Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine von ihm seit September 1990 getrennt lebende und inzwischen geschiedene Ehefrau sind zu je 50 v.H. Miteigentümer des 1987 angeschafften und bis zur Trennung gemeinsam bewohnten Einfamilienhauses in A.
Für das Streitjahr 1990 beantragte die Ehefrau im März 1991 beim Finanzamt B getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer und machte 50 v.H. der Steuerbegünstigung gemäß § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Haus geltend, die antragsgemäß in Höhe von 7 479 DM berücksichtigt wurde. Das Finanzamt B informierte den für die Veranlagung des Klägers zuständigen Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) im Juli 1991 über die getrennte Veranlagung und teilte die Besteuerungsmerkmale der Ehefrau zur Ermittlung der abziehbaren Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen mit.
Mit Schreiben vom forderte das FA die Eheleute zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1990 mit Fristsetzung bis zum auf.
In einem Vergleich vom vor dem Amtsgericht C trafen der Kläger und seine Ehefrau unter anderem folgende Vereinbarung:
"Die Parteien sind darüber einig, dass das in ihrem Miteigentum stehende Wohnanwesen in A, ab Rechtskraft der Scheidung in das Alleineigentum des Klägers übergehen soll. Die Ehefrau des Klägers verpflichtet sich, alle für den Übergang des Alleineigentums erforderlichen Erklärungen abzugeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die bestehenden Hauslasten vom Kläger allein getragen werden und dass dieser seine Ehefrau im Innenverhältnis insoweit freistellt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger sämtliche steuerlichen Vorteile aus dem Hauseigentum zufließen.”
Nachdem das FA die Eheleute erneut mit Schreiben vom an die Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1990 erinnert hatte, gab der Kläger diese am mit dem Antrag auf Zusammenveranlagung ab.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für 1990 führte das FA unter Hinweis auf die getrennte Veranlagung der Ehefrau auch für den Kläger eine getrennte Veranlagung durch und berücksichtigte den geltend gemachten Abzugsbetrag nach § 10e EStG nur zur Hälfte, weil der Kläger nur zu 50 v.H. Eigentümer des Grundstücks sei.
Dagegen erhob der Kläger mit der Begründung Einspruch, bis zum Zeitpunkt der Trennung im September 1990 seien der Ehefrau die hälftigen Steuerabzugsbeträge durch den Eintrag der vollen Steuerbegünstigung auf der Lohnsteuerkarte des Klägers und der dadurch bedingten —und verwendeten— Erhöhung des gemeinsamen Einkommens zugute gekommen. Der Ehefrau könne deshalb nicht nochmals die halbe Steuerbegünstigung gewährt werden. Zudem habe die Ehefrau dem Eintrag des vollen Betrags auf der Lohnsteuerkarte des Klägers zugestimmt und sich damit festgelegt. Außerdem sei in dem gerichtlichen Vergleich vereinbart worden, dass ihm, dem Kläger, sämtliche Steuervorteile aus dem Hauseigentum zufließen sollten.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die dagegen erhobene Klage änderte das Finanzgericht (FG) die angefochtene Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung des vollen Steuerabzugsbetrages gemäß § 10e EStG in Höhe von 14 948 DM. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 736 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger macht geltend, er habe einen Anspruch auf Mitteilung von der getrennten Veranlagung der Ehefrau gehabt; die gemeinsame Steuererklärung für 1990 sei zu Unrecht angefordert worden. Bei rechtzeitiger Kenntnis von der getrennten Veranlagung hätte er bei Abschluss des Vergleichs vom entsprechend reagieren können. Die Vereinbarung, dass ihm sämtliche Steuervorteile bezüglich des Hauseigentums zustünden, wäre dann nicht ”so fadenscheinig” formuliert worden.
II. Die Revision ist begründet, das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Unrecht hat das FG den Steuerabzugsbetrag nach § 10e EStG in voller Höhe bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Jahr 1990 berücksichtigt, nachdem die Ehefrau für jenes Jahr getrennte Veranlagung unter Berücksichtigung des auf ihren Miteigentumsanteil am Haus entfallenden —hälftigen— Steuerabzugsbetrags gemäß § 10e EStG beantragt hatte.
1. Zutreffend geht das FG davon aus, dass dem Kläger nach der gesetzlichen Regelung der Abzugsbetrag nur zur Hälfte zusteht. Hat der Steuerpflichtige nämlich —wie im Streitfall— nur einen Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, so kann er lediglich den entsprechenden Teil der Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 EStG abziehen (§ 10e Abs. 1 Satz 6 EStG i.d.F. ab 1990 = § 10e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987). Eine von den Miteigentumsanteilen abweichende Verteilung des Abzugsbetrags ist nicht möglich (, BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752, und vom X R 90/92, BFH/NV 1995, 20). Auch bei Ehegatten ist nur derjenige abzugsberechtigt, der in seiner Person die Abzugsvoraussetzungen des § 10e EStG erfüllt. Das ist bei gemeinschaftlichem Eigentum jeder Ehegatte nach Maßgabe seines Miteigentumsanteils. Werden die Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, ist es für die Inanspruchnahme der Förderung allerdings unerheblich, wer die Abzugsvoraussetzungen erfüllt, weil die Ehegatten hinsichtlich des Abzugs ”wie Sonderausgaben” gemäß § 26b EStG als ein Steuerpflichtiger behandelt werden.
Bei der getrennten Veranlagung (§ 26a EStG) ist jeder Ehegatte nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil abzugsberechtigt. Auf die im Schrifttum umstrittene Frage, ob der den Ehegatten insgesamt zustehende Abzugsbetrag bei getrennter Veranlagung abweichend aufgeteilt werden kann (vgl. die Nachweise bei Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10e EStG Rz. 34), kommt es im Streitfall nicht an, da eine von den Eigentumsverhältnissen abweichende Aufteilung allenfalls einvernehmlich durch die Ehegatten hätte vorgenommen werden können.
2. Entgegen der Auffassung des FG steht dem Kläger der auf den Miteigentumsanteil seiner früheren Ehefrau entfallende Teil des Steuerabzugsbetrags auch unter Berücksichtigung seines umfangreichen Vorbringens im Revisionsverfahren nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu.
a) Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom V R 54/94, BFH/NV 1996, 733). Er verdrängt jedoch gesetztes Recht —wie im Streitfall die sich aus § 10e EStG ergebende Beschränkung des Steuerabzugs auf die Hälfte des die Wohnung insgesamt betreffenden Betrages— nur in besonders liegenden Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (, BFHE 124, 105, 107, BStBl II 1978, 274; vom VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Welche Anforderungen der Grundsatz von Treu und Glauben an die Beteiligten eines Steuerrechtsverhältnisses stellt, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden; dabei kann insbesondere der Geltendmachung von Steueransprüchen entgegenstehen, dass ihr Entstehen auf einem rechtsfehlerhaften Verhalten der Finanzbehörde beruht, mithin bei rechtmäßigem Verhalten nicht entstanden wäre (vgl. , BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81; vom X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53).
b) Nach diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass die gemäß § 10e EStG zutreffende Begrenzung des Abzugsbetrags auf die dem Kläger nach seinem Miteigentumsanteil zustehende Quote mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar ist.
Denn das FA hat in dem maßgeblichen Steuerrechtsverhältnis zum Kläger weder ausdrücklich noch konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er ungeachtet der Trennung von seiner Frau und ungeachtet der von ihr beantragten getrennten Veranlagung den vollen Abzugsbetrag geltend machen könne. Insbesondere konnte der Kläger allein aufgrund der —fehlerhaften— Aufforderung zur Abgabe einer (gemeinsamen) Steuererklärung eine solche Auffassung des FA nicht berechtigt unterstellen.
Abgesehen davon fehlt es sowohl an einer Kausalität des finanzbehördlichen Fehlverhaltens für die fehlende Abziehbarkeit des auf die Ehefrau entfallenden Anteils am Steuerabzugsbetrag gemäß § 10e EStG als auch an —auf das konkrete Steuerrechtsverhältnis des Klägers zum FA— bezogenen schutzwürdigen Dispositionen des Klägers. Zum einen hätte er den auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau entfallenden Teil des Steuerabzugsbetrags nach § 10e EStG selbst dann nicht beanspruchen können, wenn das FA die Steuererklärung nicht angefordert hätte, weil dieser nach materiellem Recht allein der Ehefrau aufgrund ihres Miteigentumsrechts zustand. Zum anderen wäre insoweit auch eine besondere Disposition im Sinne einer Vereinbarung zwischen den Ehegatten über eine abweichende Aufteilung des Abzugsbetrages nach der Rechtsprechung des Senats rechtlich unerheblich gewesen (Entscheidungen in BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752, und in BFH/NV 1995, 20).
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger gehindert wäre, seinen —zivilrechtlichen— Anspruch aus der am geschlossenen Vereinbarung mit der Einigung der Vertragsparteien,
"dass dem Kläger sämtliche steuerlichen Vorteile aus dem Hauseigentum zufließen”,
ggf. durch eine Klage auf Freistellung von der durch die Halbierung des Abzugsbetrages hervorgerufenen Steuerbelastung durchzusetzen, zumal er diesen Anspruch anders als durch eine solche oder ähnliche zivilrechtliche Vereinbarung nicht hätte geltend machen können.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Dabei geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass er mit seinem Schriftsatz vom keine unselbständige Anschlussrevision einlegen, sondern lediglich seine Einwände aus dem Einspruchs- und Klageverfahren wiederholen und vertiefen wollte, da andernfalls eine beabsichtigte Anschlussrevision schon wegen fehlender Prozessvertretung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer nach Maßgabe des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs als unzulässig hätte verworfen werden müssen (vgl. , BFHE 126, 366, BStBl II 1979, 173, m.w.N.).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1013 Nr. 8
BAAAA-66484