder im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG noch in Bezug auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen.

9 Im Übrigen hat der Steuerpflichtige die Wahl: Die Kapitalerträge i.S. des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen dem Steuersatz von 25 %; sie erhöhen zudem aufgrund der Abgeltungswirkung auch nicht den individuellen Steuersatz (vgl. , BFH/NV 1998, 168, betr. Minderung des Altersentlastungsbetrages des einen Ehegatten durch „Verteilung“ des Sparerfreibetrages bei zusammen zu veranlagenden Ehegatten). Der Altersentlastungsbetrag wird dagegen gewährt, wenn der Steuerpflichtige sich dafür entscheidet, die Kapitalerträge bei den Einkünften i.S. des § 2 EStG zu erfassen und der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen (§ 32d Abs. 6 EStG).

10 Das angefochtene Urteil steht auch im Einklang mit den Urteilen des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2011, 798), des (EFG 2012, 1464) und des (EFG 2014, 2118, mit zustimmender Anmerkung von Rosenke, EFG 2014, 2119). Die Verfassungsmäßigkeit der Nichtgewährung des Altersentlastungsbetrages für Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterlegen haben, wird auch in der Literatur nicht infrage gestellt (z.B. Blümich/Heuermann/Fischer, § 24a EStG Rz 15; Bleschick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 24a EStG Rz 20; Schmidt/Wacker, EStG, 36. Aufl., § 24a Rz 6; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 24a Rz 6; Schneider in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 24a Rz 37). Gegenteilige Stimmen in Rechtsprechung und Literatur sind nicht ersichtlich.

11 2. Die Revision ist auch nicht wegen Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Dieser Zulassungsgrund ist ein Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom III B 85/13, BFH/NV 2014, 1186), der hier wegen der eindeutigen Rechtslage nicht vorliegt.

12 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.250417.IIIB51.16.0

Fundstelle(n):
EStB 2017 S. 356 Nr. 9
XAAAG-49252