BFH Beschluss v. - I B 30/01

Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Stiftungszweck ist nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung vom :

a) die selbstlose Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Dazu gehört die Förderung und Heilung von Menschen, die…in innere Not geraten sind, sowie die Wiedereingliederung in ihren ureigenen Lebensfluss, insbesondere durch Stabilisierung, Stärkung des Selbstvertrauens und Vermittlung innerer Würde und Achtung vor anderen;

b) die Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung durch Ausbildung an Musikinstrumenten, im Tanz und Gesang, in künstlerischen und handwerklichen Tätigkeiten und Fähigkeiten;

c) die Förderung der Kunst und Kultur auf dem Gebiet von Musik, Tanz und Gesang;

d) die Förderung des Brauchtums durch Pflege und Verbreitung von Volksmusik und Volkstanz.

Nach § 2 Abs. 2 der Satzung soll der Stiftungszweck insbesondere durch folgende Maßnahmen verwirklicht werden:

a) Durchführung oder finanzielle Unterstützung von therapeutischen Verfahren zur Heilung körperlich, geistig oder seelisch kranker Menschen zum Zweck der Wiedereingliederung in einen möglichst gesunden Lebensfluss;

b) Unterhaltung von Einrichtungen zur Wiedereingliederung und Stabilisierung von Jugendlichen;

c) Unterhaltung von Ausbildungsstätten für Instrumentalmusik, Tanz und Gesang sowie Handwerk und Kunsthandwerk;

d) Durchführung von kulturellen Veranstaltungen, z.B. Musik- und Volkstanzabenden sowie

e) Herstellung und Darstellung von Gegenständen des Brauchtums und Kunsthandwerks, z.B. alten einheimischen Trachten.

Ende 1999 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—), ihr vorläufig zu bescheinigen, dass sie nach ihrer Satzung steuerbegünstigte Zwecke i.S. der §§ 51 f. der Abgabenordnung (AO 1977) verfolge und zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bezeichneten Vermögensmassen gehöre. Das FA lehnte diesen Antrag ab (Schreiben vom ) und erließ am einen Körperschaftsteuerbescheid für 1999, durch den die Steuer auf 0 DM festgesetzt wurde. Dem Begehren der Antragstellerin, sie gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG für 1999 wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke von der Körperschaftsteuer freizustellen, entsprach das FA nicht, da —so die Begründung des FA— die Satzung nicht eindeutig die von der Antragstellerin verfolgten Zwecke erkennen lasse und auch keinen Hinweis auf die Art der anzuwendenden oder zu unterstützenden therapeutischen Verfahren enthalte. Über den Einspruch der Antragstellerin gegen den Körperschaftsteuerbescheid ist bisher noch nicht entschieden worden.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) sinngemäß, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig zu bescheinigen, dass sie mildtätige und als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke fördere und bis zur bestands- und rechtskräftigen Entscheidung über ihre Gemeinnützigkeit berechtigt sei, Spendenbescheinigungen bzw. Zuwendungsbestätigungen auszustellen, hilfsweise, im Wege einer einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Antragstellerin bis zur bestands- und rechtskräftigen Entscheidung über ihre Gemeinnützigkeit befugt sei, Spendenbescheinigungen bzw. Zuwendungsbestätigungen für mildtätige und für allgemein als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke zu erteilen.

Das FA trat dem Antrag entgegen und trug ergänzend vor: Die für die Antragstellerin tätigen Personen seien Anhänger einer von A stammenden Heilslehre. Aus einer Stellungnahme der Beratungsstelle für Religions- und Weltanschauungsfragen vom März 1996 und aus Presseveröffentlichungen ergebe sich, dass diese Lehre eine Weltanschauung und ihre Verbreitung der eigentliche Zweck der Antragstellerin sei. Da sich dieser Zweck jedoch nicht aus der Satzung ergebe, scheitere die Steuerbefreiung der Antragstellerin an §§ 59 und 60 AO 1977.

Das FG lehnte den Antrag der Antragstellerin ab (Beschluss vom ). Es bejahte zwar einen Anordnungsgrund. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass ohne den weiteren Zufluss von Spenden ihre wirtschaftliche Existenz bedroht sei und dass sie künftig nur dann noch Spenden erhalten werde, wenn das FA ihr die beantragte vorläufige Bescheinigung erteile. Den geltend gemachten Anordnungsanspruch sah das FG aber als nicht schlüssig dargelegt an. Es gebe konkrete Anhaltspunkte für die vom FA geäußerte Vermutung, dass die tatsächliche Geschäftsführung der Antragstellerin auf die Verbreitung der Lehre des A ausgerichtet sei und somit nicht mit der Satzung übereinstimme. Diese Vermutung habe die Antragstellerin nicht widerlegt. Das gehe zu ihren Lasten.

Mit der Beschwerde beantragt die Antragstellerin, den Beschluss des FG aufzuheben und das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine vorläufige Bescheinigung darüber zu erteilen, dass sie mildtätige und als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke fördert und bis zur bestands- und rechtskräftigen Entscheidung über ihre Steuerbegünstigung berechtigt ist, für Spenden, die ihr zur Verwendung für ihre satzungsmäßigen Zwecke zugewendet werden, bis zum Veranlagungszeitraum 1999 förmliche Spendenbescheinigungen und ab dem Veranlagungszeitraum 2000 förmliche Zuwendungsbestätigungen auszustellen, hilfsweise, im Wege einer einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Antragstellerin bis zur bestands- und rechtskräftigen Entscheidung über ihre Steuerbegünstigung befugt ist, bis zum Veranlagungszeitraum 1999 förmliche Spendenbescheinigungen und ab dem Veranlagungszeitraum 2000 förmliche Zuwendungsbestätigungen für mildtätige und allgemein als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke zu erteilen.

Außerdem hat die Antragstellerin beantragt, ihr wegen der rechtlichen Tragweite des Verfahrens Gelegenheit zur mündlichen Erörterung zu geben.

Das FA hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist vom FG zugelassen worden (§ 128 Abs. 3 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und die Antragstellerin hat das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt.

Das Rechtsmittel ist begründet, soweit die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt, durch die ihr —zeitlich begrenzt— die Möglichkeit eröffnet wird, in der Zukunft steuerlich begünstigte Spenden zu erhalten. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, soweit mit ihr das Ziel verfolgt wird, Bestätigungen über den Empfang steuerlich begünstigter Zuwendungen auch für die bereits in der Vergangenheit erhaltenen Zuwendungen erteilen zu dürfen.

1. Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist u.a., dass die Antragstellerin einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem sie ihr Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung —ZPO—; , BFH/NV 1997, 428; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 114 Rz. 56 f.).

Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine einstweilige Regelung in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn ohne eine vorläufige Regelung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz der Antragstellerin bedroht wäre (BFH in BFH/NV 1997, 428; Gräber/Koch, a.a.O., § 114 Rz. 48, 49; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 114 FGO Rz. 49 f.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., 1995, § 114 FGO Rz. 77). Geringere Beeinträchtigungen der Antragstellerin bei Fortbestehen des bisherigen Zustandes reichen grundsätzlich nicht aus.

Anordnungsanspruch ist in Fällen des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO der Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis, der sich aus dem künftigen Hauptsachebegehren ableiten lässt (Senatsbeschluss vom I B 246/93, BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899; Gräber/ Koch, a.a.O., § 114 Rz. 44; Gosch, a.a.O., § 114 FGO Rz. 34, 41 f.).

Da eine einstweilige Anordnung nur dem vorläufigen Rechtsschutz dient, muss sich die Regelungsanordnung auf eine vorläufige Regelung beschränken. Sie ist grundsätzlich unzulässig, soweit sie das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnehmen und damit dieser endgültig vorgreifen würde (BFH-Beschlüsse vom VII B 127/69, BFHE 97, 575, BStBl II 1970, 222; in BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899; zu den Ausnahmen s. Senatsbeschluss vom I B 82/98, BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320, m.w.N.).

2. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund schlüssig dargelegt und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht.

a) Aufgrund der Entscheidung des FA vom ist es der Antragstellerin zur Zeit verwehrt, damit zu werben, die an sie geleisteten Spenden seien gemäß § 10b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich begünstigt. Dies führt mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass ihre Spendeneinnahmen erheblich nachlassen und längerfristig gegen Null tendieren werden. Fast alle Spender legen großen Wert darauf, ihre Spenden steuerlich gemäß § 10b EStG abziehen zu dürfen. Solange die Antragstellerin die für den steuerrechtlichen Spendenabzug erforderlichen Zuwendungsbestätigungen (s. § 50 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000EStDV 2000—) nicht erteilen darf, werden die Spendenwilligen sich daher mit Spenden an die Antragstellerin weitgehend zurückhalten.

Das gilt auch für die Stifterin Frau B, die bisher durch ihre Zuwendungen die Tätigkeiten der Antragstellerin finanzierte (im Jahr 1999: Zuwendung von 100 000 DM und Zusage einer weiteren Zuwendung von 100 000 DM, falls die Antragstellerin als steuerbegünstigte Stiftung vom FA anerkannt wird; vom 1. Januar bis : Zuwendung von 299 800 DM). Die Stifterin hat zwar nach Angaben der Antragstellerin auch nach dem und somit in Kenntnis der ablehnenden Entscheidung des FA noch eine Zuwendung geleistet. Diese diente aber nur zur Überbrückung der Zeit bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens. Sie lässt somit nicht den Schluss zu, die Stifterin werde auch bei einem für die Antragstellerin erfolglosen Beschwerdeverfahren weiterhin bereit sein, Spenden an die Antragstellerin zu leisten, die möglicherweise steuerlich nicht begünstigt sind.

b) Ohne weitere Spendeneinnahmen muss die Antragstellerin ihre Tätigkeit alsbald einstellen und ihre bisher aufgebaute Organisation auflösen. Dies würde ihre wirtschaftliche Existenz vernichten. Wie die vorgelegten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen zeigen, finanzierte sich die Antragstellerin bisher fast ausschließlich durch Zuwendungen der Stifterin B. Die Einnahmen aus den von der Antragstellerin angebotenen Kursen waren gering (1999: ca. 3 000 DM; Januar bis September 2000: ca. 9 200 DM). Sie deckten die Personal- und Sachkosten der Antragstellerin (1999: ca. 66 600 DM; Januar bis September 2000: ca. 274 000 DM) zu weniger als 5 %. Die Antragstellerin hat auch glaubhaft gemacht, dass sie sich die für die Fortführung ihrer Tätigkeiten erforderlichen Mittel weder durch die Aufnahme von Krediten noch durch Veräußerung ihrer geringen Vermögenswerte verschaffen kann.

c) Der von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung steht nicht entgegen, dass eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnehmen und damit dieser Entscheidung endgültig vorgreifen darf.

Die Antragstellerin begehrt eine nur vorläufige Regelung. Sie will durch die einstweilige Anordnung lediglich erreichen, dass ihr bis zum bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens (= Einspruchs- und ggf. anschließendes Klageverfahren wegen Körperschaftsteuer 1999) die Möglichkeit eröffnet wird, steuerlich begünstigte Spenden zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, genügt es, dass das FA der Antragstellerin eine Bescheinigung erteilt, durch die sie vorläufig als eine mildtätigen und als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecken dienende und zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezeichneten Vermögensmassen gehörende Stiftung anerkannt wird (sog. vorläufige Bescheinigung). Eine solche Bescheinigung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine das FA nicht bindende Rechtsauskunft (Senatsbeschluss in BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320, m.w.N.). Faktisch wirkt sie allerdings hinsichtlich des Rechts auf Empfang steuerlich begünstigter Spenden so, als sei die Antragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Das kann zu erheblichen Fehlleitungen von Spenden führen, die für steuerlich begünstigte Zwecke zu verwenden sind, sofern sich im Veranlagungsverfahren und dem sich u.U. anschließenden Klageverfahren erweist, dass die Antragstellerin bei Erhalt und Verwendung der Spenden nicht die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllte. Dies steht dem Erlass der begehrten Regelungsanordnung jedoch nicht entgegen. Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss in BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320 verwiesen (s.a. , BStBl I 2000, 814).

3. Die Antragstellerin hat auch den Anordnungsanspruch schlüssig dargelegt und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht.

a) Das streitige Rechtsverhältnis, aus dem sie ihren Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung herleitet, ist das zwischen ihr und dem FA bestehende Steuerrechtsverhältnis. Aus ihm ergibt sich ein Anspruch der Antragstellerin auf Erlass von Körperschaftsteuerfreistellungsbescheiden für abgelaufene Veranlagungszeiträume, in denen die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG erfüllte und keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhielt, mit dem sie der Besteuerung unterliegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Sätze 2 und 3 KStG). Steht der Antragstellerin für den Veranlagungszeitraum 1999 —wie sie im Hauptsacheverfahren geltend macht— ein Anspruch auf Erlass eines Freistellungsbescheides zu, dann ist sie auch für die Folgejahre vorläufig zum Empfang steuerbegünstigter Spenden berechtigt. Sie darf nach ständiger Verwaltungspraxis in den Zuwendungsbestätigungen auf den für einen früheren Veranlagungszeitraum ergangenen Freistellungsbescheid verweisen und damit um steuerbegünstigte Spenden werben (s. Texte der amtlich vorgeschriebenen Vordrucke der Zuwendungsbestätigungen in BStBl I 1999, 979 f., 982; , BStBl I 2000, 1557 f., 1560, 1561; s.a. , BStBl I 2000, 592). Der Freistellungsbescheid wirkt insoweit wie eine vorläufige Bescheinigung. Aus dem streitigen Rechtsverhältnis lässt sich folglich ein Anspruch der Antragstellerin gegen das FA auf Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung für die Zukunft herleiten.

b) Zwar besteht grundsätzlich kein Anspruch gegen das FA auf Erteilung einer dessen Rechtsauffassung widersprechenden Rechtsauskunft (s. Senatsurteil vom I R 107/91, BFH/NV 1993, 13). Dies schließt es aber nicht aus, dass das Gericht eine Regelungsanordnung erlässt, durch die das FA zur Erteilung einer seiner Rechtsauffassung widersprechenden vorläufigen Bestätigung verpflichtet wird. Ob der Anordnungsanspruch besteht, hängt nicht davon ab, wie das FA die Rechtslage in Bezug auf die Richtigkeit der begehrten Rechtsauskunft beurteilt. Vielmehr ist insoweit entscheidend, ob das Gericht den Anspruch als schlüssig darlegt und dessen tatsächliche Voraussetzungen als glaubhaft gemacht ansieht (Senatsbeschluss in BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320; s.a. BMF-Erlass in BStBl I 2000, 814).

c) Die Verfahrensbeteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Antragstellerin für das Jahr 1999 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit und für die Folgejahre vorläufig zum Empfang steuerbegünstigter Spenden und zur Erteilung von Zuwendungsbestätigungen i.S. des § 50 Abs. 1 EStDV 2000 berechtigt ist, falls sich erweist, dass die Satzung der Antragstellerin dem Bestimmtheitsgebot des § 60 Abs. 1 AO 1977 genügt und die tatsächliche Geschäftsführung der Antragstellerin ausschließlich auf die Erfüllung der in der Satzung genannten steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist (§ 63 Abs. 1 AO 1977). Der beschließende Senat teilt diese Auffassung. Die ihm vorliegenden Akten lassen nicht erkennen, dass die Steuerbefreiung aus anderen als den vom FA vorgetragenen Gründen zu versagen sein könnte.

d) Die Satzung der Antragstellerin erfüllt das Bestimmtheitsgebot des § 60 Abs. 1 AO 1977 (sog. formelle Satzungsmäßigkeit), da sie ihm nach ständiger Rechtsprechung des Senats bereits dann genügt, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung aufgrund einer Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben (, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844; vom I R 95/97, BFH/NV 1999, 739; vom I R 2/98, BFH/NV 2000, 297).

Entgegen der Auffassung des FA und der vom FG geäußerten Zweifel ist der in § 2 Abs. 1 Buchst. a der Satzung genannte Stiftungszweck ausreichend bestimmt. Die ”selbstlose Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind”, ist eine Umschreibung des Begriffs ”mildtätige Zwecke” (§ 53 Satz 1 Nr. 1 AO 1977). Diese gehören nach § 51 Satz 1 AO 1977 zu den steuerbegünstigten Zwecken. Welchen konkreten mildtätigen Zweck die Antragstellerin verfolgt, ergibt sich aus der Satzungsbestimmung, nach der zu der Unterstützung die Förderung und Heilung von in ”innere Not” geratenen Menschen gehört, die wieder ”in ihren ureigenen Lebensfluss” eingegliedert werden sollen. Diese Wiedereingliederung soll ”insbesondere durch Stabilisierung, Stärkung des Selbstvertrauens und Vermittlung innerer Würde und Achtung vor anderen” geschehen. Die ungebräuchliche und aus sich heraus unverständliche Formulierung ”Wiedereingliederung in ihren ureigenen Lebensfluss” lässt sich aufgrund dieser in der Satzung selbst enthaltenen Erläuterungen dahin gehend auslegen, dass die Antragstellerin Menschen, die ihr seelisches oder psychisches (= inneres) Gleichgewicht verloren haben und darunter leiden (= in Not geraten sind), mit dem Ziel unterstützen will, wieder ein ihnen eigenes seelisches oder psychisches Gleichgewicht zu erlangen, das auf Selbstvertrauen und Selbstachtung sowie der Achtung der Würde auch der Mitmenschen gründet.

Die Satzung bestimmt in § 2 Abs. 2 auch genau genug, auf welche Art und Weise die Antragstellerin den in § 2 Abs. 1 Buchst. a festgelegten Satzungszweck verwirklichen will. Es ist für die Steuerbefreiung unschädlich, dass die anzuwendenden oder finanziell zu unterstützenden therapeutischen Verfahren in der Satzung nicht in Form von Therapieplänen beschrieben oder auf bekannte Formen der psychotherapeutischen Behandlung beschränkt werden. Therapieverfahren unterliegen einem steten Wandel und werden fortentwickelt. Eine satzungsmäßige Festlegung und damit Begrenzung auf bestimmte Therapieverfahren würde es der Antragstellerin erschweren, rasch erfolgversprechende neue Therapieverfahren anzuwenden und zu fördern, und liefe damit dem Satzungszweck zuwider. Sachgerechter und für die formelle Satzungsmäßigkeit auch ausreichend ist es, dass die anzuwendenden und zu fördernden Verfahren hinsichtlich ihrer erstrebten Wirkungen konkretisiert werden. Denn auf diese kommt es an. Eine solche Konkretisierung enthält die Satzung der Antragstellerin (”Verfahren zur Heilung kranker Menschen zum Zweck ihrer Wiedereingliederung in einen möglichst gesunden Lebensfluss”). Damit schließt die Satzung z.B. die Anwendung und Förderung von Therapieverfahren aus, durch die Menschen in die Gefahr psychischer Abhängigkeit geraten oder indoktriniert oder isoliert werden.

e) Die Antragstellerin hat auch schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihre bisherige tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung ihrer satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war und somit nicht gegen § 63 Abs. 1 AO 1977 verstieß. Die von der Antragstellerin vorgelegten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen enthalten keine Hinweise darauf, dass die Antragstellerin bisher andere als ihre satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke verfolgte. Die Vorsitzende des Vorstandes der Antragstellerin hat am an Eides Statt versichert, die Antragstellerin werde entsprechend den Vorgaben ihrer Satzung tätig.

Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe des FA gewesen, schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sich die Antragstellerin nicht auf die Verfolgung ihrer satzungsmäßigen Zwecke beschränkte, sondern —was das FA vermutet und das FG für möglich erachtet— die Heilslehre des A verbreitet und damit einen nicht in ihrer Satzung festgelegten Zweck verfolgt. Entgegen der Auffassung des FG trägt das FA und nicht die Antragstellerin die Feststellungslast für die Tatsachen, auf die das FA seine Vermutung stützt. Aus dem Senatsurteil vom I R 39/78 (BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482 —dort Nr. 5 c Abs. 2 der Entscheidungsgründe—) ergibt sich nichts anderes.

Der Vortrag des FA ist hinsichtlich der geäußerten Vermutung nicht schlüssig. Die vom FA zu den Steuerakten der Antragstellerin genommene Stellungnahme der Beratungsstelle für Religions- und Weltanschauungsfragen vom befasst sich zwar kritisch mit der Person und Lehre des A und seinen ”Unternehmungen”. Dass dazu auch die erst 1999 errichtete Antragstellerin gehört, lässt sich der Stellungnahme aber nicht entnehmen. Der Zeitungsartikel vom September 1999, in dem u.a. ein Mitarbeiter der…Kirche mit dem Satz zitiert wird, die Anhänger des ”Guru” A seien auf diesen geistig und psychisch fixiert und von ihm abhängig, enthält allerdings die Behauptung, die Stifterin B gelte als Anhängerin des A. Dass die Antragstellerin dessen Lehre verbreite, wird in dem Artikel und den anderen vom FA vorgelegten Zeitungsartikeln jedoch nicht behauptet. Auch die Tatsache, dass A Leiter einiger Musik- und Kunstkurse der Antragstellerin ist, lässt nicht den Schluss zu, die Antragstellerin verbreite seine Heilslehre. A gehört keinem Organ der Antragstellerin an. Dass und in welcher Form er dennoch auf die tatsächliche Geschäftsführung der Antragstellerin mit dem Ziel der Verbreitung seiner Lehre erfolgreich eingewirkt habe, hat das FA noch nicht einmal substantiiert behauptet.

4. Der angegriffene Beschluss des FG widerspricht diesen Erkenntnissen. Er war daher aufzuheben. Das FA war im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine Bescheinigung zu erteilen, durch die die Antragstellerin vorläufig als eine mildtätigen und als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecken dienende und zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezeichneten Vermögensmassen gehörende Stiftung anerkannt wird. Die Bescheinigung ist zu befristen. Fristbeginn ist der in diesem Beschluss angegebene Tag der Entscheidung über die Beschwerde. Die Frist darf frühestens einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in dem Einspruchsverfahren wegen Körperschaftsteuer 1999 an die Antragstellerin bzw. ihre Verfahrensbevollmächtigten enden. Dem FA steht es frei, von Anfang an oder während der laufenden Frist ein späteres Fristende zu bestimmen.

In die Bescheinigung ist folgende Auflage aufzunehmen:

”Auf diese vorläufige Bescheinigung darf nur in Zuwendungsbestätigungen Bezug genommen werden, die für Zuwendungen ausgestellt werden, die die Stiftung während der Geltungsdauer dieser Bescheinigung erhalten hat.”

5. Soweit die Antragstellerin beantragt, das FA zur Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung zu verpflichten, durch die die Antragstellerin die Möglichkeit erhält, auch für die bereits vor der Entscheidung des Senats erhaltenen Zuwendungen eine zum Abzug nach § 10b EStG berechtigende Spenden- bzw. Zuwendungsbestätigung auszustellen, war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Eine auch für die Vergangenheit wirkende vorläufige Bescheinigung ist zur Abwendung der Existenzgefährdung der Antragstellerin nicht nötig. Nach dem Vortrag der Antragstellerin hat die Stifterin weitere Zuwendungen nicht davon abhängig gemacht, dass sie schon vor dem bestands- oder rechtskräftigen Abschluss des Einspruchs- oder Klageverfahrens wegen Körperschaftsteuer 1999 für die bereits geleisteten Zuwendungen eine zum Abzug nach § 10b EStG berechtigende Spenden- bzw. Zuwendungsbestätigung erhält.

6. Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 921 Abs. 1 ZPO). Dem sinngemäß gestellten Antrag der Antragstellerin, mündlich zu verhandeln, hat er wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nicht entsprochen.

7. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits haben das FA und die Antragstellerin je zur Hälfte zu tragen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass sich das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der beantragten einstweiligen Anordnung nach der Summe der Zuwendungen bemisst, für die aufgrund der erstrebten vorläufigen Bescheinigung Spenden- bzw. Zuwendungsbestätigungen ausgestellt werden dürfen, und dass die Antragstellerin aufgrund der zu erteilenden Bescheinigung etwa ebenso hohe Zuwendungen wie in der Zeit bis zur Entscheidung des Senats über die Beschwerde erhalten wird.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1223 Nr. 10
IAAAA-66674