Gemeinnützigkeit bei politischer Ausrichtung eines Vereins – Auslegung des Zwecks des demokratischen Staatswesens – Politische
Bildung als Teil der gemeinnützigen Volksbildung
Leitsatz
Die Betätigung einer gemeinnützigen Körperschaft mit politischer Ausrichtung ist dann nicht gemeinnützigkeitsschädlich, wenn
sie der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke dient und diesem gemeinnützigen Zweck funktional untergeordnet ist.
Eine gemeinnützigkeitsschädliche Betätigung liegt dagegen vor, wenn die politische Zielrichtung der Betätigung einer gemeinnützigen
Körperschaft Selbstzweck ist.
Im Rahmen der Gemeinnützigkeit beschränkt sich die Überprüfung der Finanzbehörden bzw. des Gericht darauf, ob das Tätigwerden
der gemeinnützigen Körperschaft grundsätzlich geeignet ist, den in der Satzung genannten gemeinnützigen Zweck zu fördern.
Es ist keine Wertbeurteilung darüber zu treffen, ob eine auf die Förderung des gemeinnützigen Zwecks gerichtete und auch ansonsten
mit der Rechtsordnung vereinbare Maßnahme zweckmäßig oder billigenswert erscheint.
In der Art und Weise, wie und durch welche Maßnahmen die gemeinnützige Körperschaft ihre Zwecke verfolgt, ist die gemeinnützige
Organisation grundsätzlich frei, solange das konkrete Handeln auf die Förderung der Satzungszwecke gerichtet und dazu geeignet
ist.
Werden mehrere gemeinnützige Zwecke nebeneinander verfolgt oder überschneiden sich diese, ist dies unschädlich für die Gemeinnützigkeit
einer Körperschaft, sofern alle von der Körperschaft tatsächlich verfolgten Zwecke in der Satzung genannt und als gemeinnützig
anerkannt sind.
Eigene Tätigkeiten der Mitglieder einer gemeinnützigen Körperschaft oder von anderen Personen im Namen der Körperschaft erbrachte
Tätigkeiten muss sich diese zurechnen lassen, wenn dafür Mittel der Körperschaft verwendet werden oder sie das Vorgehen duldet.
Der gemeinnützige Zweck des demokratischen Staatswesens ist weit auszulegen. Er umfasst das Demokratieprinzip als Grundpfeiler
unserer Verfassung, das unter Rückgriff auf die Verfassungsbegriffe nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, das Demokratieprinzip, die
Gewaltenteilung, den Rechtstaat und das Sozialstaatsprinzip bestimmt wird.
Die Förderung bestimmter Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art (Partikularinteressen) sowie eine auf den kommunalen Bereich
beschränkte Förderung sind nicht gemeinnützig.
Die Gerechtigkeit, insbesondere auch in Form der Steuergerechtigkeit ist eine Kernkomponente des Sozialstaatsprinzips und
dient zur Sicherung des sozialen Friedens, der Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie ist.
Die Solidarität ist als Kernelement des Sozialstaatsprinzips, das durch den Ausgleichsgedanken der Sozialpflichtigkeit geprägt
ist, von dem verfassungsrechtlichen Grundwert des demokratischen Gemeinwesens mitumfasst.
Die Förderung des demokratischen Staatswesens verlangt im Hinblick auf die Auswirkungen der Globalisierung auf unsere exportorientierte
Volkswirtschaft kein ausschließlich nationales Verständnis der Solidarität.
Politische Bildung ist Teil des gemeinnützigen Zwecks der Volksbildung. Sie muss sachlich und möglichst umfassend informieren
und dabei zur Schaffung und Förderung der politischen Wahrnehmungsfähigkeit und des politischen Verantwortungsbewusstseins
führen. Dabei ist nicht nur die Darstellung des Status quo erlaubt, sondern es ist vielmehr geboten, gesellschaftspolitische
Themen aufzugreifen und auch Alternativen aufzuzeigen.
Die Information zur Erreichung des Bildungswegs braucht sich nicht nur auf theoretische Unterweisungen zu stützen, vielmehr
kann die Information auch durch einen Aufruf zu konkreten Handlungen ergänzt werden und mit bestimmten Forderungen verknüpft
sein.
Grundsätzlich sind alle rechtmäßigen Aktionsformate zulässig, z.B. Demonstrationen, Petitionen, Seminare, öffentliche Veranstaltungen,
sofern die Aktionen im Gesamtzusammenhang und mit der Zielrichtung zu dem gemeinnützigen Zweck stehen, in ein umfassendes
Informationsangebot eingebettet sind und dazu dienen, sich Gehör zu verschaffen. Dabei müssen die Maßnahmen in erster Linie
von einem inhaltlichen Anliegen getragen sein und dazu dienen dem Informationsangebot bzw. dem sonstigen gemeinnützigen Zweck
Gehör zu verschaffen.
Die Anknüpfung an tagespolitische Ereignisse ist zulässig, sofern die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft
ist, sondern der Vermittlung der Ziele der Körperschaft dient.
Es ist unschädlich, wenn die gemeinnützige Zweckverfolgung der gemeinnützigen Körperschaft mit den Meinungen und Interessen
einer Partei konform läuft, solange nicht insgesamt eine Parteilinie gefördert wird oder wenn der gemeinnützige Zweck als
Ziel des Tätigwerdens nicht erkennbar ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStR 2016 S. 8 Nr. 47 DStR 2017 S. 8 Nr. 32 DStRE 2017 S. 1128 Nr. 18 ErbStB 2017 S. 270 Nr. 9 KSR direkt 2016 S. 12 Nr. 12 SAAAG-46653
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