BFH Beschluss v. - XI B 23/01

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den vom Gesetz gestellten Anforderungen.

Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F., der im Streitfall noch anzuwenden ist (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom , BGBl I 2000, 1757, muss in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde wie im Streitfall auf grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. gestützt, so muss der Beschwerdeführer nach ständiger Rechtsprechung des BFH konkret auf die Rechtsfrage u n d ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Hat der BFH bereits früher über die streitige Rechtsfrage entschieden, so ist ferner darzulegen, weshalb der Beschwerdeführer eine erneute Entscheidung des BFH zu der Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält. Die grundsätzliche Bedeutung wird auch nicht mit der Behauptung dargelegt, die vom Finanzgericht (FG) angewendete Vorschrift oder die angewandten Rechtsgrundsätze der BFH-Rechtsprechung seien verfassungswidrig (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnrn. 61 ff.).

1. Zur formgerechten Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde genügt es daher nicht, wenn die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Beschwerdeschriftsatz vortragen, dass ihrer Auffassung nach die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur sog. tatsächlichen Verständigung gesetzes- und verfassungswidrig seien, weil die Abgabenordnung (AO 1977) —anders als z.B. das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)— einen Vergleich über Steueransprüche nicht zulasse. In Anbetracht der vielfachen höchstrichterlichen Bestätigung der Rechtsgrundsätze zur sog. tatsächlichen Verständigung (ständige Rechtsprechung seit , BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354; vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 1073) hätten sich die Kläger eingehend mit Rechtsprechung und Literatur auseinandersetzen müssen, um ein Allgemeininteresse an der nochmaligen Klärung der Bindungswirkung der sog. tatsächlichen Verständigung schlüssig darzulegen.

Im Übrigen hat sich der BFH tatsächlich bereits mit den Einwendungen der Kläger zur Unzulässigkeit von Vergleichen im Steuerrecht befasst (vgl. z.B. BFH-Entscheidung in BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354; , BFHE 162, 211, BStBl II 1991, 45). Geklärt ist auch, dass Rechtsgrundlage für die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist (vgl. z.B. BFH in BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354; , BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625) und (Ausgangs-)Grundlage für die Anwendung des § 242 BGB das konkrete Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt ist (vgl. z.B. , BFHE 164, 168, BStBl II 1991, 673). Auch ist die Anwendbarkeit der Grundsätze von Treu und Glauben im Rahmen eines Steuerrechtsverhältnisses anerkannt (vgl. z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977, Tz. 49, m.w.N.).

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) —entgegen der Auffassung der Kläger— die Aufgabe und Befugnis der Gerichte zur richterlichen Rechtsfortbildung stets bejaht (vgl. z.B. u.a., BVerfGE 69, 188, 203, m.w.N.).

2. Soweit im Beschwerdeschriftsatz die Frage aufgeworfen wird, ob, ggf. unter welchen Umständen die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung wieder entfallen kann, wurden weder Klärungsbedürftigkeit noch Klärungsfähigkeit dargelegt.

Dass eine ”tatsächliche Verständigung” grundsätzlich für beide Parteien bindend ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH und bedarf insoweit keiner weiteren Klärung (vgl. z.B. Leitsatz in BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354). Daraus ergibt sich eindeutig, dass sie grundsätzlich nicht einseitig widerrufen werden kann und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung nicht steuerlich beraten war. Die Frage, ob die Bindungswirkung bei arglistiger Täuschung, widerrechtlicher Drohung u.ä. entfallen muss, könnte im Streitfall im Revisionsverfahren aus tatsächlichen Gründen nicht geklärt werden. Denn das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin nicht durch Drohungen o.ä. der Betriebsprüferin zur Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung gezwungen wurde. An diese Feststellung wäre der Senat auch im Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Fundstelle(n):
ZAAAA-66544