Steuerpolitische Torschlusspanik
Steuerpolitische Reflexhandlungen zum nahenden Ende der Legislaturperiode
Bekanntlich findet am die Bundestagswahl statt. Rechnet man von diesem Termin noch die anstehende parlamentarische Sommerpause ab, verbleiben nicht mehr viele Sitzungswochen des Bundestags, in denen aktiv steuerpolitische Themen aufgegriffen und abgearbeitet werden können. Insofern kann es nicht verwundern, dass jüngst eine gewisse „steuerpolitische Torschlusspanik“ zu beobachten ist. Im Einzelnen sind folgende Vorhaben in der Beratung: Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes, Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen („Lizenzschranke“), Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften und Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze. Die folgenden Beispiele mögen steuerpolitische Reflexhandlungen verdeutlichen:
(1) Die Einführung einer Infrastrukturabgabe wurde bereits ausführlich in der Öffentlichkeit diskutiert. Aus ökonomischer Sicht gibt es m. E. wenig Gründe, dieses Projekt so umzusetzen, da zu befürchten ist, dass die Bürokratie- und Erhebungskosten das gesamte Projekt zu einem Minusgeschäft machen könnten. Der steuerpolitische Reflex, der dieses Projekt erst ermöglicht hat, ist die Einigung mit der EU-Kommission, wonach nun zusätzliche Entlastungen bei der Kraftfahrzeugsteuer für Pkw der Euro-6-Klasse gewährt werden. Diese wiederum sollen in den Jahren 2019 und 2020 noch einmal höher ausfallen als in den späteren Jahren ab 2021. Dem Finanztableau zu dem Gesetzentwurf ist zu entnehmen, dass durch die Absenkung der Entlastungsbeträge nach zwei Jahren fiskalische Effekte (Reduzierung der Mindereinnahmen) von ca. 20 Mio. € im Jahr 2021 entstehen werden. Allerdings bewirkt die Anpassung auch eine Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer. Hierdurch entstehen zusätzliche Bürokratiekosten für die folgenden Positionen: Versand von Steuerbescheiden, zusätzlicher Personalbedarf für Rechtsbehelfsverfahren und Rückfragen der Steuerpflichtigen. Laut Gesetzentwurf betragen diese zusätzlichen Bürokratiekosten in der Summe im Jahr 2021 26,1 Mio. €. Im Ergebnis werden damit also die fiskalischen Mehreinnahmen in 2021 zu mehr als 100 % durch zusätzliche (einmalige) Bürokratiekosten aufgezehrt. Ein solches Vorgehen stellt sicherlich keine effiziente Erhebung einer Steuer dar, sondern belegt m. E. erneut die Absurdität des gesamten Projekts.
(2) Als weiteres Beispiel für steuerpolitische Reflexhandlungen ist darauf hinzuweisen, dass sowohl das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz als auch das Gesetz zur Lizenzschranke weitere Themen aufnehmen sollen, die eher den Charakter von allgemeinen Korrekturen haben (vgl. Hechtner auf ). Damit verkommen beide Gesetze zu kleinen Jahressteuergesetzen. Offenbar richtet man sich darauf ein, dass frühestens Ende des Jahres wieder steuerpolitische Maßnahmen umgesetzt werden können.
Frank Hechtner
Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 1057
NWB XAAAG-41978